Recht und Kapitalmarkt

Grenzüberschreitende Verschmelzung wird erleichtert

Änderung des Umwandlungsgesetzes auf Grundlage der europäischen Richtlinie geplant - Auch Spaltungen erfasst?

Grenzüberschreitende Verschmelzung wird erleichtert

Von Klaus J. Müller *) Europa rückt weiter zusammen. In den vergangenen letzten Jahren hat sich gerade im Gesellschaftsrecht viel getan. So hat etwa der Europäische Gerichtshof durch die Entscheidungen Centros, Überseering und Inspire Art der ungehinderten gemeinschaftsweiten Nutzung von Gesellschaftsformen in den Mitgliedstaaten der EU freie Bahn gebrochen. Nunmehr kann sich ein deutsches Unternehmen auch für ausschließlich in Deutschland betriebene Geschäfte der englischen Limited oder jeder anderen europäischen Gesellschaftsform bedienen. Auf dieser Linie der Öffnung und Annäherung der innergemeinschaftlichen Gesellschaftsrechte liegt auch die Zulassung der grenzüberschreitenden Verschmelzung, der Verschmelzung einer Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat auf eine Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat. Bisher abenteuerlichRechtlich war eine grenzüberschreitende Verschmelzung bislang ein Abenteuer. Das deutsche Umwandlungsgesetz regelt nämlich die Verschmelzung ausdrücklich nur für Gesellschaften mit Sitz in Deutschland. Diese Beschränkung auf deutsche Gesellschaften hat der Europäische Gerichtshof zwar inzwischen in der Sevic-Entscheidung vom 13. Dezember 2005 für europarechtswidrig erklärt. Doch damit ist nur gesagt, dass die grenzüberschreitende Verschmelzung nicht als solche versagt werden darf, aber nicht, wie sie im Einzelnen vonstatten gehen soll. In die Lücke stößt der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom 17. Februar 2006 eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (abrufbar unter www.bmj.de). Er beruht auf Brüsseler Vorgaben. Mit dem Entwurf soll nämlich die europäische Richtlinie 2005/56/EG über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Der deutsche Gesetzgeber will dazu einen neuen Abschnitt in das Umwandlungsgesetz einfügen. Danach soll die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften ins Werk gesetzt werden können. Auf den Plan kommt es an Die an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften stellen einen gemeinsamen Verschmelzungsplan auf. Der notariell zu beurkundende Verschmelzungsplan hat im Wesentlichen den Inhalt, den nach geltendem deutschen Umwandlungsrecht der Verschmelzungsvertrag aufweisen muss (Angaben über die beteiligten Gesellschaften, Umtauschverhältnis der Anteile, etwaige Sonderrechte etc.). Zusätzlich muss der Verschmelzungsplan die Satzung der übernehmenden Gesellschaft, Angaben zur Bewertung des zu übertragenden Aktiv- und Passivvermögens, die Bilanzstichtage der beteiligten Gesellschaften sowie gegebenenfalls Angaben zur Arbeitnehmermitbestimmung in der übernehmenden Gesellschaft enthalten. Bei Konzernverschmelzungen (in Form sogenannter Upstream-Merger, also wenn die übernehmende Gesellschaft alle Anteile an der übertragenden Gesellschaft hält) können die anteilsbezogenen Angaben entfallen. Der Verschmelzungsplan ist spätestens einen Monat vor dem Tag, an dem die Gesellschafter über die Verschmelzung beschließen, zum Handelsregister einzureichen. Diese Pflicht gab es im deutschen Umwandlungsrecht bisher nur für Aktiengesellschaften.Geschäftsführer oder Vorstand haben ferner einen schriftlichen Verschmelzungsbericht zu erstatten. Darin sind die Verschmelzung, der Verschmelzungsplan und insbesondere das Umtauschverhältnis der Anteile näher zu erläutern. Der Inhalt entspricht im Wesentlichen dem auch für rein nationale Verschmelzungen zu erstattenden Bericht. Zusätzlich muss der Bericht etwas dazu sagen, wie sich die grenzüberschreitende Verschmelzung auf Gläubiger und Arbeitnehmer auswirkt.Der Verschmelzungsbericht muss spätestens einen Monat vor den Gesellschafterversammlungen sowohl den Gesellschaftern als auch dem Betriebsrat (der bei rein nationalen Verschmelzungen sonst nur den Verschmelzungsvertrag sehen muss) zur Verfügung gestellt werden. Falls es keinen Betriebsrat gibt, muss der Bericht – das gab es bisher so nicht – den Arbeitnehmern selbst zugänglich gemacht werden. Ferner – auch das ist neu – ist der Verschmelzungsbericht unverzichtbar und muss immer aufgestellt werden, auch bei reinen Konzernverschmelzungen. Prüfung verzichtbarVerzichtbar bei Zustimmung aller Gesellschafter aller beteiligten Gesellschaften ist nach wie vor die ebenfalls grundsätzlich vorgesehene Verschmelzungsprüfung. Die Anteilsinhaber müssen schließlich durch notariell zu beurkundenden Gesellschafterbeschluss der Verschmelzung zustimmen. Neu ist eine Erleichterung bei der grenzüberschreitenden Konzernverschmelzung: Hält die übernehmende Gesellschaft alle Anteile an der übertragenden, ist ein Gesellschafterbeschluss der übertragenden Gesellschaft nicht erforderlich. Das ist sinnvoll.Die Verschmelzung ist sodann mit den auch sonst erforderlichen Anlagen und Erklärungen zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Zusätzlich muss der Vorstand oder Geschäftsführer einer übertragenden deutschen Gesellschaft eine – strafbewehrte – Erklärung zum Gläubigerschutz abgeben. Diese bezieht sich darauf, dass allen Gläubigern, die darauf einen Anspruch hatten, angemessene Sicherheit gewährt wurde. Denn ebenfalls neu ist, dass Gläubiger bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung ein Recht auf Sicherheitsleistung nicht erst nach Eintragung der Verschmelzung, sondern schon nach Bekanntmachung des Verschmelzungsplans geltend machen können. Das Register der übertragenden Gesellschaft stellt, wenn alles in Ordnung ist, eine Verschmelzungsbescheinigung aus. Diese Bescheinigung – im Regelfall die Eintragungsnachricht – ist dem Register der übernehmenden Gesellschaft zusammen mit den übrigen Verschmelzungsunterlagen vorzulegen. Mit der Eintragung wird die Verschmelzung wirksam.Die geplante Erweiterung des Umwandlungsgesetzes um diese Regelungen ist zu begrüßen. Sie stellt Verschmelzungen von Gesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten auf sicherere Füße. Mit Spannung erwartet werden derzeit noch flankierende steuer- und arbeitsrechtliche Gesetzesvorschläge. Nachdenken könnte der Gesetzgeber noch darüber, ob er nicht statt der notariellen Beurkundung die Schriftform für den Verschmelzungsplan genügen lassen will. Die umzusetzende Richtlinie spricht insoweit nämlich nur von einem schriftlichen Verschmelzungsplan. Die Kontrolle der Verschmelzung bleibt dadurch nicht auf der Strecke; die Verschmelzungsbeschlüsse sind notariell zu beurkunden, und die Register prüfen den Vorgang obendrein. Weiter könnte man – auch wenn die Richtlinie insoweit schweigt – die Gunst der Stunde nutzen und die grenzüberschreitende Verschmelzung auch auf Personenhandelsgesellschaften erstrecken. Durch die Hintertür Besonders hervorzuheben – und zugleich bisher weitgehend unbemerkt geblieben – ist an dem Entwurf, dass zusammen mit der grenzüberschreitenden Verschmelzung über die Hintertür die grenzüberschreitende Spaltung eingeführt wird. Das liegt an der technischen Umsetzung. Die geschieht nämlich dadurch, dass die grenzüberschreitende Verschmelzung in einem neuen zehnten Abschnitt im Zweiten Buch des Umwandlungsgesetzes stehen soll. Nach § 125 UmwG ist aber auf die Spaltung das Zweite Buch entsprechend anzuwenden, mit Ausnahme eigens aufgeführter Vorschriften, die nach dem Gesetzentwurf indes nicht erweitert werden sollen. Damit wäre, würde der vorliegende Entwurf so zum Gesetz, auch die grenzüberschreitende Spaltung zugelassen.Das steht zwar in keiner Richtlinie, läge aber vorausschauend und umsichtig auf der Linie der Sevic-Entscheidung des EuGH. Freilich wird es in der Gesetzesbegründung mit keinem Wort angesprochen. Das legt den fragenden Schuss nahe, ob der Gesetzgeber mit seinem Entwurf die grenzüberschreitende Spaltung tatsächlich einführen wollte oder ob es sich dabei um ein – im Ergebnis freilich zu begrüßendes – Versehen handelte.*) Dr. Klaus J. Müller ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und Partner der Anwaltssozietät Mayer, Brown, Rowe & Maw LLP.