Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Christoph Seibt

Hohe Transaktionssicherheit dank Rechtskonstruktion aus den USA

Reverse Triangular Merger vermeidet Spruchverfahren bei Übernahmen via Aktientausch

Hohe Transaktionssicherheit dank Rechtskonstruktion aus den USA

Im Wege eines Aktientauschs übernimmt die in der medizinischen Wirkstoffforschung tätige Evotec aus Hamburg für 154 Mill. Dollar die amerikanische börsennotierte Renovis. Die komplexe Transaktion erfordert die Lösung insbesondere aktien- und steuerrechtlicher Fragen in Europa und den USA. – Herr Dr. Seibt, wie sind Sie vorgegangen?Ein wesentliches Ziel der Strukturierung war es, eine hohe Transaktionssicherheit zu erreichen. Wir bedienen uns daher einer besonderen Rechtsfigur des US-Staates Delaware: des sogenannten Reverse Triangular Merger. Dabei wird die Zielgesellschaft auf eine neu zu gründende, im Ergebnis dem Erwerber gehörende Zweckgesellschaft verschmolzen. Die Vorteile liegen darin, dass Evotec bereits bei Zustimmung von mehr als 50 % der Anteilseigner der Zielgesellschaft sämtliche Aktien an dieser erwerben kann und es bei der gewählten Gestaltung keine Spruchverfahren zugunsten der Renovis-Aktionäre gibt. – Welche Fragen des Zusammenspiels von US-Recht und deutschem Recht waren in dem der Verschmelzung zugrundeliegenden Merger Agreement zu klären?Ein wichtiger Bereich des Merger Agreement ist natürlich die Bestimmung des Umtauschverhältnisses. Zur Prämienreduktion sollte der Aktientausch für die Renovis-Aktionäre steuerfrei gestaltet werden. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um eine Reorganization im Sinne des US-amerikanischen Steuerrechts handelt. Dies verlangt unter anderem, dass die für Zwecke der Verschmelzung neu zu gründende US-Gesellschaft vom Erwerber kontrolliert wird. Aus der Perspektive des deutschen Aktienrechts hingegen darf die Zweckgesellschaft nur als Vehikel der Renovis-Aktionäre und nicht als Tochtergesellschaft von Evotec handeln. – Wie wird der Konflikt gelöst?Vereinfacht gesagt wird der Konflikt dadurch gelöst, dass die vom Erwerber gegründete Zweckgesellschaft nicht direkt von diesem gehalten wird. Stattdessen hält ein Treuhänder die Zweckgesellschaft – bis zum Verschmelzungsvollzug im Interesse der Erwerberin und im Anschluss daran im Rahmen der durchzuführenden Sachkapitalerhöhung zugunsten der veräußernden Renovis-Aktionäre. – Wie bekommen Sie dies mit den Besonderheiten des deutschen Kapitalerhöhungsrechts unter einen Hut?Da die für den Tausch hinzugebenden Evotec-Aktien erst im Wege einer Sachkapitalerhöhung geschaffen werden müssen, haben die neuen Aktionäre auch eine entsprechende werthaltige Sacheinlage zu leisten. Die Renovis-Aktien scheiden technisch als Sacheinlage aus, da sie nach US-Recht mit Verschmelzungsvollzug untergehen. Stattdessen werden – im wirtschaftlichen Ergebnis gleichwertig – die den Wert der Zielgesellschaft verkörpernden Aktien an der Zweckgesellschaft durch den Treuhänder in die Erwerberin eingebracht. Aufgrund der steuerlichen und aktienrechtlichen Rahmenbedingungen kann das Kapitalerhöhungsverfahren allerdings erst in einem logisch zweiten Schritt unmittelbar im Anschluss an den Reverse Triangular Merger durchgeführt werden. – Welche besonderen Voraussetzungen bestehen für Aktien als Tauschwährung bei transatlantischen Übernahmen?Um als Tauschwährung für die Renovis-Aktionäre attraktiv zu sein, war es erforderlich, eine US-Börsenzulassung der angebotenen deutschen Aktien zuzusagen. Auch kann ein Spruchverfahren für die Aktionäre der Zielgesellschaft nur dann vermieden werden, wenn börsenzugelassene Aktien im Rahmen der Verschmelzung angeboten werden. Daher sollen die angebotenen deutschen Aktien als American Depositary Shares (ADS) an der Nasdaq zugelassen werden. Dies erfordert ein SEC-Registrierungsverfahren, für das insbesondere ein entsprechender US-Börsenprospekt für Foreign Investors (F-4) zu erstellen ist. – Ist noch eine Börsenzulassung in Frankfurt erforderlich?Nach deutschem Börsenrecht müssen die neuen als Tauschwährung angebotenen Aktien der schon an der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Erwerberin innerhalb von zwölf Monaten auch zum Handel in Deutschland zugelassen werden. Der US-Kapitalmarkt erwartet sogar eine unverzügliche Zulassung, so dass für die Zulassung der Aktien in Deutschland auch ein den deutschen bzw. europarechtlichen Vorgaben entsprechender und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu billigender Wertpapierprospekt zu erstellen sein wird. – Welche Besonderheiten hat die Koordinierung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben beiderseits des Atlantiks?Bereits aus Zeit- und Kosteneffizienzgründen ist eine Synchronisierung der beiden Prospekterstellungs- und Börsenzulassungsverfahren (SEC/BaFin) erforderlich, aber auch um unterschiedliche haftungssanktionierte Informationsniveaus zwischen den jeweiligen Kapitalmärkten zu vermeiden. Daher werden wir den F-4-Prospekt als Basis nehmen und die europarechtlichen Besonderheiten in einem Sonderteil des Europaprospekts zusammenfassen. Bei der Fristenkoordination beider Verfahren sind die Behörden kooperativ. Dr. Christoph H. Seibt ist Partner im Hamburger Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer. Die Fragen stellte Walther Becker.