RECHT UND KAPITALMARKT

Gute Noten von Praktikern für Insolvenzrechtsreform

Neuer Spielraum für Restrukturierung, bevor Substanz aufgezehrt ist

Gute Noten von Praktikern für Insolvenzrechtsreform

swa Frankfurt – Das neue Insolvenzrecht scheint sich in der Praxis zu bewähren. Lange Jahre habe man hierzulande mit der Situation gelebt, dass Insolvenzen unbedingt vermieden werden müssen, ja gar “das Grauen” sind, umschreibt Frank Grell, Partner bei Latham & Watkins und Experte für Restrukturierungen, in einem Pressegespräch die Lage vor der Reform. Entscheidendes Manko sei die mangelnde Vorhersehbarkeit gewesen, vor allem weil nicht klar war, wer die Insolvenzverwaltung übernehmen würde.Damit habe es immer das Restrisiko gegeben, “dass ein Zahnarzt eine Herzoperation ausführt”, umschreibt Grell die Szenerie. Mit dem Gang zum Insolvenzgericht sei die Mitbestimmung der Beteiligten auf null gesetzt gewesen, ergänzt Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz von Schneider, Geiwitz & Partner – die Kanzlei ist u.a. Insolvenzverwalter bei Schlecker und Manroland. KulturwandelAus Sicht von Geiwitz hat das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) einen Kulturwandel in Deutschland eingeleitet. Nach neuem Recht wird die Eigenverwaltung gefördert, die Position der Gläubiger gestärkt und mit dem Schutzschirmverfahren wird ein starker Anreiz zu einer frühzeitigen Beantragung des Insolvenzverfahrens geboten. Im Schutzschirmverfahren hat ein Unternehmen die Möglichkeit, bevor es zahlungsunfähig ist, ein Insolvenzverfahren einzuleiten – und dabei selbst den Verwalter vorzuschlagen. Diese Stärkung des Schuldners hat allerdings auch die Kritik befördert, hier werde der Bock zum Gärtner gemacht.Doch Praktiker verweisen darauf, dass die frühzeitige Einleitung der Sanierung enorme Chancen für das Weiterbestehen des Unternehmens bietet, bevor die Substanz endgültig aufgebraucht ist. Und die Gläubiger könnten immer noch vom Schutzschirmverfahren in die reine Eigenverwaltung wechseln. “Die Gläubiger werden nicht dauerhaft in die zweite Reihe gestellt”, betont Geiwitz. “In allen größeren Verfahren wäre es besser gewesen, den Insolvenzantrag früher zu stellen”, meint der Insolvenzexperte. Doch nach altem Recht wären die Firmenlenker entmachtet worden, was sie vor rechtzeitigem Handeln oft zurückschrecken ließ. Im internationalen Vergleich ermögliche das ESUG alles, was auch das US-Gläubigerschutzverfahren nach Chapter 11 verlange, erklärt Grell.Ralf Moldenhauer, Partner von Boston Consulting, betrachtet die Insolvenz nun als “valide Option der Restrukturierung”. Die Beteiligten, speziell die Gläubigerseite einschließlich der Warenkreditversicherer, müssten jedoch noch mehr Praxis mit dem neuen Verfahren bekommen, hier laufe noch ein Lernprozess. In den Banken landeten die auf Fortführung des Unternehmens angelegten Insolvenzfälle immer noch direkt in der Abwicklungsabteilung, moniert der Restrukturierungsexperte. Aus Sicht der Praktiker muss dem Insolvenzverfahren das Stigma der ausweglosen Pleite genommen werden. Für Moldenhauer ist diese Stigmatisierung im Moment noch die größte Hürde für notleidende Unternehmen, das Schutzschirmverfahren einzuleiten.Viele der aktuelleren Pleiten hätten sich ins ESUG hineingerettet, es gebe deshalb noch keine echten Referenzfälle. Beispiel für ein großes Schutzschirmverfahren ist die Schuhhauskette Leiser. Geiwitz geht davon aus, dass es einen tiefgreifenden Wandel in der Unternehmensrestrukturierung geben wird. Der Insolvenzverwalter müsse künftig in der Lage sein, sich mit einem vorher entwickelten Sanierungsplan auseinanderzusetzen.Christian Fritsch, Managing Director von Anchorage, die auf Investments in angeschlagene Unternehmen und notleidende Kredite fokussiert ist, begrüßt auch die Möglichkeit, nun im Insolvenzfall mit den anderen Gläubigern den Verwalter aussuchen zu können. Der Fondsvertreter sieht auch noch viel Aufklärungsarbeit, bis das Stigma wegfällt und das Schutzschirmverfahren den Charakter eines Chapter 11 erreicht.——Eigenverwaltung laut Insolvenzordnung- Reine Eigenverwaltung:- Bestellung vorläufiger Sachwalter- Schuldner bleibt verfügungsberechtigt- Verwalterbestellung durch einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses maßgeblich beeinflussbar- Alle Arten der Verfahrensart: Insolvenzplan, übertragende Sanierung, Liquidation möglich- Schutzschirmverfahren:- Bestellung vorläufiger Sachwalter- Schuldner bleibt verfügungsberechtigt- Verwaltervorschlag durch den Schuldner selbst, wenn Sanierungsfähigkeit bescheinigt wird und die vorgeschlagene Person nicht offensichtlich ungeeignet ist- Insolvenzplan zwingendQuelle: Schneider, Geiwitz & Partner——