Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Sven Zeller

"Ideal wäre die direkte Bezahlung der Beratung durch den Anleger"

BGH-Urteil zu Kickback-Zahlungen stellt Provisionsmodelle von Banken in Frage

"Ideal wäre die direkte Bezahlung der Beratung durch den Anleger"

Herr Dr. Zeller, der Bundesgerichtshof (BGH) hat in der vergangenen Woche entschieden, dass Banken Zahlungen offenlegen müssen, die sie von Fondsgesellschaften erhalten, deren Produkte sie vertreiben (Kickback-Zahlungen). Müssen sich die Banken nun, wenn sie dies nicht tun oder getan haben, auf Schadenersatzklagen einstellen? Der BGH hatte einen konkreten Einzelfall zu entscheiden und hat die Anforderungen an das Beratungsgespräch mit dem Kunden konkretisiert. Für Branchenjuristen war dies an sich nichts Neues. Es bestehe eine Verpflichtung der Bank, unaufgefordert über den Erhalt und die Höhe oder Berechnungsgrundlage von Rückvergütungen aufzuklären. Interessenkonflikte sind zu vermeiden oder gegebenenfalls offenzulegen, damit der Anleger die Größenordnung der Rückvergütungen einschätzen kann. – Nach Ansicht des Gerichts ist das offenbar derzeit nicht die gängige Praxis – entsprechend wäre eine Klagewelle zu erwarten. Hier werden jetzt einzelne Anleger klagen. Wenn Anleger intelligent angelegt haben, gibt es keinen Verlust, den sie einklagen könnten. Es kommt also auf den Sachverhalt, die Art des Vertriebswegs, die Art der Beratung und die Kenntnis des Anlegers an. Das alles ist bereits geübte Praxis bei Banken und Finanzdienstleistern seit der Bond-Entscheidung 1993 und der Etablierung der Fragebögen bei der Anlageberatung. – Können nun alle Anleger, die im Jahr 2000 Neuer-Markt-Fonds gekauft haben, ihr Geld zurückfordern, weil ihnen nichts über die Kickbacks gesagt wurde?Diese Vorgänge sind meist längst verjährt. Das ist durch das Urteil jetzt geklärt. Nur bei Vorsatz, den der Kläger beweisen muss, gäbe es vielleicht in Einzelfällen etwas. – Wo geht das Urteil über die geplante Richtlinie über die Märkte für Finanzinstrumente (Mifid) hinaus? Gibt es Punkte, in denen das Urteil der Mifid widerspricht? Bei der Mifid handelt es sich grundsätzlich um aufsichtsrechtliche Organisationsregeln auf EU-Ebene, die, in deutsches Recht umgesetzt, die Anforderungen an Wertpapierdienstleistungen konkretisieren. Widersprüche sehe ich nicht. Das Urteil geht insoweit über die Regelungen der Mifid hinaus, als das Urteil eine zivilrechtliche Rechtsfolge für den Fall einer unterlassenen Offenlegung bestimmt. Ein Wertpapierdienstleister muss in einem solchen Fall damit rechnen, dass er nicht nur die Zuwendung herausgeben muss, sondern dass das gesamte Geschäft rückabgewickelt wird. – Bedeutet das Urteil – zusammen mit der anstehenden Mifid – nicht Doppelarbeit für die Banken?Man wird die derzeitige Praxis zu überprüfen haben und sie nach der Rechtsprechung und mit Blick auf die Mifid ausrichten müssen, falls das nicht schon geschehen ist. Auch künftige Rahmenverträge zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Prospekte werden sich inhaltlich ändern. Im Zuge der Umsetzung der Mifid ist ohnehin vielfach eine Überarbeitung der bestehenden Vertragsmuster und der dazugehörigen Software erforderlich. Dabei kann man dieses Thema bei Bedarf auch gleich mit erledigen. – Das Gericht sah in der Zahlung von Kickbacks offenbar einen Interessenkonflikt für Banken, die einerseits ein Interesse daran haben, hohe Umsätze zu erzielen, und andererseits mit dem Anspruch auftreten, die Kunden bestmöglich zu beraten. Was müsste sich an der Beratungspraxis der Banken ändern, um diesen Interessenkonflikt auszuschließen?Ohne die Kenntnis der Höhe der Rückvergütung, meint der BGH, konnte der Anleger das Interesse der Bank an der Empfehlung und die Gefährdung von Interessen des Anlegers nicht richtig einschätzen. Also muss man diese Vergütungsstruktur bzw. die Rückvergütungen offenlegen. Seit über einem Jahr bereitet sich die Branche auf die Umsetzung der neuen Anforderungen durch die bevorstehende Mifid-Umsetzung vor. Diese Maßnahmen wird man in einigen Häusern jetzt zeitlich vorziehen wollen. – Welches Gebührenmodell würde den Anforderungen des Gerichts entsprechen: Wäre ein Modell, wonach die Banken eine pauschale Beratungsgebühr statt umsatzabhängiger Provisionen verlangen, erforderlich? Oder würde es schon ausreichen, wenn die Provisionen für alle Produkte gleich hoch wären?Ideal wäre natürlich eine direkte Bezahlung der Beratungsleistung durch den Anleger. Dieses transparente Modell lässt sich trotz aller früheren Bemühungen der Branche derzeit nicht durchsetzen. Pauschalen sind zwar kalkulierbar und klar, aber weder interessen- noch marktgerecht. Gleichmacherei war noch nie gut. Um den Vorgaben zu genügen, sollten Wertpapierdienstleister Rückvergütungen und Provisionen offenlegen und vielleicht auch eine Berechnungsgrundlage angeben. Die Darstellung sollte klar und verständlich sein und kann sicherlich bei vereinfachten Systemen pauschal oder sogar standardisiert erfolgen. – Für den Vertrieb welcher Produkte – außer Investmentfonds – dürfte das Urteil nach Ihrer Meinung die meisten Folgen haben?Der BGH hat Rückvergütungen seitens einer Kapitalanlagegesellschaft zum Anlass seines Urteils genommen. Dennoch ist dem Urteil nicht zu entnehmen, dass die Wertung des BGH bei anderen Finanzprodukten nicht zutreffend wäre. Ein potenzieller Interessenkonflikt kann fast immer bestehen. Es wäre blauäugig zu behaupten, dies sei auf Fälle der Anlageberatung mit Fonds und der Vermögensverwaltung beschränkt. Dr. Sven Zeller ist Partner von Clifford Chance, Frankfurt am Main. Die Fragen stellte Christina Rathmann.