Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Frank Grell

In Restrukturierungen muss Mezzanine nicht rechtlos sein

Draußen, wenn Unternehmenswert voll auf vorrangiges Fremdkapital entfällt

In Restrukturierungen muss Mezzanine nicht rechtlos sein

– In Restrukturierungen gehen Mezzanine-Kapitalgeber oft leer aus. Herr Grell, sind sie tatsächlich ganz und gar rechtlos?Nein, das sind sie nicht. Wir haben in Restrukturierungen für von uns vertretene Mezzanine-Kapitalgeber gute Ergebnisse erzielt. Dabei wird das Mezzanine-Kapital in der Krise natürlich seinem Risikoprofil entsprechend behandelt.- Dennoch ist unbestreitbar, dass Mezzanine-Kapitalgeber oft leer ausgegangen sind. Haben die etwas falsch gemacht?Es geht hier nicht um falsch oder richtig. Es kommt darauf an, ob die Kreditdokumentation die Senior-Kreditgeber in die Lage versetzt, ohne große Anstrengungen, etwa im Wege einer Sicherheitenverwertung, die Mezzanine-Forderungen und -Sicherheiten zum Erlöschen zu bringen. Wenn das eindeutig möglich ist, ist die Verhandlungsposition des Mezzanine naturgemäß deutlich schwächer. Mitunter aber ist die Lage weniger eindeutig, und gerade dann ist auch aus der Sicht der Senior-Kreditgeber die konsensuale Lösung vorzugswürdig. Ohne Erlass der nachrangigen Mezzanine-Forderungen scheitert auch die Restrukturierung der Senior-Forderungen jedenfalls dann, wenn sie mit Forderungsverzicht verbunden ist, die dem Mezzanine zugutekämen.- Mitunter sprechen Senior-Kreditgeber nicht mal mit Mezzanine – was halten Sie davon?Auch bei einer starken Position der Senior-Kreditgeber ist eine konsensuale Lösung vorzugswürdig. Anderenfalls ist das Management gezwungen zu beurteilen, ob die Position so stark ist, dass die Restrukturierung auch gegen den Widerstand des Mezzanine gelingt. Wenn das Management hier Zweifel hat, muss es sich fragen, ob eine Fortführungsprognose besteht, mit der es der Insolvenzantragspflicht entgehen kann.- Letztlich geht es doch darum, dem Mezzanine den Lästigkeitswert abzukaufen?Wir versuchen, die Situationen weniger eindimensional zu betrachten. Mezzanine-Kapitalgeber können in Restrukturierungen notwendige neue Liquidität bereitstellen.- Wovon hängt die Bereitschaft zum Nachschuss ab?Entscheidend ist die Einschätzung der Chancen und Risiken des neuen Investments, letztlich also eine Bewertungsfrage.- In Bewertungsfragen kommt man an IMO Car Wash doch nicht vorbei.Das ist in der Tat eine bedeutende Entscheidung des High Court in London. Da wir an dem Fall beteiligt waren, nur allgemein: Die Entscheidung zeigt, wie sehr es gerade bei nach englischem Recht betriebenen Restrukturierungen für die Mezzanine-Kapitalgeber darauf ankommt zu zeigen, dass ihr Investment “im Geld” und nicht “unter Wasser” ist.- Und das heißt?Nach englischem Recht kann bei der Abstimmung über eine Restrukturierung ein nachrangiger Fremdkapitalgeber außer Betracht gelassen werden, wenn der im Wege der Sicherheitenverwertung zu erzielende Wert des Unternehmens vollständig auf die vorrangigen Fremdkapitalgeber entfällt, der Wert also “im Senior bricht”.- Hat die Entscheidung Bedeutung auch für Deutschland?Wir erleben täglich, dass Kredite deutscher Unternehmen englischem Recht unterliegen und sie sich in Restrukturierungen nach englischem Recht wiederfinden. Wir haben jüngst die erste erfolgreiche Restrukturierung eines deutschen Unternehmens nach US-Recht abgeschlossen. Auch dort spielen derartige Bewertungsfragen eine Rolle. Auch nach deutschem Recht wird sich ein Sicherheitenagent schwertun, die Interessen von nachrangigen Kapitalgebern zu übergehen, soweit deren Investment werthaltig ist.- Welche Bedeutung hat es, wenn Kapitalgeber im Senior und im Mezzanine investiert sind ?Sowohl bei dem Ausloten der Chancen für eine konsensuale Restrukturierung also auch für die Ermittlung der notwendigen Mehrheiten für Abstimmungen bei nicht konsensualen Restrukturierungen haben solche Cross-Holdings eine entscheidende Bedeutung. Bestehende Kreditdokumentationen enthalten meist keine Beschränkung für das Stimmrecht von Institutionen, die auch in anderen Klassen investiert sind.—-Frank Grell ist Partner von Latham & Watkins. Die Fragen stellte Walther Becker.