Recht und Kapitalmarkt

Hand am Puls der Investoren ist die beste Abwehrstrategie

Abwehr feindlicher Übernahmen: Frühzeitige strategische Aktionärsstrukturierung erforderlich - Pflege des Streubesitzes nötig

Hand am Puls der Investoren ist die beste Abwehrstrategie

Von Tobias Bürgers *)Die Gefahr feindlicher Übernahmen wächst wieder. Nicht nur in Deutschland, auch in Japan. Im Vergleich zu notierten Gesellschaften in Fernost sind hiesige Unternehmen jedoch zurückhaltend damit, sich das Rüstzeug für die Abwehr eines Übernahmeversuchs zu beschaffen. Das könnte sich als Versäumnis herausstellen. Wer hierzulande die potenziellen Angreifer sind, ist bekannt: Hedgefonds, Private Equity, strategische Investoren und – was immer wieder diskutiert, in Deutschland aber selten praktiziert wird – Koalitionen aus Fonds und strategischen Investoren. Der Hintergrund: Die Fonds verfügen über immense Summen, die sie investieren müssen, um Rendite für ihre Anleger zu erwirtschaften. Bei einigen strategischen Investoren sind die Kriegskassen gefüllt, und der Drang zu kaufen ist groß. Auf der anderen Seite sind einige deutsche Unternehmen trotz Börsenaufschwungs immer noch günstig bewertet, verfügen über hohe Cash-Positionen oder bergen Ertragspotenzial, das durch eine Umstrukturierung gehoben werden könnte. Das lockt. Instrumente verfeinertDie Instrumente zur Abwehr von Übernahmen sind nicht neu. Seit Inkrafttreten des Wertpapier- und Übernahmegesetzes (WpÜG) 2002 hat sich an der Gesetzeslage nichts Entscheidendes geändert. Erst die Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie wird manches modifizieren. In der Praxis wurde der Gebrauch einiger Instrumente verfeinert. Das beginnt mit der Vorbeugung. Gute Investor Relations bauen auf das Zwiegespräch mit institutionellen Anlegern. Dabei darf der Vorstand Informationen erläutern, die dem Markt bekannt sind. Das schafft Vertrauen. Die Grenze zur Insiderinformation oder zur Sonderinformation und damit zum Vorzug einzelner Aktionäre darf der Vorstand dabei jedoch nicht überschreiten. Sonst drohen ein Strafverfahren und Haftung für Nachteile der anderen Aktionäre. Der Return auf dieses Investment ist eine Art Frühwarnsystem. Der Vorstand hat die Hand am Puls der Investoren. Umplatzierungen unterhalb der Meldeschwelle werden ihm so schneller bekannt. Die Pflege der Aktionäre kann für eine stärkere Präsenz auf Hauptversammlungen sorgen. Hedgefonds haben es dann nicht so leicht, mit Anteilen von 5 bis 10 % Entscheidungen zu bestimmen. Hedgefonds im AugeWenn eine Gesellschaft mehrere Hedgefonds unter ihren Anteilseignern hat, empfiehlt es sich, diese Gruppe im Auge zu behalten. Verfolgen sie gemeinsame Ziele und erreichen sie bei ihrem abgestimmten Vorgehen zusammen mehr als 30 % der Stimmrechte, dann liegt “Acting in Concert” vor. Der Vorstand kann in einem solchen Fall die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einschalten. Sie hat Ermittlungsbefugnisse ähnlich der Staatsanwaltschaft und kann Beweise beschaffen. Nach der erstinstanzlichen Rechtsprechung soll bereits eine Stimmbündelung bei der Wahl eines Aufsichtsrats ausreichen. Die Folge: Die Fonds müssen ein Pflichtangebot abgeben. Bis dahin ruhen Stimm- und Dividendenrecht. Über die Pflege und Beobachtung einzelner Großaktionäre hinaus kann die aktive Gestaltung der Aktionärsstruktur Sicherheit bieten. Dafür eignet sich der Rückkauf eigener Aktien. Im ersten Schritt verringert sich so der Free Float und wird der Kurs gestärkt. Für einen Aktienrückkauf bedarf es einer Ermächtigung durch die HV. Höchstens auf 18 Monate darf sie erteilt werden. Danach verfällt das Recht des Vorstands zum Rückkauf. Übt er es aus, darf die Gesellschaft die Aktien maximal ein Jahr lang halten. Danach sind sie einzuziehen, als Akquisitionswährung zu verwenden oder zu platzieren. Bei einer erneuten Platzierung folgt Schritt zwei der strategischen Aktionärsstrukturierung. Die Gesellschaft kann die Aktien z. B. an Mitarbeiter ausgeben. Die sind meist abgeneigt, mit einem Übernehmer zu paktieren – zumal wenn der Abbau von Arbeitsplätzen droht. Oder die Gesellschaft vergibt die Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts für andere Aktionäre an einen Wunsch-Eigentümer gegen Sacheinlage.Eine altbekannte Abwehr ist das genehmigte Kapital. Bis zu 50 % des Grundkapitals kann ein Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats bei einer drohenden Übernahme zusätzlich und mit Ausschluss des Bezugsrechts ausgeben, falls die HV die beiden Organe zuvor dazu ermächtigt hat. Das gilt allerdings in diesem Umfang nur für eine Sachkapitalerhöhung. Im Klartext: Der Vorstand kann ein Unternehmen hinzukaufen und mit den neuen Aktien bezahlen. Gibt der Vorstand Aktien an einen Anteilseigner aus gegen Cash zu einem Preis nahe Börsenkurs, beträgt die Obergrenze 10 % des Grundkapitals. Der Effekt: Das Unternehmen wird teurer. Vorsicht: HaftungsrisikoIm Übernahmefall allerdings sollte ein Vorstand erst genau in die Ermächtigung schauen, bevor er das genehmigte Kapital ausübt. Steht nicht ausdrücklich drin, dass die Ermächtigung auch für eine Übernahme gilt, besteht ein Haftungsrisiko. Der Vorstand muss dann sehr genau darauf achten, dass er stets im Unternehmensinteresse handelt. Sonst droht Schadenersatzpflicht. Außerdem lassen sich Stolperschwellen für potenzielle Erwerber in ein Unternehmen einziehen. Sogenannte Change-of-Control-Klauseln in wichtigen Verträgen mit Kooperations- oder Vertriebspartnern erlauben es diesen Partnern, die Verträge zu kündigen, wenn das Unternehmen einen neuen Eigentümer mit bestimmendem Einfluss hat. Dann hängt der wirtschaftliche Erfolg einer Übernahme von der Zustimmung dieser Partner ab.Ein eher sperriges Instrument ist die Ermächtigung des Vorstands zur Abwehr nach § 33 Abs. 2 WpÜG. Damit kann die Hauptversammlung die Neutralitätspflicht des Vorstands, die bei einer Übernahme kraft Gesetzes (§ 33 Abs. 1 WpÜG) eintritt, vorbeugend aufheben. Gleichzeitig kann sie ihn zu konkreten Abwehrmaßnahmen ermächtigen. Die Hürden sind hoch: Drei Viertel des Grundkapitals müssen der Ermächtigung zustimmen. Ausüben darf sie der Vorstand auch dann nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats. Der Nutzen ist zweifelhaft. Denn sowohl die Gründe für die Übernahmegefahr als auch die Abwehr müssen nach einem zu weit gehenden Urteil des Landgerichts München I (23. Dez. 2004, Az.: 5HK O 15081/04) in dem Beschluss konkret beschrieben sein. Welche Gesellschaft möchte aber schon in einen prophylaktischen HV-Beschluss schreiben, warum sie Ziel werden könnte? Außerdem lassen sich die passenden Paraden auf einen Übernahmeversuch nur schwer vorhersehen. Hat die Übernahme begonnen, muss sich der Vorstand neutral verhalten. Er darf nur tun, was eine ordnungsgemäße Geschäftsführung auch ohne Übernahmeangebot von ihm verlangt hätte. Die Abwehr der Übernahme gehört nicht dazu. Aufsichtsrat und HV können ihm jedoch einzelne Schritte genehmigen oder seine Neutralitätspflicht aufheben. Der Weiße RitterSehr effektiv und spätestens seit Sanofi und Aventis gut bekannt ist der Weiße Ritter. Der Vorstand sucht einen anderen Bieter. Eine Abwehr ist das zwar nicht. Eher die Flucht in die Arme eines anderen Unternehmens – von dem der Vorstand glaubt, mit ihm könne er seine strategischen Ziele besser verwirklichen. Eine taktisch interessante, aber finanziell anspruchsvolle Variante ist die Gegenübernahme. Dieses Instrument ist in Deutschland wenig erprobt, birgt aber für die Zukunft neue Gestaltungsmöglichkeiten. Denn das Zielunternehmen kann gemeinsame Sache mit Fonds machen, die ein Interesse an dem Bieter haben. Der Bieter kann sich bei einem solchen “Joint Bid” unvermittelt in der Rolle des Ziels wiederfinden.Ganz gleich, welcher Schachzüge man sich bedient: Die Öffentlichkeitsarbeit ist nicht zu vernachlässigen. Die Kleinaktionäre und die Öffentlichkeit müssen wissen, wie das Zielunternehmen zu der drohenden Übernahme steht. Insbesondere bei einem breiten Free Float kann der Erfolg von Kleinaktionären abhängen.Einen fast undurchdringlichen Schutz bietet die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Selbst wenn ein Anteilseigner die Mehrheit hat, sichert ihm das keinen Einfluss auf die Geschäftsführung. Dass der Kapitalmarkt die KGaA akzeptiert hat, zeigen Henkel und Merck. *) Dr. Tobias Bürgers ist Partner im Münchner Büro der internationalen Sozietät Nörr Stiefenhofer Lutz.