RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: SEBASTIAN J.M. LONGREE

Insiderinformationen können nicht über soziale Medien laufen

Verstöße gegen Ad-hoc-Pflichten lösen hohe Geldbußen aus

Insiderinformationen können nicht über soziale Medien laufen

– Herr Longrée, ein spektakulärer Fall in diesem Jahr war die Strafe von 40 Mill. Dollar für Tesla-Chef Elon Musk für eine auf Twitter verbreitete Meldung. Worauf basierte die Entscheidung der US-Börsenaufsicht SEC?Die SEC will mit dieser Strafzahlung die Anleger entschädigen, die durch den Tweet von Tesla Verluste erlitten haben. Daneben kamen auf Musk noch weitere Einschränkungen zu. Er musste seinen Posten als Verwaltungsratsvorsitzender aufgeben und darf in den nächsten drei Jahren auch nicht mehr zum Verwaltungsratschef gewählt werden. Zudem werden im Verwaltungsrat und außerhalb Kontrollen für Musk als Vorstand und seine Kommunikation nach außen installiert.- Auf welcher Basis geschah das?Hintergrund ist die Ende September von der SEC beim US-Bundesgericht Manhattan eingereichte Klage wegen Betrugs. Die SEC hat umfassende Befugnisse und darf insbesondere auch selbstständig Anklage erheben. Wegen der eindeutigen Faktenlage gingen Tesla und Musk auf die SEC zu und einigten sich mit der Behörde auf die dargestellten Strafen außergerichtlich im Sinne eines “Deals”.- In den USA dürfen kursrelevante Nachrichten auf Twitter verbreitet werden, sofern Investoren über den Veröffentlichungskanal informiert sind. Ist das auch hierzulande erlaubt?Ausgangspunkt für die Verbreitung kursrelevanter Tatsachen ist bei uns die Marktmissbrauchsverordnung MAR – Market Abuse Regulation. Eine explizite Regelung über die Veröffentlichungen von kursrelevanten Tatsachen über soziale Medien gibt es in Deutschland nicht. Der Gesetzgeber hat jedoch hinsichtlich der Art der Veröffentlichung, zur Sprache und zum Mindestinhalt der Information sowie hinsichtlich der Verbreitungsart genauere Regelungen getroffen. Nach der MAR muss der Emittent der Öffentlichkeit Insiderinformationen, die unmittelbar diesen Emittenten betreffen, unverzüglich bekannt geben. Unverzüglich bedeutet “ohne schuldhaftes Zögern”. Dabei dürfen zwar technische Hilfsmittel für die Verbreitung genutzt werden, diese müssen aber nichtdiskriminierend an eine möglichst breite Öffentlichkeit gerichtet sein. Bei sozialen Medien ist das nicht der Fall. Trotz der steigenden Nutzerzahlen hat nicht die gesamte Öffentlichkeit einen Zugang zu diesen Medienformen.- Aber soziale Medien werden doch breit genutzt?Facebook ist weit verbreitet, aber nicht öffentlich zugänglich. Twitter ist zwar frei zugänglich, hat aber eine geringere Verbreitung. Zudem lässt sich der gesetzlich geforderte Mindestinhalt in 280 Zeichen nicht darstellen. Hinzu kommt, dass die Veröffentlichung über soziale Medien keine Weiterleitung an Medien im Sinne der gesetzlichen Vorgaben ist. Tatsachen die keine Insiderinformationen darstellen können dagegen jederzeit über soziale Medien bekannt gegeben werden, sofern dadurch kein Verstoß gegen das kaptalmarktrechtliche Gleichbehandlungsgebot erfolgt oder die förmliche Veröffentlichung durch andere Vorschriften geboten ist.- Welche Strafen drohen in Deutschland, wenn Ad-hoc-Pflichten verletzt werden?Der Verstoß gegen eine Ad-hoc-Pflicht kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße belegt werden. Diese Geldbußen werden von der BaFin festgesetzt. Die Höhe des Bußgelds gegenüber natürlichen Personen beträgt bis zu 1 Mill. Euro. Gegenüber juristischen Personen ist eine Geldbuße bis zu 2 Mill. Euro oder bis zu 2 % des vorjährigen Gesamtumsatzes möglich. Obendrein kann eine Geldbuße bis zum Dreifachen des wirtschaftlichen Vorteils erfolgen. Darüber hinaus ist auch eine zivilrechtliche Haftung des Emittenten und des Vorstands möglich. Im Innenverhältnis kommt im Falle einer Pflichtwidrigkeit eine Haftung von Vorständen, Geschäftsführern und Aufsichtsräten gegenüber der Gesellschaft in Betracht.- Inwieweit erfährt die Öffentlichkeit von verhängten Geldbußen?Die BaFin hat zuletzt für den Zeitraum vom 1.7.2015 bis zum 31.12.2016 einen Bericht über die verhängten Bußgelder und die Arten der Verfahren veröffentlicht. Wegen Verstoßes gegen die Ad-hoc-Publizität wurde in diesem Zeitraum mit 215 000 Euro die höchste Einzelgeldbuße gegen ein Unternehmen verhängt. Aus diesem Bericht lässt sich das betroffene Unternehmen jedoch nicht entnehmen. Tatsächlich erfährt man lediglich vereinzelt über die Verhängung von Geldbußen über die Medien—-Dr. Sebastian J.M. Longrée ist Partner der Kanzlei Kümmerlein Rechtsanwälte & Notare. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.