RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: LUTZ KRÄMER UND ALEXANDER KIEFNER

Gesetzgeber reagiert auf Bieterkampf um Osram

Anpassungen im Übernahmerecht - "Kein überzeugender Präzedenzfall"

Gesetzgeber reagiert auf Bieterkampf um Osram

Herr Dr. Krämer, Herr Dr. Kiefner, der Gesetzgeber reagiert auf den Fall AMS/Osram mit Erweiterung der einjährigen Sperrfrist im Wertpapierübernahmegesetz. Wie sieht die Regelung aus?Krämer: Eine Ergänzung des § 26 WpÜG stellt künftig klar, dass die einjährige Sperrfrist nach Untersagung eines Angebots nunmehr auch mit dem Bieter gemeinsam handelnde Personen erfasst. Hierdurch sollen Umgehungsmöglichkeiten, wie die Gründung einer neuen Bieter-Tochtergesellschaft, ausgeschlossen werden. Dies gilt auch in Fällen, in denen lediglich eine – zu ambitionierte – Mindestannahmeschwelle verfehlt worden ist. Kommt das überraschend?Kiefner: Ja, es ist sehr ungewöhnlich, dass der Gesetzgeber auf ein aktuelles Übernahmeverfahren so schnell reagiert. Die Eile wird besonders daran deutlich, dass die Änderung vom Finanzausschuss des Bundestags – und nicht vom Rechtsausschuss – als offensichtlicher Fremdkörper in das “Änderungsgesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie” aufgenommen worden ist. Ist die Erweiterung der Sperrfrist erforderlich und angemessen?Kiefner: Es war schon bisher streitig, ob ein zweites Angebot durch eine neu gegründete Tochtergesellschaft ungeachtet des engen Gesetzeswortlauts “Bieter” nur mit Zustimmung der Zielgesellschaft zulässig ist. Die BaFin hat bisher auf solche erneute Angebote mit einer ausdrücklichen Angebotsgestattung im Fall Biofrontera beziehungsweise Verstreichenlassen der Gestattungsfrist im Fall AMS/Osram reagiert, ohne eine Zustimmung der Zielgesellschaft zu fordern. Die Gesetzesänderung bedeutet eine Änderung der Verwaltungspraxis und nicht nur eine Klarstellung, wie es in der Gesetzesbegründung anklingt. Gerade aus Sicht konkurrierender Bieter erscheint die Notwendigkeit einer Zustimmung der Zielgesellschaft nicht immer gerechtfertigt. In welchen Situationen könnte die einjährige Sperrfrist unbillig sein?Krämer: Die Sperrfrist will Missbräuchen entgegenwirken. Ein Bieter soll zum Beispiel nicht mehrfach Übernahmeverfahren mit nur marginal erhöhter Gegenleistung durchführen können. Dagegen kann ein erneutes Angebot im Falle einer knapp verfehlten Mindestannahmeschwelle auch ohne – substanzielle – Erhöhung der Gegenleistung sinnvoll sein: So waren nach dem Erwerb von 20 % an Osram durch AMS konkurrierende Angebote durch Private-Equity-Bieter oder strategische Erwerber faktisch ausgeschlossen. In dieser Situation klare Mehrheitsverhältnisse über ein weiteres Angebot mit reduzierter Mindestannahmeschwelle anzustreben, erscheint nicht nur aus Aktionärssicht, sondern grundsätzlich auch aus Unternehmenssicht sinnvoll. Muss die Zielgesellschaft in einem solchen Fall nicht ohnehin aus Gründen des Unternehmenswohls zustimmen?Kiefner: Das wird man selbst bei attraktiveren Folgeangeboten nicht pauschal sagen können. Der Vorstand und insbesondere der Aufsichtsrat als Vertreter der Aktionäre haben eine Einschätzungsprärogative, und die Business Judgement Rule ist anwendbar. Wenn in Fällen konkurrierender Angebote ein Bieter nicht mehr “kontern kann”, weil zum Beispiel der konkurrierende Angebotspreis durch einen Parallelerwerb kurz vor Ablauf der Angebotsfrist erhöht wurde, treffen Vorstand und Aufsichtsrat zwar Treuepflichten. Ob hieraus auch eine Pflicht zur Zustimmung folgt, hängt aber stark von den konkreten Umständen ab. Die Verhandlungsposition der Zielgesellschaft wird durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Sperrfrist jedenfalls erheblich gestärkt. Sie lehnen die Erweiterung ab?Krämer: Wir halten jedenfalls den Bieterkampf um Osram für keinen überzeugenden Präzedenzfall. Einen Missbrauch können wir in dem zweiten Angebot weder aus Unternehmens- noch aus Aktionärssicht erkennen. Vielmehr hatte Osram vor Fristablauf des ersten AMS-Angebots ein erhöhtes Angebot des anderen Bieters Bain/Carlyle in Aussicht gestellt. Dieses hatte sich dann aufgrund der schon aufgebauten AMS-Beteiligung von 20 % erwartungsgemäß nicht realisiert. Wir hätten uns gewünscht, dass der Gesetzgeber in Ruhe auch alternative Lösungen prüft – etwa ausschließlich eine ermessensgestützte BaFin-Untersagung. Dr. Lutz Krämer und Dr. Alexander Kiefner sind Partner von White & Case in Frankfurt.Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.