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Im Kunstmarkt dominiert nun China

Reich der Mitte lässt die USA hinter sich - Historisch bedeutende Entwicklung

Im Kunstmarkt dominiert nun China

Von Anna Perucki, Frankfurt In nur drei Jahren hat sich China am Kunstmarkt vom dritten auf den ersten Rang vorgearbeitet. Damit hat sich das Reich der Mitte zum größten Markt für Kunst entwickelt – noch vor den etablierten Märkten USA, Großbritannien und Frankreich. Dies bedeutet eine epochale Entwicklung für den weltweiten Kunstmarkt. Investoren müssen sich möglicherweise umorientieren.Nicht nur chinesische Künstler oder Sammler, sondern auch Auktionshäuser und Metropolen aus dem asiatischen Land dominieren die Ranglisten. Nach einer aktuellen Studie, die jedes Jahr von der Kunstmesse Tefaf (The European Fine Art Fair) in Maastricht in Auftrag gegeben wird, hat China den ersten Platz als größte Kunsthandelsnation eingenommen. Beeindruckende 30 % des weltweiten Umsatzes werden nun dort getätigt. Die USA sind mit 29 % des globalen Marktes an der zweiten Stelle. Großbritannien nimmt 22 % ein und platziert sich an dritter Stelle und Frankreich mit nur 6 % auf dem vierten Rang, Deutschland hat einen Anteil von lediglich 2 %.Die Weltkarte des Kunstmarktes verändert sich zunehmend und bewegt sich Richtung Asien. Die Preise für Objekte zeitgenössischer Kunst in China steigen kontinuierlich. Der High-End-Markt zeitgenössischer Werke, die über 50 000 Dollar kosten, macht im Reich der Mitte 17 % aus, im Rest der Welt lediglich 8,7 %. Umsatz gestiegenDer Studie der European Fine Art Foundation ist zu entnehmen, dass der Umsatz auf dem globalen Markt gegenüber 2009 um 52 % gestiegen ist. Als Grund wird die rapide gestiegene Nachfrage in China genannt. Chinesen kaufen alles von chinesischen Antiquitäten bis hin zu europäischer Kunst aus allen Epochen.Die chinesischen Auktionshäuser wachsen ebenfalls sehr stark. Während die Umsätze chinesischer Kunst bei Christie’s und Sotheby’s stagnieren, steigt der Marktanteil der chinesischen Versteigerungen. Die westlichen Auktionshäuser gleichen das mit Versteigerungen in Hongkong aus. Ferner versuchen sie, ihre Auktionspräsenz bei den Luxusgütern Uhren, Schmuck und Wein auszubauen. Sieben der zehn größten Auktionshäuser sind mittlerweile chinesisch.Beijing Poly International avancierte mit über 1 Mrd. Euro Umsatz bereits zum drittgrößten Auktionshaus der Welt. Das Haus will in New York eine Niederlassung eröffnen und erwägt einen Börsengang, um sich als direkter Konkurrent der etablierten Kunstversteigerer zu positionieren. China Guardian will als viertgrößter Auktionator wiederum in London expandieren, nachdem man schon Repräsentanzen in New York und Vancouver hat. Für die europäischen oder amerikanischen Auktionshäuser ist es ungleich schwieriger, in China Fuß zu fassen, denn hier sind Auktionen für ausländische Firmen verboten. Die Ausländer weichen daher auf Hongkong aus.Der chinesische Markt ist nun größer als der englische und der französische, was den allgemeinen Kunsthandel und die Auktionsverkäufe angeht. Der Zuwachs ist phänomenal, mit Gesamtverkäufen, die zehnmal so groß sind wie im Jahre 2000, und einer Gesamtsumme von 8,2 Mrd. Dollar im Jahr 2010. Trotz der wachsenden Unsicherheit, der Rezessionsängste auf den globalen Märkten – vor allem in Europa und USA – und des sich verlangsamenden Wachstums in China zeigt der Kunstmarkt im Reich der Mitte sehr gute Zahlen. 2011 war zum Teil wieder ein Rekordjahr.Asien verzeichnet nicht nur das höchste Volumen an weltweiten Auktionserlösen, sondern beginnt ebenfalls die besten Resultate für einzelne Werke zu generieren. 2011 wurden in der Region 1 675 Objekte über 1 Mill. Dollar verkauft und sogar 59 über 10 Mill. Dollar. Dies sind 32 % mehr als noch im Jahr 2010. In China wurden in diesem High-End-Bereich über 1 Mill. Dollar 774 Werke verkauft. Unter den ersten sieben weltgrößten Handelsplätzen rangieren vier chinesische: 1. New York (2,7 Mrd. Dollar Erlös), 2. Peking (2,3 Mrd.), 3. London (1,8 Mrd.), 4. Hongkong, 5. Paris, 6. Schanghai, 7. Hangzhou. Rekordsummen wurden auch für chinesische Kunst der Moderne und Kunst nach 1945 erzielt, so vor allem für ein Bild von Qi Baishi, das für über 65 Mill. Dollar durch den chinesischen Auktionator China Guardian verkauft wurde. In der ersten Hälfte 2011 haben die beiden chinesischen Auktionshäuser Poly und China Guardian die beiden weltführenden, etablierten Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s im Hinblick auf Verkäufe der chinesischen Kunst übertrumpft. Drei der zehn besten Auktionsresultate wurden in China erzielt. Darunter befinden sich auch die beiden spektakulärsten Auktionen: Qi Baishi bei China Guardian Auctions und Meng Wang mit über 62 Mill. Dollar bei Poly International Auction. An sechster Stelle ist Beihnog Xu als dritter Chinese unter den ersten zehn vertreten. Alle drei gehören dem Bereich der Malerei der alten Meister an.Die Verkäufe der zeitgenössischen Kunst in China generierten 2011 fast 296 Mill. Dollar und damit 41,6 % der weltweiten Verkäufe, 183 Mill. bzw. 26 % gingen an Großbritannien, 154 Mill. Dollar bzw. 22 % an die USA, 11 Mill. Dollar bzw. 1,1 % an Frankreich und immerhin 4,4 % und 0,6 % an Singapur.Das Wachstum im Reich der Mitte verändert auch dramatisch die gehandelten Objektstrukturen. Das Segment Zeichnungen hat deutlich an Bedeutung gewonnen und seinen Anteil innerhalb von fünf Jahren mehr als verdreifacht. Auch bei dem teuersten Bild des Künstlers Qi Baishi handelt es sich um eine Tuschearbeit auf Papier. Alte Meister bevorzugtDie Kunst der alten Meister wird in China präferiert. 15 der Top-20-Resultate wurden hier erzielt. Singapur, Peking, Schanghai, Hangzhou und Hongkong sind sowohl zur Bastion der alten Meister als auch der zeitgenössischen Kunst geworden. In der ersten Hälfte 2011 ist Peking zum drittgrößten Umsatzmarkt auf dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst geworden – gleich hinter New York und Hongkong. Die Zahl der chinesischen Käufer in Auktionen bei Christie’s ist im ersten Halbjahr 2011 um 20 % gestiegen. Bei Sotheby’s waren 2010 bereits 13 % aller Auktionskäufer weltweit Chinesen, 2004 waren es noch 3 %, eine Steigerung um mehr als das Vierfache. Die Liquidität dieser Kunden ist beeindruckend, denn der Umsatz chinesischer Käufer, die Werke im Preissegment über 500 000 Dollar erworben haben, wuchs bei Sotheby’s um 433 %. Auch das Wachstum von Singapur (+ 22 %) und Indonesien (+ 39 %) ist rasant. Teuerste ChinesenEinem Bericht des Kunstmarktdienstes “Artprice” zufolge steht zum ersten Mal ein chinesischer Künstler an der Spitze des weltweiten Kunstauktionsmarkts. Zhang Daqian (1899-1983) löst damit den 1973 verstorbenen spanischen Maler Pablo Picasso ab, der 14 Jahre lang die Liste anführte und den Markt deutlich dominierte. Damit ist Picasso das erste Mal seit 21 Jahren nicht mehr unter den Top 3 der teuersten Künstler.Zhangs Werke wurden bei Auktionen 2011 für insgesamt 550 Mill. Dollar verkauft. Alleine 111 Werke dieses Künstlers haben sich für mehr als 1 Mill. Dollar verkauft. Direkt hinter Zhang liegt sein Landsmann Qi Baishi (1864-1957), dessen Werke auf einen Gesamtgewinn von 510 Mill. Dollar kommen. Die Preise für seine Werke stiegen im vergangenen Jahr um 35 %, nach einem Plus von unfassbaren 400 % zwischen 2009 und 2010. Beide Künstler zählen zu den wichtigsten Vertretern der chinesischen Malerei des 20. Jahrhunderts. An dritter Stelle befindet sich Andy Warhol mit 325 Mill. Dollar. Unter den teuersten zeitgenössischen Künstlern steht an erster Stelle ebenfalls ein Chinese: Zeng Fanzhi mit einem Umsatz von über 53 Mill. Dollar. Mehr als 90 % seiner Werke werden in China und Hongkong verkauft. Gleich dahinter platziert sich Jean-Michel Basquiat mit 46 Mill. Dollar. Die globale Kunstwelt, die auf einen globalen Umsatz von 46,1 Mrd. Euro kommt, erlebt einen historischen Wendepunkt. Die starke Dominanz der Chinesen auf dem Kunstmarkt ist auf den wachsenden Wohlstand und das große Angebot an nationaler Kunst mit dem boomenden Auktionsmarkt zurückzuführen. Die Menschen im Reich der Mitte investieren ihr Geld sehr gerne in Kunst, auch die im High-End-Bereich.