Recht und Kapitalmarkt

Hoher Refinanzierungsbedarf für Kreditportfolios

Problematisch vor allem für gewerbliche Immobilienfinanzierungen - Menetekel oder Chance für eine ganze Industrie?

Hoher Refinanzierungsbedarf für Kreditportfolios

Von Michael Rützel *)Die Zahlen sind erschreckend. Allein in den nächsten drei Jahren besteht ein Refinanzierungsbedarf von circa 80 Mrd. Euro für verbriefte gewerbliche Immobilienkreditportfolios. Weitere etwa 50 Mrd. Euro kommen in den Folgejahren hinzu. Darüber hinaus wurden auch große Bestände von Wohnbaukrediten verbrieft, die ebenfalls auf Refinanzierung angewiesen sind. Die englischsprachige Fachwelt sieht eine “wall of refinancing” auf uns zukommen. Starke PreiskorrekturenProblematisch ist dies besonders für gewerbliche Immobilienfinanzierungen. Viele der Immobilien haben in den letzten Jahren starke Marktpreiskorrekturen erfahren, sodass auf dieser Basis und weil viele Immobilienkredite in der Vergangenheit sehr aggressiv mit hohen Beleihungsausläufen finanziert wurden, Anschlussfinanzierungen in Höhe der noch ausstehenden Kredite nur schwer darzustellen sein werden.Im Rahmen einer typischen Finanzierung gewährt eine Bank Immobilieninvestoren Darlehen zur Finanzierung von Gewerbeimmobilien. Bei den Darlehensnehmern handelt es sich regelmäßig um Immobilienzweckgesellschaften, deren einziger Zweck im Halten, Verwalten oder dem Handeln mit Immobilien besteht.Die hinter diesen Gesellschaften stehenden Investoren werden Sponsoren genannt. Die Kredite werden häufig in einen (vorrangigen) Senior- und einen (nachrangigen) Junior-Teil (sogenannte B-Note) aufgespalten und im Rahmen einer Syndizierung an andere Banken und institutionelle Investoren weitergereicht. In der Vergangenheit ist ein großer Teil dieser Kredite aber nicht syndiziert, sondern durch Verbriefungen (CMBS – Commercial Mortgage Backed Securities oder CDO – Collateralized Debt Obligations) refinanziert und auf diesem Wege an die Anleihegläubiger dieser Verbriefungen weitergereicht worden. Schwierige VerhandlungenDa sich die Kredite nun nicht mehr in der Hand einer überschaubaren Anzahl von Syndikatsbanken befinden, sondern eine Vielzahl von namentlich nicht bekannten Anleihegläubigern involviert ist, gestaltet sich jede Verhandlung über die Restrukturierung eines Kredits ungleich schwieriger. Im Rahmen einer Syndizierung kann der Darlehensnehmer gemeinsam mit den Banken nach geeigneten Lösungen suchen. Im Rahmen einer Verbriefung sitzen Verbriefungsvehikel und deren Gläubiger am Tisch, deren Handlungs- und Verhandlungsspielraum durch die Verbriefungsdokumentation bestimmt und begrenzt wird.Hinzu kommt, dass die Verbriefungsvehikel die Forderungsverwaltung an einen sogenannten Servicer ausgelagert haben. Dessen Handlungen werden maßgeblich vom Servicing Standard bestimmt, wonach er kurz gesagt verpflichtet ist, das für seine Auftraggeber (und letztlich die Anleihegläubiger) wirtschaftlich beste Ergebnis zu erzielen.Ob dies durch eine etwaige Anpassung der Kredite erfolgen kann oder durch Verwertung der Sicherheiten (insbesondere der Grundschulden), ist eine Frage des Einzelfalls. Komplizierter wird es, wenn neben dem Senior-Teil auch eine B-Note existiert, da die Interessenlagen vor- und nachrangiger Gläubiger naturgemäß nicht deckungsgleich sind und hierbei die regelmäßig bestehenden Gläubigervereinbarungen zwischen Senior- und Junior-Lender zu berücksichtigen sind. RestrukturierungsgründeEine Restrukturierung kann aus vielen Gründen notwendig werden. Der Darlehensnehmer kann ein Cash-flow-Problem haben. Es drohen Zahlungsschwierigkeiten oder sogar -ausfälle. Aufgrund einer Neubewertung der Immobilien kommt es zu einer mitunter drastischen Abwertung der Immobilie und damit verbunden zu einem Verstoß gegen bestimmte, im Immobiliendarlehen zugesicherte Finanzkennzahlen (häufig ein Verstoß gegen den vereinbarten Beleihungsauslauf). Ein Cash-flow-Problem muss in diesem Fall nicht einmal vorliegen. Die maßgebliche Dokumentation knüpft aber an das Nichteinhalten dieser Kennzahl bestimmte Folgen (Wiederherstellung des alten Zustands, Zurverfügungstellung weiterer Sicherheiten, Nachschießen zusätzlichen Eigenkapitals). Unter Umständen haben die Sponsoren ihr investiertes Eigenkapital bereits abgeschrieben und kein Interesse mehr daran, das Investment fortzusetzen. Bei zahlreichen Immobilienkrediten ist bereits heute absehbar, dass bei Fälligkeit eine Refinanzierung auf Basis der aktuellen Bewertung und der im Vergleich zur Hochphase der Immobilienfinanzierung wieder konservativen Beleihungsausläufe nur schwer möglich und ein Zahlungsausfall bei Fälligkeit wahrscheinlich sein wird.Im Falle von verbrieften Immobilienkrediten ist die Frage, was restrukturiert werden soll, nicht ganz unwichtig. Soll das betroffene Darlehen angepasst werden, kann im Optimalfall der Servicer helfen, indem er gemeinsam mit dem Darlehensnehmer während der Dauer einer Stillhaltevereinbarung eine Strategie erarbeitet, die es dem Darlehensnehmer zum Beispiel ermöglicht, den Fremdkapitalanteil seiner Finanzierung geordnet zu vermindern und dadurch wieder die vorgegebenen Finanzkennzahlen zu erreichen. Denkbar sind auch Teilrückzahlungen des Darlehens, (Teil-) Verkäufe der Immobilien, weitere werterhöhende Maßnahmen im Immobilienbestand oder die Zuführung weiteren Kapitals durch die Sponsoren. Oft besteht die Möglichkeit, die Darlehenslaufzeit zu verlängern, um dem Darlehensnehmer die für die vorgenannten Maßnahmen erforderliche Zeit zu verschaffen. Hohe KomplexitätSoll eine Anpassung auf Anleiheebene erfolgen, wird es komplex. Der Servicer hat eine durch die Verbriefungsdokumentation strikt vorgegebene Marschroute. Was dort nicht vorgesehen ist, kann grundsätzlich nicht umgesetzt werden, sei es wirtschaftlich noch so sinnvoll. Sollen Änderungen außerhalb dieses Rahmens vorgenommen werden, bedarf es der Zustimmung der Anleihegläubiger. Hierbei handelt es sich um eine Vielzahl von Gläubigern, die in der Regel – ähnlich wie Aktionäre – namentlich unbekannt sind und mit denen eine Kommunikation nur eingeschränkt über die Clearingsysteme möglich ist. MehrheitserfordernisseHinzu kommen die in der Verbriefungsdokumentation zum Schutz der Anleihegläubiger vorgesehenen Mehrheitserfordernisse. Ist Einstimmigkeit erforderlich, geht die Wahrscheinlichkeit einer Zustimmung oft gegen null, weil nicht alle Anleihegläubiger bekannt sind oder an der Abstimmung teilnehmen. Eine positive Ausnahme stellt insoweit die Fleet-Street-Finance-2-Verbriefung der Karstadt-Immobilienkredite dar, die unter Mitwirkung der Anleihegläubiger restrukturiert werden konnte.Wenn keine Maßnahme Erfolg verspricht, ist als Ultima Ratio auch eine Zwangsvollstreckung in die Immobilien nicht ausgeschlossen. Bislang ist dieses Mittel die Ausnahme geblieben. Aufgrund langwieriger Gerichtsverfahren, mitunter erheblicher Wertverluste, die einen oft nicht befriedigenden Vollstreckungserlös erwarten lassen und der Hoffnung, durch flankierende Maßnahmen in Folgejahren noch eine Wertsteigerung erzielen zu können, werden auch künftig alle Marktteilnehmer bemüht bleiben, diese für alle Beteiligten in der Regel schlechteste Lösung zu vermeiden. Markt erholt sichDie Zahl verbriefter Kredite für Gewerbeimmobilien unter Intensivbetreuung (sog. Special Servicing) ist drastisch gestiegen. Es wird wohl nicht vermeidbar sein, dass zahlreiche Investoren sowohl auf Sponsorenseite als auch auf Ebene der Anleihegläubiger Verluste realisieren werden, wenn keine Anschlussfinanzierung dargestellt werden kann.Es gibt allerdings bereits erste Anzeichen dafür, dass über die Refinanzierung verbriefter Kreditportfolios durch neue Verbriefungstransaktionen nachgedacht wird, da ohne die Einbeziehung des Kapitalmarkts das exorbitante Finanzierungsvolumen kaum zu stemmen sein wird. Noch dürften sich diese Alternativen im Frühstadium befinden. Allerdings zeigen erste große Verbriefungen von Wohnbaukrediten in Großbritannien und den Niederlanden, dass sich der Markt für Verbriefungen wieder erholt und Kapitalmarktinvestoren diesen Papieren trotz aller regulatorischen Hürden wieder größeres Interesse widmen.—-*) Michael Rützel ist als Partner im Bereich Strukturierte Finanzierungen im Frankfurter Büro der internationalen Wirtschaftskanzlei White & Case LLP tätig.