Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Frank Kebekus

Insolvenzverwalter wollen Qualität steigern

Gravenbrucher Kreis für Selbstkontrolle und Revision - Recht im internationalen Vergleich "gut aufgestellt"

Insolvenzverwalter wollen Qualität steigern

Rechtsanwalt Frank Kebekus ist seit Anfang Januar 2007 Sprecher des Gravenbrucher Kreises. In ihm sind die führenden überregional tätigen Insolvenzkanzleien Deutschlands zusammengeschlossen. – Noch immer gelten Insolvenzverwalter weithin als Totengräber. Sind sie es, die im Unternehmen als Letzte das Licht ausmachen?Wir sorgen dafür, dass das Licht an bleibt. Wir sind die Notärzte, die ein Unternehmen wiederbeleben, wenn der Infarkt in Form von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten ist. Die Bundesregierung hat mit der Reform der Insolvenzordnung 1999 den Spielraum der Insolvenzverwalter erheblich erweitert, Unternehmen fortzuführen und zu sanieren. Gerade die Mitglieder des Gravenbrucher Kreises haben seitdem unter Beweis gestellt, dass insolvente Unternehmen wieder auf die Beine zu stellen sind und die Interessen der Gläubiger gewahrt werden können. – Gibt es definierte Kriterien, nach denen die Gerichte Insolvenzverwalter bestellen?Nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist Bewegung in die Bestellpraxis der Gerichte gekommen. Ein einheitliches System hat sich noch nicht ergeben. Von Bedeutung wird in diesem Zusammenhang die Empfehlung der Uhlenbruck-Kommission sein, die in Kürze veröffentlicht wird. Mit dieser Kommission, in der auch der Gravenbrucher Kreis vertreten war, haben alle Beteiligten an Insolvenzverfahren auch dieses Thema erörtert. Ich gehe davon aus, dass diese Vorschläge auch beim Gesetzgeber auf Resonanz stoßen. Im Ergebnis dürfte es dabei bleiben, dass die Bestellung im Einzelfall ins richterliche Ermessen gestellt wird. – Der Gravenbrucher Kreis als Forum der führenden Insolvenzverwalter Deutschlands hat sich jüngst in die Debatte um die Professionalisierung der Insolvenzverwalter eingeschaltet. Was sind Ihre Ziele? Die Mitglieder des Gravenbrucher Kreises streben nach einer qualitativ hochwertigen Insolvenzverwaltung mit dem Schwerpunkt der Unternehmenssanierung. Wo immer es die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen zulassen, streben wir eine übertragende Sanierung oder die Reorganisation des insolventen Unternehmensträgers an. – Welche Anforderungen muss ein Insolvenzverwalter erfüllen? Was macht einen professionellen Insolvenzverwalter aus?Ein Insolvenzverwalter ist ein Top-Manager auf Zeit, der mit seinem Experten-Team das insolvente Unternehmen wieder auf Kurs bringen kann. Neben dem insolvenzrechtlichen Wissen sind kaufmännisch-unternehmerische Fähigkeiten wichtig. Dazu zählen auch der richtige Umgang mit Menschen in schwierigen Situationen und bei konfliktträchtigen Entscheidungen sowie das Beherrschen von Instrumenten für die interne und externe Kommunikation. Der Insolvenzverwalter muss über Infrastruktur verfügen, mit der er ein effizientes Controlling gewährleisten kann. Nur mit eingespielten Netzwerk kann er auch größere Insolvenzen bewältigen. – Die Globalisierung macht vor Insolvenzverfahren nicht halt. Was sind die Konsequenzen daraus?Der Insolvenzverwalter muss mit seinem Team bei größeren Insolvenzen nicht mehr nur an verschiedenen Standorten in Deutschland tätig werden, sondern oft genug auch an verschiedenen Orten der Europäischen Union und darüber hinaus. Wir brauchen deshalb Kanzleien, die im internationalen Wettbewerb bestehen können – nicht nur in der Insolvenzverwaltung, sondern auch in der vorinsolvenzlichen Beratung und Restrukturierung. Dies erfordert eine Professionalisierung, wie sie in anderen Ländern seit längerem existiert. – Nach Ansicht einiger internationaler Investoren ist das angelsächsische Insolvenzrecht berechenbarer als das deutsche. So ist zum Beispiel die Auswahl des Insolvenzverwalters, von dem ja wie gesagt viel abhängt, dort für Investoren meist vorhersehbar. In der Tat gab es jüngst Fälle, in denen Unternehmen ihr Center of Main Interest nach England verlagert haben. Auch, um mehr Einfluss auf die Bestellung eines Insolvenzverwalters zu haben. Dabei stellt sich die Frage, ob bei einem solchen Verfahren die Großgläubiger ihre Interessen nicht zu stark gegenüber den Interessen der kleineren Gläubiger, zu denen ja viele Mittelständler zählen, durchsetzen. Im Übrigen wird die Verlagerung aus Zwecken der Restrukturierung in andere europäische Länder selten bleiben, da die überwiegende Zahl der Firmen weder Finanzmittel, noch Zeit haben, derartige Modelle zu realisieren. – Ist das deutsche Insolvenzrecht international wettbewerbsfähig?Mit dem Instrument des Insolvenzplans oder der Eigenverwaltung sind wir in Deutschland gut aufgestellt. Je professioneller Insolvenzverwalter darüber hinaus die genannten Qualitätsstandards umsetzen, desto unattraktiver erscheint Investoren die Verlagerung von Insolvenzen in andere Rechtsräume. Selbstverständlich haben wir das Insolvenzrecht weiter zu entwickeln. Hier hat das Bundesministerium der Justiz reagiert und eine Arbeitsgruppe etabliert, die in Kürze startet. – Sie treten für eine Professionalisierung der Insolvenzverwalter ein. Wie wollen Sie die erreichen und gewährleisten?Der Gravenbrucher Kreis beabsichtigt für seine Mitglieder eine freiwillige Selbstkontrolle einzuführen und sich künftig einer externen Revision durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu unterziehen. Damit können wir die Qualität sichern und ständig optimieren. Dies wird auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Kanzleien steigern. – Was halten Sie von einer Zertifizierung von Insolvenzverwaltern, wie sie seit geraumer Zeit in Fachkreisen diskutiert wird?Mit der Zertifizierung werden Ansprüche an die Verwalter herangetragen, die in den Kanzleien weitere Kosten verursachen. Nicht zuletzt deshalb sollte dann auch geregelt sein, welche verbindlichen Konsequenzen eine Zertifizierung oder Nicht-Zertifizierung für Verwalter und Gerichte hat. Wenn auf die Verwalterkanzleien zumindest faktisch der Druck ausgeübt wird, sich zertifizieren zu lassen, dann sollte klar sein, ob und in welcher Form eine Zertifizierung bei der Bestellentscheidung berücksichtigt wird. – Welche aktuellen Entwicklungen sehen Sie?In Schwierigkeiten steckende Unternehmen werden immer häufiger schon vor der Insolvenz saniert, restrukturiert oder gleich ganz neu aufgestellt. Das ist sicher auch auf den zunehmenden Einfluss von Investoren zurückzuführen, die ja genau damit ihr Geld verdienen. Zum Teil wird in Verkennung der Sanierungsinstrumente der deutschen Insolvenzordnung mit enormem Kostenaufwand versucht, ein Verfahren zu verhindern, in dessen Rahmen häufig die gleichen Ziele kostengünstiger erreichbar gewesen wären. Dr. Frank Kebekus ist Partner der Kanzlei Kebekus & Zimmermann. Die Fragen stellte Walther Becker.