ASSET MANAGEMENT - GASTBEITRAG

Infrastruktur - unterschätztes Potenzial zur Risikostreuung

Börsen-Zeitung, 20.3.2012 Spätestens Markowitz hat es salonfähig gemacht: Die Rede ist vom Prinzip der Diversifikation, also dem strategische Streuen eines Anlagevermögens über verschiedene Anlageklassen. Und obwohl die Erkenntnis keineswegs jung...

Infrastruktur - unterschätztes Potenzial zur Risikostreuung

Spätestens Markowitz hat es salonfähig gemacht: Die Rede ist vom Prinzip der Diversifikation, also dem strategische Streuen eines Anlagevermögens über verschiedene Anlageklassen. Und obwohl die Erkenntnis keineswegs jung ist, ist sie in der Praxis in Deutschland noch immer nicht so weit verbreitet, wie es ihr eigentlich zustünde.Hinzu kommt: In solchen Fällen, in denen diversifiziert wird, werden einige Anlageklasse nach wie vor eher stiefmütterlich behandelt – jüngstes Beispiel: Infrastrukturinvestments. Dahinter verbirgt sich ein breites Spektrum an “Immobilien”-Assets, die attraktive Investmentalternativen mit individuellen Rendite-Risikoprofilen bieten. Dazu gehören Stromnetze, Photovoltaikanlagen, Windenergieanlagen, Kavernen- und Porenspeicher oder Tanklager. In den KinderschuhenNoch steckt der professionelle Umgang damit unter Investmentgesichtspunkten in Deutschland in den Kinderschuhen. Dabei spricht einiges dafür, dass Investoren Stromnetze und Co. stärker in ihr Investitionskalkül einbeziehen sollten. Beispiel Poren- und Kavernenspeicher: Neben ihren klassischen Funktionen als Speichermedien fossiler Brennstoffe spielen sie eine wichtige Rolle bei der derzeit aktuellen Frage, wie mit überschüssiger Energie aus Solar- oder Windkraft umgegangen werden soll. Denn mithilfe von Poren- und Kavernenspeichern besteht die Chance, die überschüssige Energie in Gas umzuwandeln und in eben solchen Kavernen zu speichern. Nur ein Fünftel diversifiziertEtliche in den letzten Jahren publizierte Studien zeigen auf, dass die Diversifikation als Instrument der Risikosteuerung noch längst nicht von allen Investoren ausreichend genutzt wird. Bei der Frage, in wie viele unterschiedliche Anlageklassen sie investierten, zeigte sich vor einiger Zeit, dass fast ein Viertel der Befragten bei gerade einmal einer oder zwei Anlageklassen landen. Rund 35 % setzen auf drei Anlageklassen. Nur 20 % der Investoren verfügen über ein sehr gut diversifiziertes Portfolio mit fünf oder sechs Anlageklassen. Und hier hat Markowitz eben doch recht: Das Risiko durch diversifizierte Anlagestrategien lässt sich im besten Fall etwa um das Fünffache im Vergleich zu sehr konzentrierten Portfolios senken.Wichtig beim Blick auf die Anlageklasse Infrastruktur ist, dass die relativ hohen Renditen keineswegs mit einem signifikant höheren Anlagerisiko in Form einer höheren Volatilität der Erträge verbunden sind. Tatsächlich deuten die Ergebnisse verschiedener Studien darauf hin, dass die Performance von Infrastrukturanlagen – nicht zuletzt aufgrund des eingeschränkten Wettbewerbs und der geringen Elastizität der Nachfrage – nur mäßigen konjunkturellen Schwankungen ausgesetzt ist.Wie sehr sich das Anlagerisiko durch Diversifikation senken lässt, hängt naturgemäß nicht nur von der Zahl, sondern auch der Wahl der unterschiedlichen Anlageklassen ab. Je nach Korrelation können Diversifikationseffekte stärker oder schwächer risikomindernd wirken. Geringe KorrelationGroßes Potenzial sehe ich in Infrastruktur-Investitionen. Eine Studie an der International Real Estate Business School (IREBS) an der Universität Regensburg hat ergeben, dass sie Portfoliorisiken um bis zu 20 % senken können. Einer der Gründe liegt in der geringen Korrelation von Infrastrukturinvestments zu fast allen anderen Anlageklassen. Bei Aktien, Rohstoffen und Staatsanleihen ist die Korrelation den Studienverfassern zufolge sogar negativ.Die Autoren der Studie stellen fest, dass angelsächsische Investoren sich schon länger mit dem Thema beschäftigten – entsprechend seien hier auch schon teilweise relativ hohe Anteile in den Portfolios vorhanden. Die Rede ist von einer Allokation in Höhe von bis zu 15 %. In Deutschland jedoch ist das Thema noch lange nicht auf der Tagesordnung angekommen. Es mangelt vielen Investoren hierzulande noch an Erfahrung – offensichtlich erleben wir hier die paradoxe Situation, dass das Risiko gescheut wird, hier der “first mover” zu sein, und damit die Chance vertan wird, Risiken im Portfolio zu mindern. Sechs verschiedene ClusterDabei gilt: “Das” Infrastrukturinvestment gibt es nicht. Wir sehen sechs unterschiedliche Infrastrukturcluster, die die Bereiche Verkehr, Kommunikation, Energie, institutionelle Infrastruktur, soziale Infrastruktur sowie Infrastruktur der Ver- und Entsorgung umfassen. Die Chancen und Risiken stellen sich je nach konkretem Projekt unterschiedlich dar.Investitionen ins deutsche Stromleitungsnetz beispielsweise versprechen einen garantierten Zinssatz auf das eingesetzte Eigenkapital (bei Eigenkapitalquoten von bis zu 40 %). Entsprechend stabil sind die Cash-flows. Allerdings sind die Markteintrittsbarrieren für Newcomer hier sehr hoch. Für das Gasleitungsnetz gilt der garantierte Zinssatz analog, als Schwäche offenbaren sich hier aber beispielsweise hohe Anfangsinvestitionen beim Ausbau des Netzes. Bonitätsstarke MieterEine Stärke von Investments in Anlagen zur großvolumigen Gasspeicherung in Untertagespeichern wie Poren- und Kavernenspeichern hat den Vorteil, dass dies üblicherweise mit langen Verträgen bonitätsstarker Mieter verbunden ist. Ein möglicher Nachteil sind aber auch hier die hohen Investitionskosten. Hinzu kommen generelle Risiken, die für nahezu jedes größere Bauprojekt gelten – wie beispielsweise der Widerstand der Bevölkerung gegen die Genehmigung neuer Anlagen.Insgesamt sehe ich in Deutschland große Chancen für die Investoren im Energieinfrastruktursektor – dies folgt implizit aus der Energiewende. Die sukzessive Abkehr von der Atomkraft und den fossilen Energieträgern soll durch den Ausbau erneuerbarer Energien kompensiert werden, insbesondere der Windkraft. Die Umsetzung des Energiekonzeptes erfordert dabei die Entwicklung geeigneter Energiespeicher, damit eine gleich bleibende Spannung im Stromnetz gewährleistet werden kann.Die Power-to-Gas-Technologie – also das bereits angesprochene Speichern überschüssiger Energie über das Medium Gas – scheint dabei die besten Perspektiven aufzuweisen. Nähert man sich der Option “Investieren in Energieinfrastruktur” aus der Makroperspektive, definiert sich das Chancenprofil unter anderem durch einen hohen Reinvestitionsbedarf bei angespannten Haushaltskassen und natürlich durch die aktuell geringen Renditeerwartungen in den traditionellen Assetklassen. Hohe RenditenHinsichtlich der Investmentcharakteristika zeichnen sich Infrastrukturanlagen durch relativ hohe risikoadjustierte Renditen und eine geringe Korrelation der Performance-Entwicklung zu anderen Anlageklassen aus. Sie eignen sich somit zur Diversifikation von Vermögensportfolios.