RECHT UND KAPITALMARKT

Goldene Zeiten für Leerverkäufer

Short-Attacken nehmen zu - Unternehmen sollten Schwachstellen beheben

Goldene Zeiten für Leerverkäufer

Von Richard Mayer-Uellner *)In den vergangenen Wochen häufen sich wieder die Attacken von Leerverkäufern auf börsennotierte Unternehmen. Zurzeit wehrt sich der Finanzdienstleister Grenke gegen den Angriff des von Fraser Perring geleiteten Hedgefonds Viceroy Research. Im Mittelpunkt der Vorwürfe stehen neben angeblichen Bilanzierungsverstößen die Franchise-Geschäfte von Grenke. Zusätzliche Schlagkraft erhalten die Vorwürfe dadurch, dass Perring frühzeitig auf die kriminellen Vorgänge bei Wirecard hingewiesen hatte. Dem US-amerikanischen Elektrotruck-Entwickler Nikola Motors wirft das Analysehaus Hindenburg Research die Täuschung von Investoren und Geschäftspartnern vor. Warum nehmen Short Attacks derzeit zu und was können börsennotierte Unternehmen dagegen tun?Bei einer Short Attack gehen Leerverkäufer mit der Aktie des betreffenden Unternehmens “short”, das heißt, sie wetten auf einen fallenden Börsenkurs, indem sie sich Aktien leihen, diese verkaufen und anschließend zu einem günstigeren Kurs zurückkaufen. Um den Kurs zum Absturz zu bringen, erheben sie öffentlich schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen. Neben Kursverlusten drohen massive Reputationsschäden. KursfantasienWaren die Kurse zu Beginn der Coronakrise auf breiter Front eingebrochen, wird das Spielfeld für die Short Seller derzeit neu bereitet: Nach Ansicht vieler Marktbeobachter hat sich das aktuell hohe Kursniveau weitgehend von der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt. Bei vielen Unternehmen blühen Kursfantasien, weil sie als Coronagewinner angesehen werden oder von übergeordneten Trends profitieren. Potenziell überbewertete Unternehmen sind das ideale Angriffsobjekt für Short Seller. Sind die Aktionäre zudem auf einem niedrigeren Kursniveau eingestiegen, sind sie eher dazu bereit, ihre Aktien wieder zu verkaufen. Schließlich begünstigt auch die hohe Volatilität an den Börsen das Geschäft der Leerverkäufer, weil nervöse Anleger ihre Positionen schneller wieder abstoßen. Lange Listen von KriterienIhre konkreten Ziele suchen sich die Short Seller anhand langer Listen von Kriterien. Je mehr Kriterien zutreffen, desto eher eignet sich ein Unternehmen als Angriffsziel. Beispiele hierfür sind enge Verflechtungen mit Großaktionären, eine ungenügende Kontrolle durch den Aufsichtsrat oder ein komplexes beziehungsweise schwer kommunizierbares Geschäftsmodell. Die Verteidigung muss damit beginnen, mögliche Schwachstellen und damit Angriffspunkte der Short Seller zu identifizieren und abzustellen.Von großer Bedeutung ist eine intensive und transparente Investor Relations- und Öffentlichkeitsarbeit. Denn je größer das Vertrauen der Investoren in die Geschäftsleitung ist, desto weniger eignet sich das Unternehmen als Angriffsziel. Ebenso gehört die Beobachtung von Handelsbewegungen in der eigenen Aktie zur Prävention von Angriffen. Da Short Seller häufig versuchen, durch Befragungen von Mitarbeitern an interne Informationen zu kommen, sollten auch die Mitarbeiter regelmäßig geschult werden.Wurde das Unternehmen bereits Ziel eines Angriffs, ist es entscheidend, möglichst schnell reagieren zu können. Daher sollten börsennotierte Unternehmen ein Defense Manual in der Schublade haben, also einen Leitfaden, der die ersten Schritte und Gegenmaßnahmen vorgibt. Der Leitfaden legt beispielsweise fest, welche Gremien, Abteilungen und Berater zu informieren sind und aus welchen Personen sich das Team zusammensetzt, das die Verteidigung koordiniert. Es enthält Listen der “Opinion Former” wie Banken, Analysten und Wirtschafts- bzw. Finanzpublikationen, die die eigene Botschaft verbreiten können. Hierfür können beispielsweise Pressemitteilungen, Q&A-Sessions oder Telefonkonferenzen mit Analysten und Investoren, Printanzeigen sowie Briefe oder E-Mails an die Aktionäre genutzt werden. Liegen den Vorwürfen schwierigere Fragestellungen zugrunde, empfiehlt sich die Veröffentlichung einer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme oder sogar die Einleitung einer Sonderprüfung durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer. Wenn der Verdacht von Verstößen gegen Meldepflichten, Insiderrecht oder das Verbot der Marktmanipulation besteht, ist die BaFin oder sogar die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Auch muss der Vorstand mögliche Schadensersatzansprüche gegen die Short Seller prüfen. Transparenz zähltNach einem erfolgreichen Angriff ist es ein mühsamer und langwieriger Prozess, das verlorene Vertrauen der Marktteilnehmer wiederherzustellen. Dafür kommen auch klassische Kurspflegemaßnahmen wie ein Aktienrückkauf oder der Verkauf geschäftlicher Randbereiche in Betracht sowie insgesamt eine stärkere Orientierung am Shareholder Value. Noch wichtiger ist es, den Rahmen für eine gute und transparente Unternehmensführung zu schaffen. Und natürlich gehört es dann auch dazu, die Verbesserungen möglichst öffentlichkeitswirksam bekannt zu machen. *) Dr. Richard Mayer-Uellner ist Partner von CMS Deutschland.