Recht und Kapitalmarkt

Hybridkapital - Instrument der unerfüllten Hoffnungen

In der Finanzkrise aufgebaute Verunsicherung der Investoren hemmt den Markt - Aufsichtsrechtliche Vorgaben für Banken belasten

Hybridkapital - Instrument der unerfüllten Hoffnungen

Von Stefan Süß *) Der Markt für Hybridkapital hat in der Finanzkrise stark gelitten. Steigende Risikoaufschläge haben die Kurse unter Druck gesetzt. Führende Marktteilnehmer haben während der Finanzkrise ihre bisherige Behandlung von Hybridkapital nicht aufrechterhalten. Und der Markt für Bankenhybridkapital sieht sich neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben gegenüber.Hinter dem Begriff Hybridkapital verbergen sich eine Reihe von im Detail völlig unterschiedlichen Finanzinstrumenten, denen gemeinsam ist, dass sie Elemente von klassischem Eigenkapital und Grundstrukturen von Fremdkapital kombinieren. Je nach Ausgestaltung stellen diese Finanzinstrumente nach Maßgabe der jeweiligen Bilanzierungssysteme Eigen- oder Fremdkapital dar. Eine inzwischen klassische Ausgestaltungsform ist der Eigenkapital-Genussschein, der für steuerliche Zwecke als abzugsfähiges Fremdkapital, für handelsrechtliche Zwecke aber als Eigenkapital strukturiert ist. Durch eine derartige hybride Ausgestaltung wird eine Stärkung der im Rahmen der Kreditanalyse relevanten Eigenkapitalbasis erreicht; gleichzeitig reduziert der Zinsaufwand unter den Genussrechten die steuerliche Bemessungsgrundlage. Eigen- und FremdkapitalDie meisten Hybridkapitalinstrumente streben letztlich genau dieses Gestaltungsziel an und nutzen die unterschiedlichen Voraussetzungen des Eigenkapitalausweises in den verschiedenen Bilanzierungssystemen. Die steuerliche Grundvoraussetzung der Abzugsfähigkeit als Fremdkapitalaufwand lässt sich regelmäßig dadurch erreichen, dass eine Beteiligung der Investoren am sogenannten Liquidationsgewinn ausgeschlossen wird. Da der Begriff des Liquidationsgewinns auch nach nunmehr über 30 Jahren gesetzlicher Erwähnung immer noch unscharf ist, sichern sich die Emittenten von Hybridkapital in Deutschland regelmäßig durch die Einholung von verbindlichen Auskünften bei den Finanzbehörden ab.Die handelsrechtliche Ausgestaltung als Eigenkapital lässt sich erreichen, wenn das Hybridkapital nachrangig strukturiert wird und voll an Verlusten teilnimmt, die Bedienung der Zinsen das gegen Ausschüttung geschützte Eigenkapital nicht beeinträchtigt und die Kapitalüberlassung längerfristig erfolgt. IAS und HGBDie Qualifizierung von Hybridkapital unter den Rechnungslegungsvorschriften IAS schließlich schlägt einen völlig anderen Weg ein als das deutsche Steuer- und Handelsrecht: Eigenkapitalcharakter hat Hybridkapital grundsätzlich nur dann, wenn der Emittent durch die Aufnahme des Kapitals nicht belastet wird. Dabei ist grundsätzlich jede Form der Verbindlichkeit schädlich, unabhängig von ihrer Fälligkeit und ihrem Entstehen. In der Praxis werden daher Zinsen nur in Abhängigkeit von Dividendenzahlungen fällig oder sind gänzlich freiwillig, ein Rückzahlungsdatum ist entweder nicht vorgesehen (Perpetual) oder, zur Erreichung eines möglichst hohen sogenannten “Equity Credit”, sehr weit in die Zukunft geschoben. Laufzeiten von mehreren hundert Jahren sind nicht ungewöhnlich.Die Synchronisierung der Vorgaben der verschiedenen Bilanzierungssysteme löst nicht selten Ziel- und Wertungskonflikte aus. Beispielsweise ist die handelsrechtlich geforderte Verlustteilnahme unter dem Blickwinkel der zu vermeidenden Teilnahme am Liquidationserlös bei Hybridkapital, das bei steuerlicher Abzugsfähigkeit der Zinsen handelsrechtlich als Eigenkapital qualifizieren soll, nicht unkritisch.Die Zielkonflikte nehmen regelmäßig noch zu, wenn das Hybridkapital die Vorgaben mehrerer Bilanzierungssysteme erfüllen soll. Soll Hybridkapital gleichzeitig nach HGB und IAS als Eigenkapital qualifizieren, ergeben sich Friktionen der Anforderungen des HGB (Verlustteilnahme bzw. Wiederauffüllen nach Verlusten) zur Vorgabe nach IAS, keine Verpflichtungen des Emittenten zu begründen.Bei der Ausgestaltung von Hybridkapital sollten auch die steuerlichen Rahmenbedingungen für den angestrebten Investorenkreis bedacht werden. Im Hinblick auf deutsche Privatinvestoren sind diese regelmäßig übersichtlich: Seit Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2009 werden Privatinvestoren mit einem Einheitssteuersatz von 25 % besteuert. Angesichts der regelmäßig gegebenen steuerlichen Abzugsfähigkeit der Zinsen ist Hybridkapital damit sehr effizient.Bei ausländischen Investoren steht die Frage im Vordergrund, ob der Emittent des Hybridkapitals auf Ausschüttungen Kapitalertragsteuer einbehalten muss. Dies ist bei einer Ausgestaltung als Genussrecht und stille Gesellschaft der Fall. Soweit die ausländischen Investoren die deutsche Kapitalertragsteuer auf ihre im Ansässigkeitsstaat zu zahlenden Steuern anrechnen können, erscheint ein Investment attraktiv. Soweit die Anrechnungsmöglichkeit nicht besteht oder ins Leere geht (zum Beispiel bei steuerbefreiten Investoren), ist die Anlage in das Hybridkapital steuerlich wenig attraktiv, da die deutsche Kapitalertragsteuerbelastung definitiv wird. Lösungsansätze bieten hier Schuldverschreibungen, auf die bei ausländischen Investoren grundsätzlich keine Quellensteuern zu erheben sind.In besonderen Fällen lässt sich durch entsprechende Gestaltung neben der Abzugsfähigkeit von Zinsen beim Emittenten auch eine Steuerfreistellung beim ausländischen Investor erreichen (sogenannter Double Dip). Diese kommt allerdings nur bei speziell an den steuerlichen Rahmenbedingungen bestimmter Investoren ausgerichteten Strukturen in Betracht. Einlagen und GenussrechteKlassischer Markt für den Einsatz von Hybridkapitalinstrumenten waren bisher Kreditinstitute, die sich durch Genussrechte und stille Gesellschaften regulatorisches Kernkapital beschafft hatten. Durch die – verglichen zur Eigenkapitalverzinsung von Aktien – niedrige Verzinsung stellte die Kapitalbeschaffung durch Hybride eine günstige und damit attraktive Möglichkeit dar, das Kernkapital zu stärken.Die drohenden Verschärfungen der Kernkapitalvorschriften für Banken könnten diesen im Rahmen der Finanzkrise sowieso sehr deutlich geschrumpften Markt nahezu völlig austrocknen. Angedacht ist, bei der Berechnung der Kernkapitalquote stille Einlagen und Genussrechte künftig auszuklammern.Für bisher stark mit derartigen Instrumenten finanzierte Banken kann dies kritisch werden. Die in der Fachwelt umstrittene Verschärfung der Kernkapitalanforderungen könnte damit der Entwicklung des Hybridkapitalmarktes zum Volumenmarkt entgegenstehen.Neben den anstehenden Änderungen bei Kernkapitalvorschriften muss der Hybridkapitalmarkt auch die in der Finanzkrise aufgebaute Verunsicherung der Investoren überwinden. Auch namhafte Marktteilnehmer hatten in der Finanzkrise aufgrund der extrem gestiegenen Spreads die emittierten Instrumente nicht zurückgekauft, was den Marktusancen entsprochen hätte, sondern sich für ein Weiterführen der Instrumente entschieden. Obwohl diese Entscheidungen angesichts des Umfeldes gut nachvollziehbar sind, hat dies erhebliche Auswirkungen auf das Investorenverhalten. Denn bisher wurden Hybridkapitalinstrumente auch damit beworben (“Investment Story”), dass sich die Marktteilnehmer an die (auch ungeschriebenen) Regeln des Marktes halten. Brechen nun gerade namhafte Marktteilnehmer diese Regeln, erschüttert dies das Vertrauen der Anleger in die Funktion des Marktes. Dieses Vertrauen muss erst wieder zurückerobert werden.Der Markt für Hybridkapital sieht interessanten Herausforderungen entgegen. Und diese bestehen nicht nur in der Festlegung adäquater Spreads, sondern der Schaffung robuster, den Interessen von Investoren entsprechender Strukturen.—-*) Stefan Süß ist Partner bei Latham & Watkins.