Klimapolitik

Innovationen tragen wesentlich zum Klimaschutz bei

Als Spitzenverband der deutschen Industrie unterstützt der BDI eine ehrgeizige Klimapolitik. Ehrgeizige politische Ziele allein garantieren jedoch nicht, diese Ziele auch technisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich zu erreichen. Notwendig ist...

Innovationen tragen wesentlich zum Klimaschutz bei

Als Spitzenverband der deutschen Industrie unterstützt der BDI eine ehrgeizige Klimapolitik. Ehrgeizige politische Ziele allein garantieren jedoch nicht, diese Ziele auch technisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich zu erreichen. Notwendig ist eine Koordination, die Klima- und Industriepolitik eng miteinander verbindet. Das erhöht die Chancen erfolgreicher Umsetzung.

Am 16. März hat das Bundesumweltministerium die Klimabilanz für das Jahr 2020 vorgelegt. Danach sind die Emissionen in Deutschland gegenüber 1990 um fast 41% zurückgegangen. Klar ist, dass die Corona-Pandemie für einen gewissen kurzfristigen Rückgang der Emissionen verantwortlich war. Der größere Anteil – rund zwei Drittel – wurde jedoch durch Investitionsanstrengungen von Wirtschaft und Gesellschaft erzielt.

Erhöhter Handlungsdruck

Dieser Kraftakt wird zusehends schwerer, da im internationalen Wettbewerb keine vergleichbaren Klimaziele in naher Zukunft absehbar sind. Die Ankündigungen Chinas, der USA und Japans für Langfristziele sind zwar erste positive Zeichen, noch fehlen aber konkrete Taten. Statt auf das Jahr 2050 konzentriert sich die Europäische Union (EU) inzwischen mit ihrem Ziel bereits auf das Jahr 2030. Das erhöht den Handlungsdruck und verschärft die Wettbewerbssituation für die Industrie zusätzlich.

Ambitionierte Ziele

Die EU setzt mit einem neuen verbindlichen innereuropäischen Net­to-Treibhausgasminderungsziel von mindestens 55% bis 2030 im Vergleich zu 1990 weltweit erneut Maßstäbe. Laut Europäischer Kommission sind dafür jährlich mehr als 200 Mrd. Euro zusätzlicher Investitionen notwendig.

Für Deutschland wird sich das Klimaziel voraussichtlich um 10 bis 15 Prozentpunkte auf 65 bis 70% erhöhen. Das bedeutet mindestens eine Verdoppelung der jährlichen Minderungen gegenüber dem bisherigen Ziel. Ohne international gleichwertige Wettbewerbsbedingungen würde sich die Verlagerung von Investitionen aus Europa heraus erhöhen – und anschließend die bloße Verlagerung von Emissionen erfolgen (Carbon Leakage). Deshalb ist es fundamental, die Rahmenbedingungen schnellstmöglich anzupassen.

Eine Herkulesaufgabe

Um den verschärften Anforderungen gerecht zu werden, muss Europa weitgehende strukturelle Reformen ergreifen. Dabei geht es etwa um die Energiebesteuerung, das öffentliche Beschaffungswesen oder den Carbon-Leakage-Schutz: Das wird eine Herkulesaufgabe.

Lediglich die Hälfte der Mitgliedstaaten hat oder plant eine CO2-Bepreisung für die Sektoren Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft. Dies führt zu Marktverzerrungen innerhalb Europas. Das Kurzfristziel bis zum Jahr 2025 sollte daher eine Harmonisierung der verschiedenen CO2-Preisregimes sein. Mittelfristig – spätestens bis etwa 2035 – brauchen wir international vergleichbare CO2-Preise. Dafür müssen die USA und China ins Boot geholt werden.

Solange es international keine vergleichbaren CO2-Preissignale gibt, muss die Politik für gleichwertige Wettbewerbsbedingungen durch Carbon-Leakage-Schutzmaßnahmen sorgen. Auf keinen Fall dürfen innereuropäische klimapolitische Maßnahmen zu neuen Handelskonflikten führen. Ein gemeinsamer CO2-Preis ist deshalb die erste Wahl – und jeder Form von Grenzausgleichsmechanismus vorzuziehen.

Balance erforderlich

Mit dem Europäischen Emissionshandel gibt es ein Instrument, das nachweislich zur überproportionalen Minderung von Emissionen beiträgt. In zahlreichen Reformen wurde das System jedoch immer komplexer. Die Europäische Kommission steht damit vor der Herausforderung, den europäischen Emissionshandel an die neuen Bedingungen anzupassen, ihn aber gleichzeitig nicht zu überfrachten und ausreichend Carbon-Leakage-Schutz sicherzustellen. Notwendig ist eine Balance zwischen Investitionsanreiz und Standortsicherung.

Im Rahmen der Reform wäre die Aufstockung des Innovationsfonds erstrebenswert. Bei der ersten Ausschreibung wurde ein Finanzbedarf registriert, der 22-mal höher als das verfügbare Budget war. Mit der Erhöhung der 2030er Klimaziele durch die EU werden deutlich mehr finanzielle Ressourcen benötigt für CO2-arme Technologien in den am Europäischen Emissionshandel ETS beteiligten Sektoren und insbesondere in der Industrie. Eine Aufstockung des Innovationsfonds könnte zumindest einen Teil des Finanzbedarfs decken.

Der Betrieb CO2-armer Schlüsseltechnologien ist heute oft schon technisch möglich, jedoch ist er aufgrund hoher Investitions- und Betriebskosten im internationalen Wettbewerb nicht wirtschaftlich. Die Vermeidungskosten liegen weit über den Preisen im europäischen und nationalen Emissionshandel. Für die teureren klimaneutralen Produktionsprozesse existiert in der Regel noch kein Markt. Es bedarf deshalb staatlicher Rahmenbedingungen, welche die Mehrkosten für die großflächige Anwendung der neuen CO2-armen be­ziehungsweise -freien Technologien in der Industrie ausgleichen.

Durch die rasche Einführung von sogenannten Carbon Contracts for Difference (CCfD) sollten techno­logiespezifische Vermeidungskosten für die Industrie planbar und zeitlich begrenzt ausgeglichen werden. Hierbei ist wichtig, die Erfahrungen mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu beherzigen. Deshalb sollte die EU auch die Nachfrage nach grünen Produkten ankurbeln.

Ein kluges Signal

Die Integration von Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungskriterien in das Finanzsystem ist ein kluges Signal auf dem Weg in eine nachhaltigere Wirtschaft. Die Taxonomie-Verordnung soll eine besondere Rolle einnehmen. Sie gibt Finanzierern ein Klassifizierungssystem an die Hand, das bei der Beurteilung von Nachhaltigkeitsaspekten unterstützen soll. Genau genommen liefert sie Definitionen, wie Wirtschaftsaktivitäten zukünftig aussehen müssen, um als nachhaltig gelten zu dürfen.

Obwohl die Errichtung eines Klassifizierungssystems grundsätzlich zu begrüßen ist, führen die vielen noch offenen Fragen in der Industrie derzeit zu einer großen Verunsicherung. Denn gerade jetzt benötigen die Unternehmen klare Perspektiven, wie Finanzierungsmöglichkeiten der nächsten Jahre aussehen werden. Ziel muss sein, dass jedes Unternehmen, das die Transformation mitgestalten will, hierfür die benötigten finanziellen Mittel erhalten kann.

Die Ergänzung der Finanzberichterstattung durch eine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung wird aktuell als grundlegendes Mittel für eine nachhaltige Kapitalallokation zur Erreichung der Klimaziele gefordert. Die seit 2016 geltenden europäischen Berichtspflichten zu nichtfinanziellen Informationen sind vielen dafür nicht ausreichend. Es wird erwartet, dass die Europäische Kommission mit der Überarbeitung der bestehenden Berichtspflichten einen obligatorischen europäischen Nachhaltigkeitsstandard, die Ausweitung der berichtspflichtigen Unternehmen und die engere Anbindung der Nachhaltigkeitsberichterstattung an die Finanzberichterstattung mit entsprechenden Prüfpflichten vorschlagen wird.

Der BDI beurteilt diese Vorschläge kritisch. Global agierende Unternehmen sind auf einen globalen Kapitalmarkt angewiesen und müssen dafür eine international anerkannte Unternehmensberichterstattung sicherstellen. Ein europäischer Nachhaltigkeitsstandard würde viel zu kurz greifen. Der BDI unterstützt ausdrücklich die Initiative zur Gründung eines internationalen Standardsetzers für Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Ausweitung der Berichtspflichten unabhängig von der Finanzierungsform muss kritisch hinterfragt werden. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen wird die Berichtspflicht eine große Belastung darstellen.

In Bezug auf die enge Anbindung der Nachhaltigkeits- an die Finanzberichterstattung muss die Politik offene Fragen zu Zielsetzung und Adressatenkreis der Berichtspflichten beantworten. Aus unserer Sicht würde eine verpflichtende integrierte Berichterstattung, verbunden mit einer Prüfpflicht, die bisherige Praxis der Unternehmen gefährden, einen separaten umfassenden Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen.

Was es zu tun gilt

Eine konsequente öffentliche Innovationsförderung ist entscheidend, will Europa Klimaschutz durch neue technische Lösungen schneller und günstiger erreichen. Technologische Durchbrüche lassen sich nicht planen, daher sollten die Rahmenbedingungen für unternehmerisch getriebene Innovation am Standort verbessert werden. Die Förderung weiterer Innovationen auch bei heute schon existierenden Schlüsseltechnologien ist unerlässlich auf dem Weg zu mehr Klimaschutz.

Bereits seit Jahrzehnten leistet die deutsche Industrie mit innovativen Technologien und Produkten einen wesentlichen Beitrag für den Schutz des Klimas. Unsere Unternehmen sind keineswegs das Problem, sondern vielmehr Problemlöser. Dass dies auch zukünftig möglich ist, um Innovation und Investitionen und damit auch Wohlstand und Beschäftigung hierzulande zu sichern, bleibt eine Aufgabe für die Politik.