"Grünes" Bauen kommt in Asien in Schwung
Von Markus Gärtner, Vancouver Der 303 Meter aufragende Pearl River Tower im südchinesischen Guangzhou sieht aus, als habe man drei Flugzeug-Tragflächen waagerecht aufeinander gesetzt. Das Design des Turms, der mit Solarzellen, Windturbinen und einem Auffangsystem für Regenwasser versehen ist, macht den Pearl Tower zu einem Windbeschleuniger, der einen Teil der benötigten Elektrizität selbst erzeugt. Anfang 2009 wird die China National Tobacco Corp. in das futuristische Gebäude einziehen. Zwischen Singapur, Shanghai und Seoul wurden und werden in der jüngsten Zeit Dutzende solcher “grünen” Gebäude – ja ganze Ökostädte – aus dem Boden gestampft. Kleine und große ProjekteZu diesen “grünen” Gebäuden gehören das “Low-Energy Office Building (LEO)” im Regierungsviertel Putrajaya bei Kuala Lumpur, das 50 % weniger Energie verbraucht, sowie der lichtdurchflutete und spezialverglaste Wohnkomplex “Tresor” im Bukit-Timah-Viertel von Singapur und auch der Bürokomplex “Cityplaza” des Mischkonzerns Swire in Hongkong, der nach Umbauten jährlich für 130 000 Dollar Strom einspart. Dazu zählen auch Großprojekte wie die Ökostadt “Dongtan” bei Shanghai und die “Camko City”, ein 2 Mrd. Dollar teures Großprojekt mit Villen, Wolkenkratzern, Krankenhäusern, Malls und einer Universität. Die Camko City entsteht nördlich der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh. Sie soll bis 2018 fertig werden. Derzeit setzen jedoch vor allem koreanische Entwickler in dem Mega-Projekt einen Teil ihrer Arbeit nicht fort, weil die Kreditkrise ihnen finanziell die Luft abschnürt.Die Welle grüner Bauten und Demonstrationsprojekte täuscht darüber hinweg, dass umweltfreundliche Planung sowie der energiesparende Bau und Betrieb von Gebäuden in Asien noch keineswegs zu einer breiten Bewegung geworden sind. “In den meisten asiatischen Ländern steckt das Konzept des grünen Bauens noch in den Kinderschuhen.” So steht es in einer jüngst herausgegebenen Studie des Asia Business Council. Kontinent steht am AnfangDass der Boomkontinent in Sachen grünes Bauen noch am Anfang steht, hat vor allem einen Grund: Lokale Entwickler in Fernost wollen sich ausländische Konkurrenz möglichst lange vom Leib halten. Ihre Waffe zur Marktabschottung: Schnelle und billige Projektabwicklung. “Die Konstruktionskosten in weiten Teilen Asiens sind so viel niedriger, dass der Einkauf westlicher Technologie – zum Beispiel für energiesparende Maßnahmen – oft das ganze Budget vermasselt”, sagt der Mitbegründer des New Yorker Architektenbüros SHoP Architects, Gregg Pasquarelli. “Die Entwickler profitieren nicht von den Vorzügen grünen Bauens”, erläutert auch Tan Tian Chong, Technologiedirektor bei der Building and Construction Authority in Singapur. Dennoch sind viele Brancheninsider zuversichtlich, dass sich grünes Bauen in Asien schnell durchsetzen wird. “Obwohl das gerade erst in Asien begonnen hat, werden wir eine schnelle Transformation sehen”, prognostiziert Simon Carter, Regionalchef für Nachhaltigkeit in Asien Pazifik bei Colliers International. Carter muss es wissen, er ist der Autor des ersten grünen Immobilienführers für Asien, “r.e. design”, der im Sommer herauskam. “Grüne Gebäude werden hier der Standard werden, und wir müssen sie schnell verstehen lernen”, sagt Carter.”Im Augenblick wird grünes Bauen von der Politik in Asien leise ermuntert, aber es fehlt oft an stärkeren Anreizen und klaren Regulierungen”, erklärt Patima Jeerapaet, Geschäftsführer bei Colliers in Thailand. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit gibt es oft auch Widersprüche, wie das Beispiel China zeigt. Während in Dongtan bei Shanghai bis 2040 für 500 000 Menschen die “erste nachhaltige Stadt der Welt” gebaut wird – 80 % weniger Müll, nur Elektroautos sowie Komplettkompostierung organischer Abfälle – limitieren die Stadtväter von Shanghai derzeit die Zahl der Fahrräder, um den Verkehrsfluss zu verbessern. Initiativen begonnenEinige Länder Asiens haben jedoch in den vergangenen Jahren Initiativen für grünes Bauen gestartet: Japan führte 2004 das Comprehensive Assessment System for Building Environment Efficiency (CASBEE) ein, das die Umweltfreundlichkeit neuer Gebäude misst; Singapur startete das “Green Mark Scheme”, das finanzielle Anreize für grünes Bauen bietet; Hongkong führte mit der “Building Environmental Assessment Method (BEAM)” eine freiwillige Zertifizierung ein, die signifikante Energieeinsparungen verspricht. Doch laut der Studie des Asia Business Council nehmen daran erst 2 % der Bevölkerung in der früheren Kolonie teil. Die meisten Programme in Asien sind aber freiwillig.Welche Dynamik grünes Bauen dennoch in jüngster Zeit entwickelt, zeigt sich am Beispiel Indien. Auf dem Subkontinent wurde 2002 ein einziges Gebäude für eine grüne Zertifizierung registriert, im laufenden Jahr sind es 218. Die grüne Gebäudefläche stieg in dieser Zeit laut dem Indian Green Business Council (IGBC) von 2 000 qm auf 7 Mill. qm an. Die Organisation will bis Ende dieses Jahrzehnts 1 000 Gebäude mit einem grünen Zertifikat registrieren. “Die indischen Hersteller von Ausrüstungen und Baustoffen müssen sich dringend mit grünen Materialien befassen, um mit dem Markt Schritt zu halten”, schreibt der Council in seinem jüngsten Bericht. Das Marktpotenzial für grüne Bauten soll sich in Indien demnach bis 2012 auf 4 Mrd. Dollar verzwanzigfachen. Großes PotenzialWie groß das Potenzial in Asien für dieses Immobiliensegment ist, hat der Asia Business Council in seiner Studie detailliert aufgelistet. Mehr als die Hälfte des globalen Bauvolumens wird derzeit in Asien abgewickelt. In Indien hat sich die Bautätigkeit seit 2003 mehr als verdoppelt. Und während die großen Volkswirtschaften wie Japan, China und Indien den Großteil ihres Energieverbrauchs durch Importe decken müssen, hat sich seit 1971 der Energiekonsum im Bausektor in Fernost um 260 % erhöht. Nur durch leichte Umbauten könnten Indien und China laut Weltbank den Energieverbrauch ihres Immobilienbestands um ein Viertel senken.