Recht und Kapitalmarkt

GmbH-Reform strahlt auf Aktienrecht aus

Novelle bringt für die Zulässigkeit von aufsteigenden Darlehen erfreuliche Klarheit

GmbH-Reform strahlt auf Aktienrecht aus

Von Lutz Englisch und Germar Enders *) Zwei Jahre nach Vorlage des Referentenentwurfs hat der Bundestag am 26. Juni 2008 das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) verabschiedet und damit die umfassendste Reform des GmbH-Gesetzes seit dessen Bestehen auf den Weg gebracht. Im kommenden Herbst soll die Reform in Kraft treten. Als Artikelgesetz lässt das MoMiG auch das Aktiengesetz nicht unberührt. Angelehnt an die Neuerungen im GmbH-Recht hat es sich der Gesetzgeber zur Aufgabe gemacht, auch das Aktiengesetz (AktG) weiter zu modernisieren und zu deregulieren. Gleichzeitig soll die Aktiengesellschaft (AG) “im Wettbewerb der Rechtsordnungen” für Gründer und Gesellschafter attraktiver gemacht und der Gläubigerschutz verbessert werden. Zielkonflikte liegen insoweit auf der Hand. Die wohl wichtigsten Neuerungen im Recht der Aktiengesellschaft betreffen die für die Konzernfinanzierung besonders relevanten Kapitalbindungsregeln. Die Rechtsänderungen dort führen insbesondere zur Aufgabe des bisherigen Eigenkapitalersatzrechts. Drei AusnahmefälleDas MoMiG fasst die zentrale Vorschrift über die Vermögensbindung bei der AG (§ 57 AktG) neu. Danach bleiben über den Bilanzgewinn hinausgehende Leistungen an die Aktionäre im Grundsatz unzulässig. Ausnahmen gibt es in drei Fällen. Das Verbot “gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Erstattungsanspruch gegen den Aktionär gedeckt sind”. Das Verbot ist “zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Aktionärsdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Aktionärsdarlehen wirtschaftlich entsprechen”, heißt es weiter. Befreiung bei OrganschaftDie erste Ausnahme befreit umfassend Leistungen von der Kapitalbindung “bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291)”. Die noch im Regierungsentwurf enthaltene Einschränkung der Befreiung auf Leistungen “zwischen den Vertragsteilen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags” wurde nicht Gesetz. Die Formulierung “bei Bestehen” stellt klar, dass auch Leistungen an Dritte, also etwa andere Konzerngesellschaften, privilegiert sind. Außerdem ist es nicht erforderlich, dass die Leistung gerade “aufgrund” eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags erfolgt. Für die Zulässigkeit von aufsteigenden Darlehen (Upstream Loans) bringt die Novelle erfreuliche Klarheit. Hier hatte die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 24. November 2003 über Kreditgewährungen an GmbH-Gesellschafter für erhebliche Unsicherheit gesorgt. In dem sogenannten November-Urteil hatte der BGH entschieden, dass Kreditgewährungen an GmbH-Gesellschafter, die zulasten des gebundenen Vermögens erfolgen, selbst dann verbotene Auszahlungen darstellen, wenn der Rückzahlungsanspruch gegen den Gesellschafter vollwertig ist. Die darin zum Ausdruck kommende Abkehr von der bilanziellen Betrachtungsweise wurde überwiegend auch auf die AG übertragen. Die strengen Grundsätze wurden aber vor allem im Hinblick auf die Einbeziehung von Tochtergesellschaften in Cash Pools als ungeeignet angesehen. Bilanzielle BetrachtungMit der Neuregelung kehrt das Gesetz zur bilanziellen Betrachtungsweise zurück. Jedes von der AG an ihre Aktionäre ausgereichte Darlehen ist zulässig, sofern es durch einen vollwertigen Rückzahlungsanspruch gedeckt ist. Das dürfte insbesondere nur bei angemessener Verzinsung der Fall sein. Eine Besicherung wird von Teilen des Schrifttums als nicht zwingend angesehen. Bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags erübrigen sich entsprechende Prüfungen, da hier ein eigener Privilegierungstatbestand greift. Die dritte Ausnahme betrifft die Rückgewähr von Aktionärsdarlehen und vergleichbare Handlungen. Bislang waren Gesellschafterdarlehen unter bestimmten Voraussetzungen als Eigenkapital umzuqualifizieren, mit der Folge der Nachrangigkeit in der Insolvenz. Das MoMiG dereguliert das Eigenkapitalersatzrecht durch Aufgabe der Unterscheidung zwischen “eigenkapitalersetzenden” und anderen Darlehen. Künftig sind Aktionärsdarlehen in der Insolvenz der AG weitgehend unterschiedslos nachrangig: Ausnahmen bestehen für Sanierungsdarlehen sowie Kleinbeteiligungen bis zu 10 %. Die neue Kleinbeteiligungsschwelle liegt deutlich unter der bisher für eigenkapitalersetzende Darlehen bei Aktiengesellschaften geltenden 25-Prozent-Schwelle. Flankiert werden die neuen Insolvenzregelungen durch erweiterte Anfechtungsmöglichkeiten. Für die Praxis ist die Neuregelung des Eigenkapitalersatzrechts im Grundsatz begrüßenswert. Sie vermeidet Auslegungsfragen im Zusammenhang mit den Tatbestandsmerkmalen “eigenkapitalersetzend” und “Krise” und schafft hierdurch Rechtssicherheit. Ihr Preis ist, dass Aktionärsdarlehen im Regelfall nachrangig sein werden, wobei sich der Nachrang auch an den von der AG bestellten Sicherheiten fortsetzt. Wie sehr dies dem gesetzgeberischen Ziel entgegenläuft, konzerninternes Cash Pooling zu stärken, bleibt abzuwarten. Deregulierung Auf Deregulierung und Beschleunigung zielen zahlreiche Vereinfachungen im Gründungsverfahren. Die Notwendigkeit einer Genehmigungsvorlage bei der Handelsregisteranmeldung einer Aktiengesellschaft mit genehmigungsbedürftigem Unternehmensgegenstand entfällt ebenso wie das Erfordernis der besonderen Sicherheitenbestellung im Fall einer Einpersonengründung. Bei der Registeranmeldung international besetzter Vorstände schafft die Novelle Rechtsklarheit. Die Belehrung über die unbeschränkte Auskunftspflicht nach § 53 Abs. 2 BZRG (Bundeszentralregistergesetz) darf künftig unzweifelhaft schriftlich erfolgen, und zwar durch einen in- oder ausländischen Notar, einen deutschen Konsularbeamten oder durch einen Rechtsanwalt. Hinsichtlich der Wahl des Verwaltungssitzes werden deutsche AGs künftig mehr Gestaltungsspielraum haben und werden damit im “Wettbewerb der Rechtsordnungen” attraktiver. Unternehmen haben die Möglichkeit, einen Verwaltungssitz im Ausland zu wählen, der nicht mit dem Satzungssitz im Inland übereinstimmt. Bisher war ihnen dies verwehrt. Keine Diskriminierung mehrEU-Auslandsgesellschaften hingegen, deren Gründungsstaat eine Verlagerung des Verwaltungssitzes nach Deutschland zuließ, mussten bereits bisher nach den EuGH-Urteilen Überseering und Inspire Art in Deutschland anerkannt werden. Die Neuregelung beseitigt diese “Inländerdiskriminierung”. Zu beachten bleibt freilich, dass auch bei Wahl eines ausländischen Verwaltungssitzes neben dem inländischen Satzungssitz die Eintragung einer inländischen Geschäftsadresse im Handelsregister und deren Aufrechterhaltung zwingend sind. Die Notwendigkeit einer inländischen Geschäftsadresse ist im Zusammenhang mit den Neuregelungen über den Zugang von Willenserklärungen und die Zustellung zu sehen. Öffentliche Zustellungen sind künftig schon unter wesentlich vereinfachten Bedingungen möglich. Nachforschungen sind ebenso wenig erforderlich wie Zustellungsversuche im Ausland. Die Erleichterungen zielen zusammen mit der Registerpublizität der Geschäftsadresse darauf, die Rechtsverfolgungsmöglichkeiten von Gesellschaftsgläubigern zu beschleunigen und zu erleichtern. Ebenfalls dem Gläubigerschutz dient die neu eingeführte “Ersatzzuständigkeit” des Aufsichtsrats als Zustellungsempfänger und Adressat der Insolvenzantragspflicht im Falle des “Abtauchens” der Leitungsorgane. Kein Ende in SichtDas MoMiG ist also weit mehr als eine Reform nur des GmbH-Rechts: Den beschlossenen aktienrechtlichen Änderungen liegt zwar kein originäres Motiv des aktienrechtlichen Gesetzgebers zugrunde. Die Änderungen sind gleichwohl weitreichend und praktisch bedeutsam – auch wenn sich ein Ende aktienrechtlicher Novellen keineswegs abzuzeichnen scheint. *) Dr. Lutz Englisch ist Rechtsanwalt und Partner, Dr. Germar Enders Rechtsanwalt in der Sozietät Ashurst LLP in München.