Recht und Kapitalmarkt

Gesetzgeber will Verschmelzungen erleichtern

Vor allem für Konzerne von Bedeutung - Squeeze-out künftig schon bei 90 Prozent Anteilsbesitz geplant

Gesetzgeber will Verschmelzungen erleichtern

Von Klaus J. Müller *) Am 15. März 2010 hat das Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf für das “Dritte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes” vorgelegt. Anlass zu den geplanten Neuerungen gibt, wie mittlerweile immer häufiger, zu großen Teilen eine europäische Richtlinie (RL 2009/109/EG vom 16. September 2009; ABl. L 259 vom 2. Oktober 2009, S. 14).Das Hauptaugenmerk des Entwurfs gilt der Verschmelzung und Spaltung unter Beteiligung von Aktiengesellschaften. Erleichterungen soll es hier vor allem bei Konzernverschmelzungen in der Form des sogenannten Upstream Merger sowie beim Ausschluss von Minderheitsaktionären (Squeeze-out) geben. Ein Beschluss des Regierungskabinetts über den Entwurf ist noch vor der Sommerpause geplant. Im Folgenden werden die besonders markanten Änderungen kurz vorgestellt. DiskussionsstoffGleich zu der bedeutendsten Neuerung: dem Ausschluss von Minderheitsaktionären (sogenannter Squeeze-out). Dieser ist bislang daran geknüpft, dass einem Hauptaktionär mindestens 95 % der Aktien gehören. Er kann dann einen Hauptversammlungsbeschluss über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf ihn selbst (gegen angemessene Barabfindung) fassen. Wenn dieser Beschluss im Handelsregister eingetragen wird, gehen die Aktien kraft Gesetzes auf ihn über.Nunmehr will der Gesetzgeber dieses Ausschlussrecht bei der Verschmelzung auch einführen, wenn der Mehrheitsaktionär nur 90 % der Aktien hält. Einen Squeeze-out bei nur 90-prozentiger Beteiligung gibt es im deutschen Recht bisher (abgesehen von einer absoluten Sonderregelung nach dem Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz, angewendet etwa bei der Hauptversammlung der Hypo Real Estate Holding AG am 5. Oktober 2009) nicht.Über diesen Punkt wird im Gesetzgebungsverfahren gewiss noch debattiert werden. Viele werden einwenden, dass es sich bei einem Squeeze-out schon ab einer Beteiligungsschwelle von 90 % um einen verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriff in die Eigentumsrechte der betroffenen Minderheitsaktionäre handelt. Andere werden – wie jetzt auch schon vorsorglich die Entwurfsverfasser in ihrer Begründung zum Referentenentwurf – darauf verweisen, dass mit einem Kapitalanteil von höchstens 10 % typischerweise noch keine unternehmerischen Einwirkungsmöglichkeit auf die Unternehmensführung verbunden sei, sondern dass der Minderheitsaktionär im Regelfall ein reines Vermögensinteresse habe (das natürlich in Geld abzufinden ist). Die Diskussion darf mit Spannung verfolgt werden. FristenWenn ein derartiger Squeeze-out im Rahmen einer Verschmelzung ins Auge gefasst wird, muss der Verschmelzungsvertrag nach der geplanten neuen Regelung über die bei jeder Verschmelzung vorgeschriebenen Angaben hinaus auf den beabsichtigten Ausschluss der Minderheitsaktionäre hinweisen. Voraussetzung für einen Squeeze-out soll sein, dass er in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Verschmelzung der Tochter- auf die Muttergesellschaft vorgenommen wird. Der Squeeze-out-Beschluss muss daher spätestens drei Monate nach Abschluss des Verschmelzungsvertrags oder Aufstellung des Entwurfs erfolgen.Der Verschmelzungsvertrag bzw. sein Entwurf ist vor der Hauptversammlung, die über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre entscheiden soll, neben den auch sonst für einen Squeeze-out vorgeschriebenen Unterlagen auszulegen oder zugänglich zu machen. Damit schließlich das Handelsregister insbesondere die Drei-Monats-Frist überwachen kann, ist außerdem der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf bei der Anmeldung des Squeeze-out zum Handelsregister mit vorzulegen. Der Ausschluss der Minderheitsaktionäre soll sich dann im Übrigen nach den allgemeinen Squeeze-out-Vorschriften vollziehen. Wenn das Vorhaben Gesetz wird, kann im Prinzip auch sofort nach dem Abschluss des Verschmelzungsvertrags die Squeeze-out-Hauptversammlung vorbereitet und durchgeführt werden. Wenn der Ausschluss der Minderheitsaktionäre dann in das Handelsregister eingetragen ist, kann die Verschmelzung durch Aufnahme der dadurch 100-prozentigen Tochtergesellschaft vollendet werden. Eines zusätzlichen Beschlusses der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft wird es nach der geplanten Neuregelung nicht mehr bedürfen.Doch soll es nicht nur Erleichterungen, sondern zum Teil auch Verschärfungen geben (das beruht auf zwingenden Richtlinienvorgaben): Bisher war nur für Spaltungen vorgesehen, dass der Vorstand der übertragenden (sich spaltenden) Gesellschaft die Aktionäre (und die Geschäftsleitung der übernehmenden Gesellschaft) über wesentliche Veränderungen der Vermögensverhältnisse der sich spaltenden Gesellschaft zu unterrichten hat, die zwischen dem Spaltungsvertrag und dem Hauptversammlungsbeschluss über die Spaltung eintreten. Diese Unterrichtungspflicht über bedeutsamere Vermögensveränderungen soll nun auch für Verschmelzungen verbindlich vorgeschrieben werden und nicht mehr nur für die AG und KGaA, sondern u. a. auch für die GmbH und GmbH & Co. KG.Die letzte hier vorzustellende Änderung betrifft Verschmelzungen und Spaltungen im Konzern. Außerhalb einer Konzernverbindung ist für die Verschmelzung grundsätzlich ein Vertrag zwischen den beiden beteiligten Gesellschaften erforderlich, dem sodann die Gesellschafter beider Gesellschaften durch Beschluss zustimmen müssen. Dabei sind sowohl der Vertrag als auch die Zustimmungsbeschlüsse notariell zu beurkunden. Einen Schritt weiterBei Konzernverschmelzungen ist das schon jetzt anders: Hält die übernehmende Aktiengesellschaft (AG) mindestens 90 % der Anteile einer übertragenden AG oder GmbH, ist ein Verschmelzungsbeschluss der Hauptversammlung der übernehmenden AG (also der Muttergesellschaft) entbehrlich. Eine Ausnahme gilt nur, wenn Aktionäre mit mindestens 5 % der Anteile die Beschlussfassung ausdrücklich verlangen. Vor diesem Hintergrund will der Gesetzgeber jetzt für reine Konzernverschmelzungen noch einen Schritt weiter gehen: In Zukunft soll bei der Verschmelzung einer 100-prozentigen Tochterkapitalgesellschaft auf ihre Mutter (wenn diese eine Aktiengesellschaft ist) auch bei der Tochtergesellschaft kein Zustimmungsbeschluss nötig sein. Bei einem derartigen Upstream Merger bedarf es nach dem neuen Recht in dieser Fallgestaltung nun also überhaupt keines Gesellschafterbeschlusses mehr!Davon unberührt bleiben freilich die Pflicht zur Bekanntmachung der geplanten Verschmelzung sowie das Informationsrecht und das oben geschilderte Minderheitenrecht der Aktionäre bei Erreichen der 5 %-Schwelle. Auch die gerade erwähnte erweiterte Unterrichtungspflicht gilt dann gleichwohl. Diese neue Sonderregelung wäre dann auch bei Spaltungen anwendbar, bei denen die übernehmende Aktiengesellschaft alle Anteile an der übertragenden Gesellschaft hält. Mehr FlexibilitätAuch ohne zwingendes Beschlusserfordernis bleibt es der Muttergesellschaft freilich unbenommen, freiwillig eine Gesellschafterversammlung bei der 100-prozentigen Tochtergesellschaft abzuhalten. Die Niederschrift des betreffenden Verschmelzungs- oder Spaltungsbeschlusses gehört dann jedoch nicht zu den notwendigen Anlagen für die Anmeldung der Verschmelzung oder Spaltung zum Handelsregister.Fazit: Die geplanten Änderungen sind ganz überwiegend zu begrüßen (auch der erleichterte Squeeze-out). Strukturmaßnahmen im Konzern wie Verschmelzungen und Spaltungen würden vereinfacht und damit die unternehmerische Entfaltungsfreiheit gestärkt.—-*) Dr. Klaus J. Müller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Partner der Sozietät Schiedermair Rechtsanwälte in Frankfurt/Main.