Insiderhandel - Fallstricke für das Management
Von Patrick Oliver Nordhues *) Manager und Aktionäre des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS stehen derzeit nach Ermittlungen der französischen Börsenaufsicht unter dem Verdacht des Insiderhandels. Sie sollen sich im Wissen um drohende Lieferverzögerungen beim Airbus A380 von ihren Aktien getrennt haben. Auch der Vorstandschef und andere Manager der Air Berlin AG sind vor einiger Zeit in Insiderverdacht geraten. Sie sollen vor einem Jahr Insiderwissen über die geplante Übernahme der Fluggesellschaft DBA zum Kauf von Air-Berlin-Aktien genutzt haben. Kein Einzelfall Ermittlungen wegen angeblicher Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot sind kein Einzelfall mehr, wie der Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für das Jahr 2006 belegt. Die BaFin leitete im vergangenen Jahr 51 neue Untersuchungen wegen des Verdachts auf Insiderhandel ein und gab 24 Vorgänge an die Staatsanwaltschaften ab. Zu Verurteilungen durch ein Gericht kam es nur in elf Fällen, und obwohl das Gesetz einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren zur Verfügung stellt, sind die erfolgten Verurteilungen recht milde ausgefallen. So wurde beispielsweise der Leiter des Finanz- und Rechnungswesens der Micrologica AG wegen Insiderhandels lediglich verwarnt. Er hatte in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft und vor einer entsprechenden Ad-hoc-Meldung sämtliche von ihm gehaltenen Micrologica-Aktien veräußert und so einen Verlust vermieden.Insidergeschäfte werden nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) dann getätigt, wenn Insiderinformationen verwendet oder anderen Personen unbefugt mitgeteilt werden. Auch wer anderen Personen auf der Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren empfiehlt oder andere Personen auf sonstige Weise dazu verleitet, verstößt gegen das Insiderhandelsverbot. Beispiel GewinnwarnungUnter Insiderinformation ist eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände zu verstehen, die geeignet ist, bei öffentlichem Bekanntwerden den Börsenkurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Erforderlich sind insofern konkrete Umstände, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden. Selbst ein Gerücht kann somit eine Insiderinformation darstellen, wenn diesem Gerücht die Eignung zur erheblichen Preisbeeinflussung zuzubilligen ist. Beispiele für Insiderinformationen sind zahlreich. Insbesondere das Management börsennotierter Gesellschaften sieht sich daher in einer Vielzahl von Situationen mit dem Vorwurf des Insiderhandels konfrontiert. Hilfreich zur Einschätzung dieser Situationen ist der Emittentenleitfaden der BaFin (erhältlich unter www.bafin.de), der als eine praktische Hilfestellung für den Umgang mit den Vorschriften des WpHG die entsprechende Verwaltungspraxis der BaFin erläutert. Doch längst nicht alle Sachverhalte können mit Hilfe des Emittentenleitfadens beurteilt werden. Von dem Emittentenleitfaden nicht erläutert ist z. B. der Sachverhalt einer Gewinnwarnung. Unter einer Gewinnwarnung wird allgemein die Meldung verstanden, die eine Änderung der für einen bestimmten Zeitraum abgegebenen Prognosedaten zum Inhalt hat und hierbei insbesondere die Verringerung des vorhergesagten Gewinns vermeldet. Insoweit betrifft die Gewinnwarnung zukünftige Ereignisse und hat danach keine Tatsachenqualität. Allerdings beruht die Prognose wiederum auf Tatsachen und erfüllt damit grundsätzlich die Eigenschaften einer Insiderinformation. Besteht Uneinigkeit innerhalb des Vorstands und Aufsichtsrats über die weitere wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, so verhindert dies die Einordnung der Prognose als Insiderinformation nicht. Vielmehr liegt eine Insiderinformation vor, sobald die Organmitglieder gesicherte Kenntnis von der wesentlichen Veränderung von Parametern erhalten, die grundlegend für die Jahresprognose sind. Die einzelnen Parameter sind insofern auf ihre Eigenschaft zur Kursbeeinflussung zu überprüfen. Im Zweifel ist jedoch von dem Vorliegen einer Insiderinformation auszugehen. Verboten ist der Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren unter Verwendung einer Insiderinformation. Grundfall der Insiderpapiere sind an einer inländischen Börse zum Handel zugelassene oder in den Geregelten Markt oder in den Freiverkehr einbezogene Finanzinstrumente. Der Gesetzgeber hat den Freiverkehr als nicht reglementierten Markt ausdrücklich in die Definition der Insiderpapiere aufgenommen, da in diesem Segment verhältnismäßig viele Verstöße gegen das Verbot von Insidergeschäften feststellbar seien. Als Insiderpapiere sind jedoch auch Finanzinstrumente anzusehen, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von den oben beschriebenen Finanzinstrumenten abhängt. Damit ist insbesondere der Erwerb von Aktienoptionen im Rahmen von in der Praxis wichtigen Aktienoptionsprogrammen von dem Insiderhandelsverbot erfasst. Auch die Ausgestaltung als virtuelle Aktienoptionsprogramme in Form von sogenannten Phantom Stocks oder Stock Appreciation Rights, die kein Recht auf Bezug von Aktien, sondern lediglich einen Anspruch auf Differenzausgleich gewähren, verhindert nach umstrittener – aber überzeugender – Ansicht nicht die Einordnung als Insiderpapiere. Insofern stellt sich im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktienoptionsprogrammen für die Führungskräfte und das Management börsennotierter Gesellschaften stets die Frage nach einem verbotenen Insiderhandel. Diese Probleme lassen sich über die Ausgestaltung der jeweiligen Aktienoptionsprogramme nur bedingt lösen. So reicht die Einrichtung von vornherein festgelegter Ausübungsfenster zur Vermeidung potenzieller Insiderverstöße nicht aus. Erhält ein Teilnehmer eines Optionsprogramms während der Laufzeit des Aktienoptionsprogramms Insiderkenntnisse, ist ihm auch während der Ausübungsfenster die Ausübung der Optionen untersagt. Ein Verwenden von Insiderinformationen liegt allerdings nur dann vor, wenn die betreffende Person in Kenntnis der Information handelt und dabei die Information in ihr Handeln einfließen lässt. Daraus folgt, dass ein Insiderverstoß nicht vorliegt, wenn sich der Insider bereits vor Kenntnis der in Rede stehenden Insiderinformation zu dem Erwerb oder der Veräußerung der Insiderpapiere verpflichtet hat. Die Insiderinformation kann dann den Abschluss des Geschäfts nicht beeinflusst haben. Denkbar wäre daher, den Teilnehmern nach Ablauf der Laufzeit des jeweiligen Aktienoptionsprogramms ohne weiteres eigenes Zutun, d. h. automatisch, die Aktien bzw. den Differenzausgleich zwischen Ausübungspreis und Marktpreis, im Depot oder auf dem Konto gutzuschreiben. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob solche Optionsprogramme sich in der Praxis durchsetzen werden. InformationsweitergabeAus Sicht des Vorstands einer börsennotierten Gesellschaft ergeben sich ferner Probleme im Hinblick auf eine möglicherweise unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass innerhalb des Vorstands eine Weitergabe von Insiderinformationen stets befugt ist. Die Vorstandsmitglieder haben sich aufgrund ihrer Gesamtverantwortung uneingeschränkt über alle Vorgänge innerhalb und außerhalb der Gesellschaft zu informieren. Auch eine Weitergabe von Informationen durch den Vorstand an den Aufsichtsrat ist – soweit dies in Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung erfolgt – stets befugt. Gleiches gilt für die Informationspflichten des Vorstands gegenüber dem Betriebsrat. Zu einer Weitergabe an Mitarbeiter innerhalb des eigenen Unternehmens ist der Vorstand dagegen nur befugt, wenn dies im “normalen Rahmen der Berufs- und Geschäftsausübung” erfolgt. Ob dies der Fall ist, hat der Vorstand im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kreis der Insider vor der Veröffentlichung einer Insiderinformation so klein wie möglich bleiben sollte. Eindeutig zu beurteilen ist dagegen die Frage, ob der Vorstand im Rahmen einer möglichen Übernahme oder eines Paketerwerbs durch einen Investor diesem und dessen Beratern im Rahmen einer Due Diligence oder bei Verhandlungen Insiderinformationen zugänglich machen darf. Der Emittentenleitfaden stellt dazu klar, dass Zielgesellschaften grundsätzlich Informationen im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung an den Investor weitergeben können, auch wenn diese Insiderinformationen enthalten. Im Gegenzug ist es auch dem Investor gestattet, diese Informationen zur Vorbereitung seines öffentlichen Übernahmeangebots zu nutzen, ohne gegen das Insiderrecht zu verstoßen. Die Regelungen über den Insiderhandel stellen den Vorstand börsennotierter Gesellschaften vor vielfältige Aufgaben. Auch wenn ein Insiderhandel in der Praxis schwer nachweisbar ist, sollte stets im Einzelfall geprüft werden, ob bei dem geplanten Aktienkauf oder der Teilnahme an einem Aktienoptionsprogramm bzw. Weitergabe von Insiderinformationen die Gefahr eines Insiderverstoßes besteht. Im Hinblick auf eine spätere Rechtfertigung sollte insofern dokumentiert werden, inwieweit Kenntnis von kursbeeinflussenden Daten der Gesellschaft bestand. Gute ArgumenteÜbrigens hat zumindest das Management von Air Berlin aus rechtlicher Sicht gute Argumente, den Insiderverdacht zu entkräften: Die Führungskräfte hatten nach Abschluss einer Geheimhaltungsvereinbarung bezüglich einer möglichen Übernahme der DBA durch Air Berlin Aktien am eigenen Unternehmen (und nicht an dem Zielunternehmen) erworben. Der übliche Fall eines Insidergeschäfts sieht aber anders aus. Hier kauft das Management der zu übernehmenden Gesellschaft Aktien am eigenen Unternehmen im Hinblick auf die bevorstehende Übernahme und in Erwartung der zu zahlenden Übernahmeprämie. *) Dr. Patrick Oliver Nordhues ist Rechtsanwalt bei McDermott Will & Emery in Düsseldorf.