Immobilienmanager "naiv" bei Bewertungsfragen
Von Ulli Gericke, BerlinDie Trends sind eindeutig: Auch wegen der Turbulenzen an den globalen Kapitalmärkten haben Immobilien heute ein größeres Gewicht in den Gesamtvermögen institutioneller Investoren als noch vor wenigen Jahren. Zugleich ist zu beobachten, dass anders als in der Vergangenheit viele Versicherer, Pensionskassen und Family Offices statt direkter Investments inzwischen indirekte Anlagen in offene Immobilienfonds oder GmbH & Co KGs präferieren – wobei deren Investitionen oftmals weltweit getätigt und in Büro-, Einzelhandels- und Wohnimmobilien diversifiziert werden.Doch so vorteilhaft diese breite Anlagestreuung auch ist. Wer fasst alle die unterschiedlichen Investments zusammen, erfasst die Fondsanteile, summiert die Finanzierungen samt Restlaufzeiten, gewichtet die Länder- und Währungsrisiken und addiert die Leerstände von Gewerbe- und Wohnflächen, wie es Risikocontroller heute fordern? “Das Herz eines Immobilienmanagers schlägt bisher vorwiegend auf der Immobilienseite, etwa bei Allokationen in einzelnen Ländern”, erklärt Stefan Stute im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dagegen beobachtet der Geschäftsführer des IMC Privatinstituts für Immobiliencontrolling eine “mangelnde Sensibilität”, im Einzelfall sogar eine gewisse “Naivität” der Immobilienspezialisten bei Bewertungsänderungen und deren Auswirkungen auf die Portfolien. Aktive RisikosteuerungDie Kölner haben in den vergangenen zwei Jahren zusammen mit einem mittelgroßen Versicherungsunternehmen eine Struktur aufgebaut, mit der quartalsweise auf standardisierter Basis das gesamte Immobilienportfolio bewertet werden kann – und zwar angefangen bei der kleinsten vermietbaren Einheit bis zum Fonds nach Luxemburger Recht oder der GmbH & Co KG nach HGB-Regeln. “Die aktive Risikosteuerung erfordert eine systematische Erfassung von Daten und Informationen aller Immobilieninvestments in normierten Strukturen”, mahnt Stute, da nur so Klumpenrisiken erkannt und Stressszenarien kalkuliert werden könnten. Ein solcher konsolidierter Gesamtimmobilienreport sei schließlich nicht nur für die Festlegung der Anlagestrategie notwendig, sondern auch für die Einbindung der Assetklasse Immobilie in die Gesamtsteuerung aller Kapitalanlagen – “ein Controller muss wissen, wie viele Fristigkeiten und offene Währungsrisiken er hat”.Dass IMC bei der Ermittlung dieser Angaben in die Tiefe geht, zeigt die Auflistung der quartalsweise erhobenen Daten. Diese umfassen nicht nur die Allokation in verschiedenen Märkten – Europa, Asien, USA -, sondern auch die gesonderte Sicht auf einzelne Städte (“wo gelegen, wie genutzt”), das dortige Mietniveau, Leerstandsquoten und Mietvertragsrestlaufzeiten bis zur Branchenverteilung der jeweiligen Mieter.Die Anteile Eigen- zu Fremdkapital werden gewichtet, das Zinsexposure hinzugeführt und mit den Währungsrisiken kombiniert. Anhand der Mittelzusagen, der Abrufe und der verbleibenden offenen Verpflichtungen werden somit die Vermögens- und Reservenentwicklung gezeigt und je nach Core- oder Value-Added-Investment aufgeführt. In toto ergeben sich daraus eine Auflistung von Bruttovermögen, Verschuldung und Nettovermögen sowie beim Vergleich mit den Buchwerten die anteiligen Marktwerte und ihre Entwicklung über die vergangene Zeit bei sämtlichen direkten und indirekten Fondsanlagen. “Nur wenn die Immobilie, deren Finanzierung und die Währung zusammen betrachtet werden, kann das Risiko erkannt werden”, betont Stute – “wir haben die Anforderungen der Risikocontroller bei Aktien und Anleihen 1 : 1 auf die Immobilienanlage übertragen”. Dabei zeigt sich der IMC-Chef nicht ohne Stolz, erstmals als Externer den in unterschiedlichen Anlagevehikeln investierenden Spezialfonds und GmbH & Co KG einen quartalsweisen Überblick über ihr Gesamtvermögen zusammenstellen zu können. Innerhalb von Dachfonds gebe es zwar ähnliche Reportinggrundsätze – allerdings auch heftige Widerstände einzelner Fondsmanager, dem möglicherweise konkurrierenden Masterfondsverantwortlichen alle Geschäftsdaten zur Verfügung zu stellen.Stute beobachtet, dass die einzelnen Fonds zwar auch schon in der Vergangenheit mehr oder weniger ausführliche Reportings abgeliefert hätten, “aber mit unterschiedlichen Inhalten, unterschiedlichen Berechnungsmethoden und zu unterschiedlichen Stichtagen”. Da Immobilien je nach Lage unterschiedliche Werte hätten, sei die genaue Erhebung umfassender Angaben nötig. Nach einem “längeren Lernprozess” würden inzwischen auch alle mandatierten Fondsmanager alle benötigten Daten sechs bis acht Wochen nach Quartalsende zur Verfügung stellen, lobt der IMC-Geschäftsführer – nicht ohne den Hinweis, dass je exotischer der Anlageort, desto schwieriger sei es, die benötigten Zahlen und Fakten zu bekommen. Erneute WertkorrekturenDie bisherigen Erfahrungen zeigten, dass die “gefühlte” Immobilienallokation bei fast allen Managern wesentlich geringere Fremdfinanzierungsbelastungen und Zinssensitivitäten, niedrigere Leerstandsraten, aber längere Restlaufzeiten bei den Mietverträgen vermuten ließen – “es ist einfach wichtig, belastbare Informationen zu haben”, sieht sich Stute gestärkt, der gleichzeitig registriert, dass die Eigenkapitalunterlegung neuer Investments in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen ist.Zum Teil, weil die Banken die benötigte Refinanzierung nicht mehr zur Verfügung stellen. Aber auch, weil bei einer zu knappen Eigenkapitalausstattung mögliche zusätzliche Verkehrswertberichtigungen böse Folgen hätten, weil Covenants gerissen würden. In diesem Zusammenhang fürchtet Stute, dass die wegen der angespannten Wirtschaftslage absehbar anstehenden Mietpreissenkungen in diesem und im nächsten Jahr nochmals zu Wertkorrekturen führen könnten.