"Im Mittelpunkt steht eine deutliche Reduzierung der Kosten"
Nach der Übernahme der Cominvest Anfang 2009 steht bei Allianz Global Investors Deutschland (AGI) die Kostenbasis beider Häuser auf dem Prüfstand. Derzeit laufen Gespräche mit den Betriebsräten über den geplanten Personalabbau. Es würden wohl mehr als 150 der 1 600 Jobs gestrichen, deuteten die Deutschland-Chefs der Allianz-Fondstochter, Horst Eich und Thomas Wiesemann, im Interview der Börsen-Zeitung an. Beim Joint Venture in der Fondsbuchhaltung mit der DekaBank, Dealis, sehen die beiden Chief Executive Officers noch Kapazitäten für weitere Partner.- Herr Eich, Herr Dr. Wiesemann, in Ihrem Haus gibt es mit der Integration der Cominvest und dem Joint Venture mit der DekaBank Dealis gleich zwei Baustellen. Wie ist der Stand der Arbeiten bei der Verschmelzung der einstigen Commerzbank-Tochter?Eich: Nachdem wir die Führungsstrukturen der ersten und zweiten Ebene mit Mitarbeiten aus beiden Häusern besetzt haben, haben wir nun Vorgaben für den finanziellen Rahmen gemacht. Wir stimmen gegenwärtig die zukünftigen Strukturen mit den entsprechenden Gremien, also etwa den Betriebsräten, ab.- Das heißt, es konkretisieren sich jetzt die Pläne, wie viele der gemeinsam 1 600 Mitarbeiter von einem Stellenabbau betroffen sein könnten?Wiesemann: Grundsätzlich steht ein Stellenabbau nicht im Vordergrund, sondern eine funktionale Integration. Dabei wollen wir unsere gemeinsame Gesellschaft effizient aufstellen und nachhaltig fit machen für künftige Herausforderungen, auch vor dem Hintergrund der Entwicklung an den Kapitalmärkten in den letzten Monaten. Im Mittelpunkt steht dabei eine deutliche Reduzierung der Kosten über beide Gesellschaften hinweg. Das wird zunächst einmal insbesondere die Sachkosten betreffen. Beispielsweise ziehen die Cominvest-Kollegen in Frankfurt gerade in die Räumlichkeiten der AGI ein. Die ersten Teams sind bereits über Ostern umgezogen. Das geht Schritt für Schritt bis Ende Juli. Natürlich werden wir uns auch die Personalkosten genau anschauen, aber es gibt kein explizites Personalkostenziel.- Bei den Deutsche-Bank-Töchtern DWS und DB Advisors fallen 75 Stellen weg. Wird es bei Ihnen mehr oder eher weniger?Eich: Die DWS muss, wie wir auch, auf die Krise reagieren, insbesondere darauf, dass durch die Entwicklung an den Märkten das verwaltete Vermögen signifikant gesunken ist. Wir müssen zudem noch die Integration der Cominvest bewältigen und damit auch Duplizitäten im gemeinsamen Geschäftsmodell beseitigen. Sie können daher davon ausgehen, dass Personalveränderungen im Umfang von 75 Stellen bei uns nicht ausreichend sind.- Also das Doppelte?Eich: Eher mehr, wobei wir aber – wie gesagt – keine Diskussion über die Anzahl der abzubauenden Mitarbeiter führen, weil das expressis verbis keine Managementvorgabe ist.- Haben Sie sich bei den Sachkosten ein konkretes Einsparziel gesetzt?Wiesemann: Wir wollen über die nächsten zwei bis drei Jahre eine Cost-Income-Ratio von 60 % wiederherstellen. 2008 lag diese bei 70 %.Eich: Ursache hierfür war das schwache vierte Quartal. Aber auch derzeit ist die Lage nicht besser, sondern hat die Cost-Income-Ratio weiter beeinträchtigt.- Zusammen mit der Cominvest haben Sie nun 500 Publikumsfonds. Von mindestens 100, die aufgelöst werden sollen, war schon die Rede. Haben Sie mittlerweile konkretere Vorstellungen?Eich: Wir werden in der Tat mindestens 100 Fonds schließen, einen großen Teil davon bereits in 2009. Der Prozess wird sich aber bis 2010 hinein hinziehen, in seinen letzten Verästelungen vielleicht noch bis Anfang 2011.Wiesemann: Ziel dabei ist es, eine umfassende und bedarfsgerechte Produktpalette zu schaffen, die für die Anleger überschaubar und für uns effizient zu managen ist. Bei beiden Häusern gibt es aus historischen Gründen einige Überlappungen. Diese werden wir bereinigen.- Gibt es dabei Schwerpunkte?Eich: In dem jetzigen Marktumfeld müssen wir unsere Bilanz und Ertragssituation durch gezielte Kostenreduzierungen verbessern. Auch ist bei einigen Produkten der Anteil der fixen Kosten im Vergleich zum Fondsvolumen derart angestiegen, dass die daraus resultierende Performance für Investoren unattraktiv geworden ist; da müssen wir ran. Die Frage der Kostensenkung stellt sich dabei in vielerlei Dimension. So haben wir Produkte mit aufwendigem Research oder einer komplizierten Portfoliokonstruktion, bei denen sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Ertrag stellt.- Das heißt, Sie machen nicht unbedingt Fonds für Themen wie Bankenaktien zu, nur weil die derzeit schlecht laufen oder zu klein sind?Eich: Ein großer Fonds muss nicht notwendigerweise profitabel sein, und umgekehrt kann ein kleiner Fonds durchaus kostengünstig verwaltet werden. Daher müssen wir jeden einzelnen Fonds tiefergehend analysieren. Eine rein auf die Anzahl und Größe der Fonds beschränkte Diskussion wäre also nicht sachgerecht. Es ist zudem auch nicht so, dass die Schließung eines Fonds unmittelbar Kosten freisetzen kann.Wiesemann: Die andere Perspektive dabei ist, dass wir für unsere Kunden und Vertriebspartner auf der Produktebene weitgehend Kontinuität gewährleisten wollen. Das gilt etwa für die Flagschiffprodukte der Cominvest oder die Produkte, die vor der Einführung der Abgeltungsteuer bei der Cominvest im Fokus standen. Diese Angebote werden wir selbstverständlich erhalten.- Wie sind die ersten vier Monate für Ihr Haus gelaufen?Wiesemann: Wir haben bisher gut 2 Mrd. Euro an Netto-Mittelzuflüssen einsammeln können. In erster Linie waren diese Zuflüsse jedoch von Institutionellen getragen. Die privaten Anleger haben sich vor dem Hintergrund der starken Schwankungen an den Märkten zurückgehalten.- Wird dies so bleiben?Wiesemann: Die privaten Gelder sind nach wie vor zu einem großen Teil in Geldmarktprodukten und Einlagen geparkt. Das heißt derzeit, dass sich diese Gelder für die Kunden im Zuge der allgemeinen Zinsentwicklung tendenziell immer niedriger verzinsen. Die große Frage in diesem Jahr wird sein, welche Anschlussinvestitionen kann ich machen. Wir rechnen damit, dass konservative und risikokontrollierte Produkte im Vordergrund des Anlegerinteresses stehen werden.- Wie lautet Ihre Prognose für dieses Jahr?Wiesemann: Wir haben uns, wie in den Vorjahren, vorgenommen, an den Nettomittelzuflüssen der Branche über alle Vehikel hinweg einen Anteil zu halten, der unserem jetzigen Marktanteil entspricht. Das sind zusammen mit der Cominvest etwa 20 %.- Das heißt, Sie rechnen sowohl im privaten als auch im institutionellen Geschäft mit positiven Nettozuflüssen? Denn es ist nicht davon auszugehen, dass Sie von den Abflüssen auch einen Anteil von 20 % haben wollen.Wiesemann: Ich rechne damit, dass der Gesamtmarkt am Ende des Jahres positiv sein wird.Eich: Für den Gesamtmarkt kann man das sicherlich sagen. Wie das in den einzelnen Segmenten ausschauen wird, wird sich zeigen.- Was heißt das konkret?Eich: 2009 wird sicherlich ein schwieriges Jahr. Die Verunsicherung bei den privaten Anlegern scheint mir relativ groß zu sein. Die komplexen Themen, die derzeit im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise öffentlich diskutiert werden, sind schwere Kost für viele Menschen, nur schwer nachvollziehbar und helfen auch nicht, Vertrauen zu bilden. Dass dies letztlich zu einer Risikoaversion führt, ist durchaus verständlich. Ob sich daran bis zum Jahresende 2009 etwas ändern wird, wird sich zeigen. Zweifel sind aber angebracht.- Haben sich durch die Übernahme der Cominvest die Vertriebskanäle im Privatkundengeschäft und deren Anteile zueinander verändert? Ist es weiterhin die Drittelung zwischen Bank-, Versicherungs- und Drittvertrieb?Wiesemann: Die Gewichte der Vertriebskanäle untereinander sind geblieben und werden auch künftig ungefähr in diesem Verhältnis zueinander stehen.- Was sind die nächsten Schritte bei Ihrem Joint Venture Dealis?Wiesemann: Wir sind gerade dabei, das Fondsbuchhaltungssystem auf die Anforderungen der DekaBank zu konfigurieren. Dafür benutzen wir die IT-Plattform Simcorp, die wir vor einigen Jahren bereits bei der AGI implementiert haben. Planmäßig werden wir jetzt im zweiten Halbjahr die ersten Deka-Fonds auf die Plattform transferieren. Dieser Prozess soll bis Anfang 2011 dauern. Frühestens im zweiten Halbjahr 2009 könnten dann auch Cominvest-Fonds dazu stoßen. Über Nacht ist damit der größte Anbieter im Bereich der Fondsadministration entstanden. Und das muss auch noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.- Wer könnte noch dazustoßen? Gibt es Gespräche?Wiesemann: Wir sind jetzt erst einmal mit den drei Partnern gut beschäftigt. Aber perspektivisch macht das aus einer Industrielogik heraus Sinn, dass man weitere Gespräche führt, etwa mit anderen mittelgroßen bis großen Gesellschaften. Spezialisierung spielt im Back-Office-Bereich eine zunehmende Rolle, es geht dabei nicht nur um Effizienzvorteile. Denn die Komplexität der Portefeuilles hat über die Jahre zugenommen. Zudem sind die Anforderungen der internationalen Rechnungslegung an die Fondsbuchhaltung stark gestiegen. Für sich genommen ist Dealis aber bereits weit über die kritische Masse hinaus. —-Das Interview führten Silke Stoltenberg und Stefanie Schulte.