Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Jörn-Christian Schulze

GmbH-Reform ermöglicht den gutgläubigen Erwerb von Anteilen

Erweiterung um Bestandsschutz für eingetragene Gesellschaften wäre sinnvoll

GmbH-Reform ermöglicht den gutgläubigen Erwerb von Anteilen

Das Bundesjustizministerium hat am 29. Mai 2006 den Referentenentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vorgelegt. Beabsichtigt ist u. a. die Ermöglichung des gutgläubigen Erwerbs von GmbH-Geschäftsanteilen. Die Börsen-Zeitung sprach mit Rechtsanwalt Dr. Jörn-Christian Schulze über die möglichen Auswirkungen des Vorschlags auf M & A-Transaktionen. – Herr Dr. Schulze, was ist der Hintergrund für die Einführung des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen?Bislang sieht das Gesetz keine Regelung für den gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen an einer GmbH vor. Das hat zur Folge, dass der Käufer Eigentum an dem erworbenen Unternehmen dann nicht erlangt, wenn der Verkäufer nicht tatsächlich Eigentümer des veräußerten Geschäftsanteils war, also so als Nichtberechtigter veräußert hat. – Wie wird diesem Problem derzeit begegnet?Bei jedem GmbH-Share-Deal ist wesentlicher Teil der rechtlichen Due Diligence die so genannte “Title Research”. Der Erwerber lässt sich eine lückenlose Reihe sämtlicher Übertragungsdokumente bis hin zur Gründungsurkunde der Zielgesellschaft vorlegen. Auch diese – gerade bei älteren Gesellschaften äußerst kostenintensive – Untersuchung gibt aber letztlich keine Sicherheit. Die Übertragung von Geschäftsanteilen wird bislang nicht mit Rechtswirkung registriert. – Was heißt das?Es ist daher denkbar, dass bereits außerhalb der vorgelegten Urkunden Geschäftsanteile durch Rechtsgeschäft oder Gesamtrechtsnachfolge an nicht genannte Dritte übergegangen sind. Der Käufer wird sich daher stets garantieren lassen, dass der Verkäufer tatsächlich Eigentümer der Anteile ist. Aber auch diese Garantie gibt ihm im Falle der Unrichtigkeit nur “Steine statt Brot”. Der Käufer ist auf Schadenersatzansprüche reduziert. Das Unternehmen wird er nicht erhalten; denn gegen den Willen des wahren Berechtigten ist es dem Verkäufer unmöglich, dem Erwerber den Geschäftsanteil zu verschaffen. – Inwiefern würde das neue Recht diese Situation verändern?Bereits heute haben die Geschäftsführer einer GmbH die Pflicht, dem Handelsregister jede Veränderung im Gesellschafterbestand der GmbH mittels einer Gesellschafterliste anzuzeigen. – Und künftig?Zukünftig soll diese Gesellschafterliste – ähnlich dem Grundbuchblatt – öffentlichen Glauben haben, d. h., sie ermöglicht den gutgläubigen Erwerb. Für den Fall, dass der Verkäufer seit mindestens drei Jahren unwidersprochen als Eigentümer in der Gesellschafterliste verzeichnet ist und dem Käufer nichts Gegenteiliges bekannt ist, erwirbt der Käufer Eigentum an dem Geschäftsanteil, selbst wenn der Verkäufer dieses nicht innehatte. – Dies bedeutet aber, dass sich die “Title Research” auch in Zukunft nicht völlig erübrigt? Dies ist in mehrfacher Weise richtig. Zunächst wirkt der Gutglaubensschutz erst nach drei Jahren, so dass bezüglich dieses Zeitraums die oben beschriebene Unsicherheit verbleibt. Für den Käufer eines Geschäftsanteils ist aber nicht nur entscheidend, dass er Eigentum am Geschäftsanteil erwirbt. Dieses Eigentum muss auch lastenfrei, also etwa frei von Pfand- oder Nießbrauchsrechten, übertragen werden. Vor dem Hintergrund, dass die bei dem Handelsregister einzureichende Gesellschafterliste nur die Eigentumsverhältnisse am Geschäftsanteil und keine Belastungen wiedergeben wird, ist davon auszugehen, dass sich der Gutglaubensschutz auch nur auf die Eigentümerstellung erstreckt. Im Rahmen der Due Diligence wäre daher nach wie vor die Lastenfreiheit des zu veräußernden Geschäftsanteils – und zwar ab Gründung – zu untersuchen und im Kaufvertrag zu garantieren. – Herr Schulze, wie sollte der Gesetzgeber aus Ihrer Sicht verfahren? Zunächst ist festzuhalten, dass der Vorschlag, den gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen einzuführen, äußerst sinnvoll ist. Der Vorschlag sollte allerdings – neben dem beschriebenen gutgläubigen lastenfreien Erwerb – um einen Bestandsschutz für in das Handelsregister eingetragene GmbH erweitert werden. Derzeit führen bestimmte Gründungsfehler bei einer GmbH zu deren Löschungsreife und zwar unabhängig davon, wie lange die Gesellschaft bereits eingetragen ist. Dies würde auch nach neuem Recht zur Untersuchung des Gründungsvorgangs zwingen. Dr. Jörn-Christian Schulze ist Rechtsanwalt bei Simmons & Simmons in Düsseldorf.Die Fragen stellte Walther Becker.