ANLAGEPRODUKTE

Handelsqualität leidet unter Volatilität

Hohes Quote-Volumen stellt Dienstleister vor Probleme - Ausführungsgeschwindigkeit verlangsamt

Handelsqualität leidet unter Volatilität

Die Turbulenzen in den vergangenen Wochen waren auch eine Belastungsprobe für den Markt für Zertifikate und Hebelprodukte. Das hohe Quote-Volumen der mehr als 800 000 Produkte hat die IT-Systeme von Vendoren mehr als ausgelastet. Mit Ausnahme einer leichten Verschlechterung der Ausführungsgeschwindigkeit der Orders blieben die Emittenten auch in volatilen Marktphasen handelbar.Von Armin Schmitz, FrankfurtDie Finanzmärkte sind im August wegen der Furcht vor der Staatsschuldenkrise kräftig durchgeschüttelt worden. Gemessen am Dax verloren die Aktien mehr als 20 %. Seitdem pendeln die Kurse in großen Schwüngen in einer begrenzten Handelszone hin und her. Der VDax, der als Angstbarometer der Anleger gilt, erreichte mit einem Wert von mehr als 44 % das höchste Niveau seit dem Frühjahr 2009. In dieser Zeit wurde der Derivatehandel auf Scoach, dem Handelssegment für Zertifikate und Hebelprodukte, einem regelrechten Stresstest unterzogen.Da an der Börse in Frankfurt mittlerweile mehr als 800 000 Produkte gelistet sind, musste Scoach während der Spitzenzeiten an hochvolatilen Tagen eine Zahl von 1,4 Milliarden Quotes an Banken und Finanzportale verschicken. Die Turbulenzen an den Märkten zeigten sich auch bei den Umsätzen. Das Handelsvolumen sprang allein auf Scoach im August um 57,3 % auf knapp 2,24 Mrd. Euro, die Zahl der ausgeführten Kundenorders nahm kräftig um 53,3 % auf 307 234 zu. An den Börsen in Frankfurt und Stuttgart zusammen stieg das Handelsvolumen gar um 69 % auf 7,69 Mrd. Euro. Halten sich Käufe und Verkäufe in normalen Monaten in etwa die Waage, zeigte das Buy- back-Verhältnis von 0,62 Prozentpunkten, dass die Verkäufe der Anleger im August dominierten.Während der turbulenten Marktphasen stieß die IT-Infrastruktur bei einigen Marktteilnehmern wegen der großen Produktzahl an ihre Grenzen. Während Börse und Emittenten einen großen Aufwand bei der Verbesserung ihrer IT-Infrastruktur betrieben haben, litten vor allem die Intermediäre unter Problemen. Nach Angaben von Scoach steigt das Quotierungsverhalten der Emittenten generell linear mit der Anzahl der Instrumente und quadratisch zum VDax. “Bei 800 000 Produkten führt dies unweigerlich zur Auslastung der Kurssysteme von Banken und Webportalen”, sagt Christian Reuss, CEO von Scoach. Intelligente DrosselungScoach hat darauf reagiert und in Zusammenarbeit mit sogenannten Datenvendoren, also Unternehmen, die Kursdaten und Finanzinformationen verkaufen, technische Lösungen entwickelt. Zusätzlich hat der Plattformbetreiber eine intelligente Drosselung eingeführt, um die ordnungsgemäße Kursversorgung sicherzustellen. “Sobald erkannt wird, dass Leitungen zu Datenvendoren zu sehr ausgelastet sind, kann die Anzahl weitergeleiteter Quotes intelligent reduziert werden. Zur Orderausführung werden allerdings alle Quotes herangezogen, es kommt somit zu keiner Beeinträchtigung bei der Ausführung von Kundenaufträgen”, sagt Reuss.Obwohl die Branche das riesige Produktangebot als einen notwendigen Service für den Kunden verteidigt, zeigen der geschätzte Anteil von 20 % der Zertifikate, die von Anlegern gehandelt wurden, die komplette Auslastung der IT-Infrastruktur der Vendoren und die Drosselung der Kursweiterleitung, dass ein weiteres Wachstum des Produktangebots für den Markt keinen weiteren Nutzen bringt.Die hochvolatile Marktphase im August hat auch zu einer Verschlechterung der Ausführungsqualität geführt. So lag die Ausführungsgeschwindigkeit auf Scoach im Median bei 0,87 Sekunden. Mit anderen Worten: Innerhalb von 0,87 Sekunden wurden 50 % der Orders ausgeführt; 89,5 % der Kundenorders in weniger als 10 Sekunden. Beide Werte haben sich im Vergleich zu den Vormonaten deutlich verschlechtert. Noch im Juli lag der Wert bei 0,69 Sekunden, im Juni sogar bei 0,66 Sekunden. In 10 Sekunden wurden in diesen Monaten fast 93 bzw. 91 % der Orders abgearbeitet. Diese Ausführungsgeschwindigkeit verzeichnete Scoach im ersten Quartal 2009, also während der Marktturbulenzen nach der Insolvenz von Lehman Brothers. Liquidität geht zurückDie geringere Ausführungsgeschwindigkeit ist mit dem schwierigen Marktumfeld zu erklären. “Illiquide Märkte, wie wir sie derzeit beobachten können, machen das Hedgen für die Emittenten schwieriger. Das muss man beim Pricing und auch bei der Ausführungsgeschwindigkeit berücksichtigen”, sagt Christian Grabbe, Derivateexperte der Baader Bank. So ist die Liquidität bei den Terminkontrakten auf den Dax oder den Euro Stoxx 50 in den vergangenen Wochen deutlich zurückgegangen, was schon bei kleineren Aufträgen zu Kurssprüngen in beide Richtungen führen kann. Trotzdem stellten die Emittenten auch in den volatilen Marktphasen Preise und ermöglichten einen Handel. “Insgesamt waren wir aber von der Handelbarkeit der Produkte in dem zweifelsfrei sehr schwierigen Marktumfeld positiv überrascht”, sagt Grabbe.