RECHT UND KAPITALMARKT

Größere Sicherheit für Umstrukturierungen

Der seit Jahren erwartete Verwaltungserlass zum Umwandlungssteuergesetz nimmt allmählich Form an

Größere Sicherheit für Umstrukturierungen

Von Petra Eckl *) Die steuerlichen Folgen von Fusionen, Spaltungen, Einbringungen und anderen Reorganisationsmaßnahmen sind seit der Neufassung des Umwandlungssteuergesetzes durch das sogenannte SEStEG 2006 kaum noch sicher abzuschätzen. Der existierende 110-seitige Erlass des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), der – bindend für sämtliche Finanzbehörden – unklare Gesetzesbestimmungen auslegt, stammt aus dem Jahr 1998 und bezieht sich auf die Vorgängerfassung des Umwandlungssteuergesetzes von 1995.Sehr viele Aussagen darin sind veraltet. Die mehrfach angekündigte Veröffentlichung des neuen Erlasses verzögerte sich immer wieder. Unterdessen schoben viele Unternehmen notwendige Reorganisationen wegen der steuerlichen Unklarheiten auf. Nunmehr ist jedoch ein Ende abzusehen: Es gibt einen verwaltungsinternen vollständigen Entwurf des Erlasses, den Vertreter der Bundes- und Länderfinanzministerien während der derzeit in Berlin stattfindenden Bund-Länder-Konferenz untereinander abstimmen wollen. Gelingt eine Einigung, dürfte der ungefähr 180 Seiten umfassende Entwurf demnächst den Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet werden und dann vielleicht noch im ersten Halbjahr 2011 im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden. “Teilbetrieb” im FokusDas Umwandlungssteuergesetz regelt die einkommen-, körperschaft- und gewerbesteuerlichen Folgen von Umstrukturierungen. Es nennt die Voraussetzungen, unter denen sich Unternehmen ertragsteuerneutral, also ohne die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen, reorganisieren können. Durch das SEStEG von 2006 hat der Gesetzgeber nicht nur europarechtliche Vorgaben umgesetzt und grenzüberschreitende Umstrukturierungen innerhalb der EU erleichtert. In vielen Bereichen, wie etwa bei den Einbringungstatbeständen, hat er die Systematik grundlegend geändert – in der Folge war die Praxis regelmäßig mit offenen Fragen konfrontiert.Im Zentrum der Diskussion steht häufig der Begriff des “Teilbetriebs”. Teilbetriebe können unter Umständen steuerneutral im Wege einer Umwandlungsmaßnahme übertragen werden. Eine gesetzliche Definition fehlt im nationalen Recht. Aus der Rechtsprechung hatte sich herausgebildet, dass ein Teilbetrieb ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener und damit für sich lebensfähiger Teil des Gesamtbetriebs ist.Vieles blieb offen, darunter die Frage, ob mit dem Teilbetrieb zusammenhängende Grundstücke auf das neue Unternehmen zivilrechtlich übertragen werden müssen (was häufig Grunderwerbsteuern auslöst) oder ob entsprechende Miet- oder Pachtverträge zwischen Gesamt- und Teilbetrieb ausreichen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte Letzteres im April 2010 abgelehnt. Offenbar schließt sich die Finanzverwaltung dieser Ansicht an: Erforderlich soll grundsätzlich die zivilrechtliche Übertragung von Grundstücken sein. Eine ideelle Teilung nach Bruchteilen soll lediglich in Ausnahmefällen erlaubt sein, wenn das Grundstück sowohl vom übertragenden als auch vom übernehmenden Unternehmen genutzt wird und eine Aufteilung unzumutbar ist.Bei der Frage, wann genau der Teilbetrieb vorliegen muss, bahnt sich eine Verschärfung an. Bislang musste der Teilbetrieb erst dann vorliegen, wenn der Einbringungsvertrag unterzeichnet beziehungsweise der Umwandlungsbeschluss gefasst wird. Seit einiger Zeit mehren sich Anzeichen dafür, dass der Teilbetrieb künftig bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag vorliegen muss. Das sieht wohl auch der Diskussionsentwurf der Finanzverwaltung so vor. Der steuerliche Übertragungsstichtag kann aber wegen der vielfach zulässigen Rückwirkung der Maßnahmen bis zu acht Monate vor dem Abschluss des Einbringungsvertrags oder der Fassung des Umwandlungsbeschlusses liegen. Stellte man auf diesen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt ab, würden Reorganisationen in der Praxis oft unmöglich. Die Unternehmen verlören wertvolle Zeit, die sie bisher nutzen konnten, um zum Beispiel eine separate Buchhaltung einzurichten oder die Produktionsbereiche räumlich zu trennen.Zudem soll das Institut des “Teilbetriebs im Aufbau” nicht mehr akzeptiert werden: Stellte die Finanzverwaltung bisher auf den späteren Zeitpunkt (Einbringungsvertrag/Umwandlungsbeschluss) ab, so ließ sie es darüber hinaus ausreichen, dass der Teilbetrieb zu diesem Zeitpunkt erst weitgehend fertiggestellt war. Waren die wesentlichen Betriebsgrundlagen vorhanden und war bei zielgerichteter Weiterverfolgung des Aufbauplans ein selbständig lebensfähiger Organismus zu erwarten, stand dies einem erfolgsneutralen Umwandlungsvorgang nicht entgegen.Bei der Frage, wie sich sogenanntes neutrales Vermögen bei einer Abspaltung auswirkt, hält die Verwaltung wohl an ihrer bisherigen Ansicht fest. Neutrales Vermögen, das nicht eindeutig dem einen oder anderen Teilbetrieb zugeordnet werden kann – zum Beispiel Grundstücke, die nicht zum notwendigen Betriebsvermögen gehören – , soll auch in Zukunft der steuerneutralen Abspaltung einer Unternehmenssparte entgegenstehen. Auch positivWährend in den genannten Punkten gegenwärtig eher Verschärfungen drohen, werden andererseits eine Reihe von Regelungen diskutiert, die sich positiv für Unternehmen auswirken. Allen voran sind die geplanten Ausführungen zur rückwirkenden Begründung von Organschaften zu nennen. Gliederte ein Unternehmen bislang einen Teilbetrieb rückwirkend auf eine zu diesem Zweck neu gegründete Tochtergesellschaft aus, war zweifelhaft, ob die Tochtergesellschaft auch zeitlich zurückbezogen, das heißt von Anfang des Wirtschaftsjahres an, in eine Organschaft mit dem ausgliedernden Unternehmen einbezogen werden konnte. Das ist in der Praxis wichtig, um die optimale Nutzung von Verlusten und einen optimalen Transfer von Gewinnen sicherzustellen. In der Finanzverwaltung gibt es Bestrebungen, sich der Rechtsprechung des BFH anzuschließen, der 2010 die rückwirkende Einbindung in den Organkreis in zwei Entscheidungen zum alten Umwandlungssteuergesetz zugelassen hatte.Ein Streitpunkt war bisher auch, welche Maßnahmen während der sogenannten Haltefrist zulässig sind. Bringt ein Einzelunternehmer etwa einen Betrieb in eine Kapitalgesellschaft ein, ohne die stillen Reserven aufzudecken, dann sind die Anteile, die er im Gegenzug erhält, sieben Jahre lang steuerverhaftet. Eine Veräußerung der Anteile würde zu einer rückwirkenden Besteuerung des Veräußerungsgewinns führen. Die gegenwärtige Fassung des Entwurfs stellt wohl klar, dass eine Verschmelzung der Kapitalgesellschaft (oder ein Formwechsel) zum Buchwert in diesem Zeitraum nicht schaden.Es ist zu hoffen, dass der Entwurf des Umwandlungssteuererlasses nun die nächste Hürde nimmt und einige der nachteiligen Ansätze vielleicht noch aufgegeben werden. Die Rechtsunsicherheit führte in den vergangenen Jahren oft dazu, dass betrieblich notwendige Reorganisationsvorhaben auf Eis gelegt wurden oder ganz unterblieben.Die Situation wurde noch dadurch verschärft, dass die Finanzverwaltung seit 2006 unter Hinweis auf den kommenden Erlass in vielen Fällen keine verbindlichen Auskünfte mehr erteilte. Bei großen Umstrukturierungsvorhaben gibt es dazu aber oft keine Alternative. Es wäre unverantwortlich, das Risiko negativer Steuerfolgen in späteren Jahren einzugehen. WettbewerbsdruckUnd noch ein weiterer Aspekt lässt es notwendig erscheinen, die mittlerweile fast fünfjährige Phase der Planungsunsicherheit zu beenden: Der Wettbewerbsdruck auf das deutsche Steuersystem steigt. Seit Langem laufen auf EU-Ebene Gespräche, die darauf abzielen, die Bemessungsgrundlagen für die Körperschaftsteuer in den EU-Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. Dem Faktor der Planungs- und Rechtssicherheit wird daher künftig eine eher noch größere Rolle zukommen, wenn es darum geht, Investoren in Deutschland zu halten oder neue anzuziehen.—-*) Dr. Petra Eckl ist Rechtsanwältin, Steuerberaterin und Partnerin im Frankfurter Büro von Mayer Brown.