Recht und Kapitalmarkt

Großaktionäre dürfen nicht frei schalten und walten

Einfluss bei Aktiengesellschaften im operativen Geschäft begrenzt - Problem der verdeckten Beherrschung

Großaktionäre dürfen nicht frei schalten und walten

Von Patrick Oliver Nordhues *) Zwischen dem Vorstand der Repower Systems AG und deren indischem Großaktionär Suzlon gab es vor kurzem erhebliche Spannungen. Hintergrund war das Ansinnen des Großaktionärs, Know-how der Repower nach Indien zu transferieren. Ferner sollte Repower Komponenten von Suzlon abnehmen, die von der deutschen Firma bislang auf dem freien Markt eingekauft werden. Beides stieß auf Widerstand im Vorstand der Gesellschaft. Auch zwischen dem Vorstand der Hugo Boss AG und deren Großaktionär Permira herrschte zeitweise ein angespanntes Verhältnis. Permira beanspruchte eine erhebliche Änderung der Dividendenpolitik der Hugo Boss AG, was ebenfalls auf Widerstand im Vorstand stieß. Starke Stellung des VorstandsIn beiden Fällen stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit und Grenze einer Einflussnahme von Aktionären, vor allem von Großaktionären, auf den Vorstand einer Aktiengesellschaft. Das Aktiengesetz sieht dazu vor, dass der Vorstand die Aktiengesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Im Gegensatz zur Rechtslage in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft daher Weisungen von Aktionären grundsätzlich nicht Folge zu leisten. Diese starke Stellung soll den Vorstand befähigen, das Unternehmen unter ausschließlicher Berücksichtigung des Unternehmensinteresses zu führen. Aktionäre, d. h. auch Großaktionäre, können somit den Vorstand grundsätzlich nicht zur Vornahme bestimmter Maßnahmen oder zum Abschluss bestimmter Geschäfte zwingen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es dem Vorstand verwehrt ist, solche Maßnahmen auszuführen oder mit einzelnen Aktionären Geschäfte zu tätigen. So kann der Vorstand in einer Konzernsituation, in der z. B. ein Großaktionär aufgrund seiner Stimmenmehrheit beherrschenden Einfluss auf die abhängige Aktiengesellschaft ausüben kann (sogenannter “faktischer Konzern”), nach entsprechender Veranlassung durch den herrschenden Aktionär sogar nachteilige Maßnahmen oder Geschäfte zugunsten des Großaktionärs vornehmen, wenn die korrespondierenden Nachteile bei der Gesellschaft durch den herrschenden Aktionär ausgeglichen werden. Der Vorstand muss zuvor jedoch prüfen, ob der herrschende Aktionär dazu bereit und fähig ist, den entstehenden Nachteil auszugleichen. Außerhalb von Konzernsituationen darf der Vorstand dagegen keine nachteiligen Geschäfte mit Aktionären abschließen. So begründet ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zugunsten eines Aktionärs regelmäßig eine verdeckte Einlagenrückgewähr zugunsten des Aktionärs. Ein Vorstand, der solche Geschäfte eingeht, verstößt gegen seine Sorgfaltspflichten und macht sich damit gegenüber der Gesellschaft schadenersatzpflichtig. Insofern hat der Vorstand stets genau zu prüfen, ob die von dem Aktionär zu erbringende Gegenleistung angemessen ist.Letztlich hat der Vorstand auch zu prüfen, ob Geschäfte mit einzelnen Aktionären nicht gegen das aktienrechtlich normierte Gebot der Gleichbehandlung verstoßen. So kann auch die Auswahl von Vertragspartnern aus dem Kreis der Aktionäre zu einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot führen. Allerdings kann aufgrund der bloßen Tatsache, dass dem Mehrheitsaktionär ein Vertrag “zugeschlagen” worden ist, noch keine fehlerhafte Behandlung von Mitbewerbern im Aktionärskreis vermutet werden. Beherrschung mit VertragWill ein Großaktionär sicherstellen, dass Weisungen hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand der Aktiengesellschaft befolgt werden, so kann er dies durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages. In einem solchen Beherrschungsvertrag unterstellt die Aktiengesellschaft die Leitung der Gesellschaft einem anderen (dem herrschenden) Unternehmen. Der Beherrschungsvertrag begründet für das herrschende Unternehmen das Recht, eine Zielkonzeption für den Konzern zu entwickeln und diese gegebenenfalls durch Weisungen an den Vorstand der beherrschten Aktiengesellschaft durchzusetzen. Der Vorstand ist verpflichtet, diesen Weisungen Folge zu leisten.Zulässig sind dabei auch Weisungen, die für die Aktiengesellschaft nachteilig sind, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder des Gesamtkonzerns dienen. So ist z. B. die Weisung zum Abschluss von Verträgen mit dem herrschenden Unternehmen zulässig, wenn dies der Absatzsteigerung bei dem herrschenden Unternehmen dient. Unzulässig sind dagegen Weisungen, die das abhängige Unternehmen in seiner Existenz bedrohen. Das Aktiengesetz stellt allerdings strenge Anforderungen an den Abschluss eines Beherrschungsvertrages. So muss unter anderem die Hauptversammlung der beherrschten Aktiengesellschaft dem Abschluss des Beherrschungsvertrages zustimmen. Der Zustimmungsbeschluss bedarf dabei einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Weitere Voraussetzung ist, dass den außenstehenden Aktionären, die nicht Vertragspartner des Beherrschungsvertrages sind, eine angemessene Abfindung angeboten wird. Die außenstehenden Aktionäre sollen die Wahl haben, ihre Investitionsentscheidung rückgängig zu machen. Dementsprechend muss die Abfindung dem in den Aktien repräsentierten Unternehmenswert der Aktiengesellschaft entsprechen. Aktionäre, die das Abfindungsangebot des herrschenden Unternehmens nicht annehmen, haben Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich (Garantiedividende), d. h. ein bestimmter jährlicher Gewinnanteil muss garantiert werden. Die Höhe des Gewinnanteils richtet sich nach dem durchschnittlichen Gewinnanteil, der nach der bisherigen Ertragslage der Aktiengesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten voraussichtlich auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte. Durch den Abschluss des Beherrschungsvertrages entstehen somit erhebliche Kosten, die der Großaktionär mit der angestrebten Möglichkeit zur Leitung der Aktiengesellschaft abwägen muss. Urteil gegen UnicreditWird versucht, außerhalb von Beherrschungsverträgen einen Einfluss auf eine Aktiengesellschaft sicherzustellen, kann dies zu einer sogenannten “verdeckten” Beherrschung führen. Insbesondere vertragliche Absprachen mit einer Aktiengesellschaft im Hinblick auf eine zukünftige Übernahme oder Verschmelzung (sogenannte Business Combination Agreements) bergen die Gefahr, als verdeckter Beherrschungsvertrag angesehen zu werden. Dies ist bereits dann der Fall, wenn die Gesamtschau des Vertrages ergibt, dass der herrschende Vertragspartner in die Lage versetzt wird, eine auf das Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen ausgerichtete Zielkonzeption zu entwickeln und gegenüber dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft durchzusetzen. Dabei kommt es auf die Bezeichnung des Vertrages als Beherrschungsvertrag oder die ausdrückliche Regelung eines Weisungsrechtes nicht an. Vor diesem Hintergrund hat kürzlich das Landgericht München I (Urteil vom 31. Januar 2008 – 5 HK O 19782/06) für den Fall der Übernahme der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG durch die italienische Unicredit festgestellt, dass das zwischen den Parteien abgeschlossene Business Combination Agreement einen verdeckten Beherrschungsvertrag darstellt. Rechtsfolge ist aufgrund der fehlenden Zustimmung der Hauptversammlung der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank die (zumindest teilweise) Unwirksamkeit des Business Combination Agreement. HV-Zustimmung nötigDie formalen Vorgaben des Aktiengesetzes schützen den Vorstand vor einer Einflussnahme eines Aktionärs auf die Leitung der Aktiengesellschaft. Der Vorstand kann daher grundsätzlich nicht gezwungen werden, Weisungen von Aktionären Folge zu leisten oder Geschäfte mit einzelnen Aktionären abzuschließen. Beabsichtigt der Vorstand dennoch, solchen Weisungen Folge zu leisten oder Geschäfte mit Aktionären zu tätigen, ist stets Vorsicht geboten und zu prüfen, ob die aktienrechtlichen Anforderungen erfüllt sind.Beabsichtigt ein Großaktionär, seinen Einfluss auf die Geschäftsführung in der Aktiengesellschaft sicherzustellen, muss er mit Zustimmung der Hauptversammlung einen Beherrschungsvertrag abschließen. Anderweitige vertragliche Absprachen im Hinblick auf die Durchsetzung einer Zielkonzeption gegenüber dem Vorstand der beherrschten Aktiengesellschaft bergen die Gefahr einer verdeckten Beherrschung und daraus folgenden Unwirksamkeit. *) Dr. Patrick Oliver Nordhues ist Rechtsanwalt bei McDermott Will & Emery LLP in Düsseldorf.