„Green Finance“ wird zum Bewertungsmaßstab

Der Markt für nachhaltige Finanzprodukte wächst – trotz Coronakrise. Das ist kein plötzlicher Hype, sondern nachhaltige Evolution. Green Finance ist ein krisenfester Motor dieser Entwicklung. Nachhaltig meint aber mehr als nur „grün“.

„Green Finance“ wird zum Bewertungsmaßstab

Der Markt für nachhaltige Finanzprodukte wächst – trotz Coronakrise. Das ist kein plötzlicher Hype, sondern nachhaltige Evolution. Green Finance ist ein krisenfester Motor dieser Entwicklung. Nachhaltig meint aber mehr als nur „grün“.

Seit mehr als einem Jahr dominiert die Corona-Pandemie unseren Alltag – gesellschaftlich, sozial und wirtschaftlich. Das Virus setzt einzelne Unternehmen ebenso unter Druck wie die gesamte Weltwirtschaft. Unter diesen extremen Bedingungen hat der Sustainable-Finance-Markt seine Feuerprobe bestanden und gezeigt, dass er krisenfest ist.

Das LBBW Research hat im März dieses Jahres seine Prognose für den Markt nachhaltiger Unternehmensanleihen für 2021 deutlich angehoben. Im laufenden Jahr rechnet es mit Neuemissionen im Umfang von 150 Mrd. Euro. Das bedeutet ein Plus von 60 % gegenüber dem Vorjahr. Ein derart schnelles Wachstum bei nachhaltigen Anleihen gab es noch nie – und das hat seine Gründe.

Eine Ursache ist der ambitionierte Aktionsplan der Europäischen Union (EU) mit seinen herausfordernden Zeitvorgaben. Die Politik hat das Ziel ausgegeben, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Zudem sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 mindestens 55 % geringer sein als 1990. Das bedeutet einen immensen Investitionsbedarf in neue Technologien, Services und Geschäftsmodelle. Grüne Finanzprodukte sind ein Instrument, um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen.

Im jährlichen Global Risks Report, der im vergangenen Jahr vom Weltwirtschaftsforum veröffentlicht wurde, werden die fünf größten Risiken identifiziert: Vier der Top-5-Risiken waren damals Umwelt­risiken – das zeigt eindrücklich die Relevanz von Nachhaltigkeit. Si­cher­lich hat die Corona-Pandemie An­fang des Jahres 2020 alles überlagert, doch Nachhaltigkeit und auch nachhaltige Finanzierung sind dadurch nicht von der Agenda verdrängt worden. Ganz im Gegenteil sogar.

Eine 2021 von der LBBW angestoßene Studie „Nachhaltigkeit und Green Finance“ zeigt deutlich, dass nachhaltige Finanzierungen kein vorübergehender Hype sind. 61 % der befragten Unternehmensentscheider sagen, dass Corona den Stellenwert des Themas Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen nicht verändert hat. Weitere 8 % finden, dass sich die Relevanz von Nachhaltigkeit sogar erhöht hat. 88 % der Unternehmensentscheider gehen zudem davon aus, dass die Bedeutung von nachhaltigen Finanzierungen in den kommenden fünf Jahren weiter steigt. 68 % der Finanzentscheider beschäftigen sich bereits mit nachhaltigen Finanzierungen. Das sind 16 % mehr als in der vorangegangenen Befragung vor etwa einem Jahr. 80 % der Unternehmensentscheider sagen, dass ökologische Aspekte derzeit im Zentrum ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten stehen.

Konkret benannten die Befragten die Reduktion ihrer CO2-Emissionen und ihres Energieverbrauchs als ihre wichtigsten Aufgaben. Green Fi­nance ist allerdings nur ein Teil der ESG-Finanzinstrumente (ESG steht für Environment, Social, Governance). Neben der „grünen“ Dimension gehören dazu auch soziale Aspekte und eine nachhaltige Unternehmensführung. Zwei Punkte, die hierbei auch immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Verschiedene Varianten

Als Teilbereich der nachhaltigen Finanzinstrumente bietet Green Finance verschiedene Varianten, die auch schon seit längerem zum LBBW-Portfolio gehören. Zu den grünen Finanzinstrumenten zählen Green Bonds (Grüne Anleihen) und Grüne Schuldscheindarlehen (SSD). Bei Letzteren hat die Landesbank als langjähriger Marktführer im Schuldscheingeschäft mitgewirkt und mit dem Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) die neue Marke „Green Schuldscheindarlehen“ ins Leben gerufen. Damit wird gemeinsam mit dem Verband ein neuer Qualitätsstandard am Markt gesetzt.

Darüber hinaus gibt es Green Loans (Grüne Kredite), die häufig bei Projektfinanzierungen Anwendung finden oder klassische Förderkredite im Bereich der Nachhaltigkeit. Zum erweiterten Kreis der Sustainable-Finance-Instrumente gehören zudem noch die sogenannten Positive Incentive oder ESG-Linked Loans. Bei diesen werden klassische Finanzierungsformen mit der Nachhaltigkeitsentwicklung des Unternehmens verknüpft. Hier besteht in den kommenden Jahren ein sehr großes Wachstumspotenzial. Sicherlich wird auch der Markt für Green und Social Bonds den eingeschlagenen Wachstumskurs fortsetzen.

Breiter Mittelstand im Fokus

Allerdings ist die zweckgebundene Mittelverwendung nicht für jedes Unternehmen geeignet. ESG-verknüpfte Finanzierungen bieten größere Flexibilität und sprechen damit vor allem den breiten Mittelstand stärker an. Wir als LBBW arbeiten aktuell daran, ESG-verknüpfte Finanzierungsinstrumente auch stärker im bilateralen Bereich zu ver­ankern.

Eine neue Form der nachhaltigen Finanzierung ist das klimaneutrale Leasing, das als einfaches, aber wirkungsvolles Finanzinstrument auch kleineren Mittelständlern den Zugang zu Green-Finance-Produkten ermöglicht: Als erste herstellerunabhängige Leasing-Gesellschaft bietet unsere Tochter SüdLeasing ihren Kunden die Möglichkeit, das Leasing einer Anlage oder Maschine klimaneutral zu gestalten. Dafür werden die CO2-Emissionen, die beim Betrieb von Maschinen oder fest installierten Anlagen anfallen, gemessen und in Euro-Werte umgerechnet. Dieser Betrag wird auf die Leasingrate addiert und dann von uns in anerkannte Klimaschutz­projekte investiert. Dabei arbeiten wir mit ClimatePartner als TÜV-geprüftem Klimaschutzexperten zusammen.

Nachhaltige Standards setzen

Setzt sich die Entwicklung in dieser Geschwindigkeit fort, dann könnten ESG-Finanzinstrumente in drei bis fünf Jahren Standard sein. Treiber sind die große Nachfrage von Investoren nach nachhaltigen Finanzierungen und verschiedene regulatorische Anforderungen wie die EU-Taxonomie. Deshalb müssen die Finanzabteilungen in den Unternehmen wie auch die Banken jetzt die nötige Vorarbeit leisten und dem Thema eine hohe Priorität ein­räumen.

Diese Vorarbeit ist ganz entscheidend, denn – auch das ein Ergebnis der zu Beginn genannten Studie – die praktische Erfahrung mit nachhaltigen Finanzierungen wird von vielen Finanzentscheidern noch als gering eingestuft. Das zeigen die Zahlen: Nur 6 % der Finanzentscheider haben 2020 Grüne Schuldscheindarlehen oder Grüne Anleihen eingesetzt; bei Grünen Krediten waren es nur 5 %, und bei den anderen Finanzinstrumenten sind es noch weniger. Das hat auch strategische Ursachen, denn häufig müssen Nachhaltigkeitsstrategien erst noch entwickelt und die wesentlichen individuellen Treiber identifiziert werden. Um Unternehmen eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsberatung anzubieten, hat die LBBW daher 2020 ein eigenes Sustain­ability-Advisory-Team auf­gebaut. Das Team hilft unseren Kunden mit seinem Know-how beim Aufbau nachhaltiger Geschäftsmodelle und bei der Auswahl der passenden Finanzinstrumente.

Die wachsende Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit zeigt sich zudem an der Rolle von Ratingagenturen und deren Schwerpunkten. Neben Moody’s oder S&P etablieren sich Spezialisten für Nachhaltigkeit wie MSCI, Sustainalytics, ISS ESG oder Ecovadis. Nachhaltigkeit ist keine Zusatzoption mehr, sondern die nächste Entwicklungsstufe und eine Grundvoraussetzung, um künftig auf den Märkten zu bestehen. An Green Finance und nachhaltigen Finanzprodukten führt daher kein Weg vorbei.