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"Hunderttausende zahlt man nur, wenn der Wert steigt"

Sotheby's-Expertin Westphal über Renditen am Markt für zeitgenössische Kunst und den neuen Volkssport der Wohlhabenden

"Hunderttausende zahlt man nur, wenn der Wert steigt"

Mehrere internationale Auktionen und die Kunstmesse “Art Basel” machen den Monat Juni zu einem der wichtigsten für Kunsthandel und Auktionshäuser . Seit Jahren steigt am Kunstmarkt die Nachfrage und es werden immer neue Rekordpreise erzielt. Am vergangenen Wochenende erst zahlte der Kosmetikhersteller Ronald Lauder für ein Gemälde von Gustav Klimt 135 Mill. Dollar, mehr als je zuvor für ein Gemälde gezahlt wurde. Als am höchsten gelten die Wertsteigerungen aber derzeit bei Werken der zeitgenössischen Kunst. Das Auktionshaus Sotheby’s setzte kürzlich bei einer einzigen Abendauktion für zeitgenössische Kunst fast 130 Mill. Dollar um – ebenfalls ein Rekord. Cheyenne Westphal leitet bei Sotheby’s in London die zeitgenössische Abteilung. – Frau Westphal, welche Richtung in der zeitgenössischen Kunst hat in den vergangenen zehn Jahren die stärkste Wertentwicklung aufgewiesen?Zehn Jahre sind für die zeitgenössische Kunst ja schon ein sehr langer Zeitraum. Ganz vorne ist über diese Zeit ganz sicher die Pop Art mit Andy Warhol an der Spitze. Im Jahr 1989 wurde bei einer Auktion für eine “Red Marilyn” – ein Porträt von Marilyn Monroe vor rotem Hintergrund im Format 1 mal 1 Meter – die Summe von 4,1 Mill. Dollar gezahlt. Das war ein Weltrekord, der jahrelang nicht eingeholt wurde. Im Jahr 1997 kam eine “orange Marilyn” zur Auktion – und es wurden 17 Mill. Dollar gezahlt. Solche Werte lassen sich aber nur mit den absoluten Ikonen der zeitgenössischen Kunst erzielen. – Welche Künstler haben in den vergangenen Jahren bei der Wertentwicklung hervorgestochen?Unter den deutschen Künstlern waren das Sigmar Polke und Gerhard Richter, bei den Engländern Lucian Freud und Francis Bacon. In den USA sind Willem de Kooning, Roy Lichtenstein und Andy Warhol zu nennen. Das sind die “Blue-Chip-Künstler” unter den Zeitgenossen, die den historischen Test schon bestanden haben. – Was gibt es an neuen Trends?In den vergangenen fünf Jahren konnten sich junge Künstler sehr stark entwickeln. Das gilt vor allem für Deutschland und die Leipziger Schule. Gleichzeitig gibt es jetzt eine unheimliche Menge von neuen Sammlern, die sich mit Kunst umgeben wollen – für die Kunst zum Lebensstil gehört. Vor fünf Jahren gab es nur einen Sammler junger Künstler, und das war Saatchi, der damals keine Ausstellungseröffnung im Londoner East End verpasst hat. Heute ist es fast ein Volkssport geworden, junge Künstler zu finden. Es gibt tausende von Sammlern, die sich darauf spezialisiert haben, junge Kunst zu finden. – Wie hat sich das auf den Markt ausgewirkt?Junge Kunst ist inzwischen kaum noch über Galerien zu bekommen. Die deutschen Künstler der Leipziger Schule – das sind ja wieder richtige Maler – produzieren auch nur sehr wenig. Neo Rauch beispielsweise, der als Vater der Leipziger Gruppe gilt, stellt nicht mehr als zehn Bilder im Jahr fertig. Wenn Werke solcher Künstler irgendwo auf den Markt kommen, dann sind die Sammler auch bereit, sehr hohe Summen dafür zu zahlen. – Lässt sich bei so junger Kunst schon eine Wertentwicklung erkennen?Auf jeden Fall. Arbeiten von Matthias Weischer waren vor drei Jahren noch für weniger als 10 000 Euro zu bekommen. Jetzt erzielen seine Werke bei Auktionen zwischen 150 000 und 250 000 Euro. In New York wurden kürzlich 500 000 Dollar gezahlt – für eine Papierarbeit von Neo Rauch. Das ist ein sehr ungewöhnlicher Preis. – Betrachten Sammler Kunst eigentlich als Geldanlage, oder spielen nicht vielmehr emotionale Gründe eine viel größere Rolle beim Kauf?Kunst wird meistens als Wertanlage angesehen. Ein paar hunderttausend Dollar oder mehr zahlt man nur, wenn man davon ausgehen kann, dass der Wert steigt oder zumindest stabil bleibt. Reine Investoren aber, die nur vom Schreibtisch aus über Käufe entscheiden und eine bestimmte Wertentwicklung erzielen wollen, gibt es nur sehr wenige. Ohne sich für die Materie zu interessieren, geht es nicht. Man muss schon zu Ausstellungseröffnungen und Messen gehen, mit Künstlern und Galeristen reden, um ein Gespür für den Markt zu bekommen. Allerdings gibt es derzeit durchaus mehr Sammler, die mit dem Markt spielen, die ein Kunstwerk kaufen und nach drei Jahren wieder verkaufen. – Wenn heute jemand in zeitgenössische Kunst investieren will und Wert auf eine gute Rendite legt, was würden Sie ihm raten? Es ist sehr schwer vorherzusagen, welche Wertentwicklung junge Künstler nehmen. Es gibt immer Momente, da passiert etwas in der Kunstgeschichte. Bedeutende Entwicklungen gibt es meist so alle zehn Jahre. In den neunziger Jahren kamen in London die Young British Artists (YBA) um Damien Hirst auf. Jetzt sind die jungen Künstler der Leipziger Schule gefragt. Meist entwickeln sich solche Gruppen um eine Führungsfigur oder eine Schule herum. Viele, die dann anfangs auch sehr gefragt sind, schaffen es nicht, sich auf dem Markt dauerhaft zu behaupten. Das hat man bei den YBA gesehen. Auch aus der Leipziger Gruppe werden höchstens zwei bis drei dauerhaft bestehen, und ihre Werke werden noch teurer werden, als sie es jetzt schon sind. Es ist aber sehr schwer vorherzusagen, wer das sein wird, denn meist sind diese Künstler noch sehr jung und stehen am Anfang ihrer Karriere. – Welcher Künstler hat es denn schon geschafft?Ein gutes Beispiel ist Gerhard Richter, der es seit Anfang der sechziger Jahre geschafft hat, immer wieder hohe Qualität zu liefern. Seine Werke weisen auch eine sehr dauerhafte Wertentwicklung auf. Im Jahr 1997, als Saatchi sein YBA-Depot ausgemistet hat, enthielt der Katalog Werke von 60 bis 70 Künstlern – davon waren drei so richtig populär, und weitere etwa zehn verkauften sich auch noch ganz gut. Der größte Teil aber hatte es eben nicht geschafft. – Wenn jetzt so viele neue Sammler auf den Markt drängen, besteht dann nicht die Gefahr übertriebener Preisbildungen?Es ist schon unglaublich, was in den vergangenen Jahren passiert ist. Die Preise sind so enorm in die Höhe gestiegen, dass sich schon die Frage stellt, ob das so weitergehen kann. Generell aber sind die Leute sehr “cash-rich”, es ist sehr viel Bargeld im Markt. Die Immobilienpreise steigen, es werden mehr Yachten gekauft – in einem solchen Umfeld wird auch mehr in Kunst investiert. – Auf welche Parameter im wirtschaftlichen Umfeld achten Sie, wenn Sie Einflüsse auf den Kunstmarkt abschätzen wollen?Wichtig ist im Moment China, das Land ist schon zu einem der größten Märkte für zeitgenössische Kunst überhaupt geworden. Dort gibt es ein irrsinniges Volumen an Geld, das in Kunst fließt. Es gibt keinen Grund dafür, dass sich das ändern sollte. Daher mag es zwar ein paar Anzeichen geben, dass am Markt etwas passieren könnte, aber wir fühlen uns noch relativ sicher. Die Situation ist anders als Ende der achtziger Jahre. – Was ist damals passiert?1989/90 ist der Markt brutal zusammengebrochen, nachdem in den achtziger Jahren erstmals junge Künstler sehr stark gefragt waren. Bilder, die an einem Tag 200 000 oder 300 000 Dollar kosteten, waren am nächsten Tag nur noch 20 000 bis 30 000 wert. Der Markt hat zehn, fünfzehn Jahre gebraucht, um sich von diesem Schock zu erholen. Manche Werke haben den Wert, den sie in den achtziger Jahren hatten, nie mehr erreicht. Mehrere Faktoren sind damals zusammengekommen: Zum einen gab es wegen des Golfkrieges eine große allgemeine Unsicherheit. Außerdem sind die Zinsen gestiegen, was dem Kunstmarkt immer eher schadet. Außerdem war eine extreme Spekulation im Markt, weil in den Jahren zuvor vor allem Japaner in großem Stil eingekauft haben, um sofort wieder zu verkaufen. Von einer Saison zur nächsten haben sich die Preise verdoppelt. Dann war Ende der achtziger Jahre der Boom in Japan zu Ende – und der Markt ist zusammengebrochen. – Wer sind die neuen Sammler, die derzeit auf den Markt drängen?Neben China kommt auch sehr viel Geld aus Indien. Auch die Russen investieren derzeit sehr stark in Kunst, allerdings fragen sie eher Impressionisten und andere Künstler der Moderne nach, nicht so sehr zeitgenössische Kunst. Viel neues Geld kommt auch von Hedgefondsbetreibern, die in kurzer Zeit viel Geld verdient haben. – Gibt es Unterschiede zwischen den Märkten für Malerei, Fotografie oder Installation?Derzeit ist der Markt für Gemälde am stärksten in Bewegung. Bei der Fotografie ist in den vergangenen zwei bis drei Jahren schon ein Auswahlprozess erfolgt. Bei der Baseler Kunstmesse wurden in der Abteilung für junge Kunst vor wenigen Jahren noch zu 60 bis 70 % Fotografien gezeigt – heute ist das deutlich weniger. Es haben sich hier bereits einzelne Künstler herausgebildet, die Spitzenwerte erzielen können. Allen voran ist Andreas Gursky zu nennen. Für eine Fotografie von ihm wurden im Mai in New York 2 Mill. Dollar gezahlt – damit wurde der Weltrekord für ein Foto verdreifacht. Das Segment von Werken, die zwischen 5 000 und 20 000 Dollar gehandelt werden, hat sich dagegen – im Vergleich zu vor fünf Jahren – sehr stark reduziert. Der Markt für Installationen ist allgemein sehr schwierig. Hier gibt es nur extrem wenige Sammler – wie Friedrich Christian Flick in Berlin und die Münchnerin Ingvild Götz – die überhaupt aktiv sind. Dieser Markt findet so gut wie gar nicht über Auktionen statt. – Wie steht der Markt für zeitgenössische Kunst, den Sie ja genau beobachten, derzeit da im Vergleich etwa zu alten Meistern?Global betrachtet ist der Markt für zeitgenössische Kunst derzeit zweifellos der dynamischste, der auch die stärkste Preisentwicklung aufweist. Ähnliches lässt sich derzeit nur noch bei chinesischer und russischer Kunst beobachten – aber das spielt sich nur auf lokalen Märkten ab und ist kein internationales Phänomen. Der Markt für Werke alter Meister ist deutlich enger geworden. Nur bei sehr bedeutenden Bildern werden hier Spitzenpreise erzielt. Die Impressionisten haben sich in den vergangenen Jahren noch vergleichsweise gut entwickelt, aber dieser Markt ist ebenfalls schon enger geworden. Auch hier sind vor allem bei Trophäenbildern etwa von Picasso oder Matisse Höchstpreise möglich. Das Interview führte Christina Rathmann.