Institut für Bank- und Finanzgeschichte - ein Rückblick
In diesem Jahr feiert das “Institut für Bank- und Finanzgeschichte e.V.” (IBF) sein 50-jähriges Bestehen. Als ein renommierter Player im Schnittfeld von Wirtschaft und Wissenschaft ist es für Unternehmenshistoriker heute eine unverzichtbare Einrichtung, was bei seiner Gründung 1969 kaum vorherzusehen gewesen ist. Bereits zehn Jahre vorher hatte der Wirtschaftsjournalist Erich Achterberg (1895-1979) ein “Archiv für bankgeschichtliche Forschung” gegründet. Seit den 1920er Jahren kommentierte er die Bankenszene, unter anderem von 1924 bis 1943 für die “Frankfurter Zeitung”, und war 1948 Mitgründer der “Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen”. Vor allem der Bankplatz Frankfurt, aber auch zahlreiche Bankiersfamilien fanden sein Interesse. “Nichts war so kompliziert, daß es nicht in der Feder Erich Achterbergs vollkommene Klarheit und Transparenz erlangt hätte”, so lautete später das Lob der “Börsen-Zeitung”. Im Alter von 66 Jahren gründete Achterberg 1962 als Ein-Mann-Betrieb mit Unterstützung von rund einem Dutzend Banken seine eigene bescheidene Forschungsstelle, unterstützt von führenden Persönlichkeiten wie Hermann Josef Abs von der Deutschen Bank, Carl Goetz von der Dresdner Bank, Hanns Deutz von der Berliner Bank, Hermann Jannsen von der Frankfurter Bank sowie Ludwig Mellinger von der Bayerischen Vereinsbank. Die Gründung 1969Trotz des Zuspruchs von bald 18 Banken litt Achterbergs “Archiv” unter permanentem Geldmangel. Daher wurde 1968 ein “Kuratorium zur Pflege der Bankengeschichte” gebildet, in dem sich Akteure aller drei Säulen der Kreditwirtschaft zusammenfanden – an erster Stelle Prof. Karl Friedrich Hagenmüller, Direktor des Seminars für Bankbetriebslehre an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt und Vorstandsmitglied der Dresdner Bank sowie Gründer der in Frankfurt ansässigen Bankakademie, die er lange Jahre leitete und aus der später die heutige Frankfurt School of Finance & Management hervorging.Namhafte Mitstreiter waren Prof. Georg Draheim von der Deutschen Genossenschaftskasse, Herbert Schlicht von der Frankfurter Bank, Günter Noell von der Landwirtschaftlichen Rentenbank, Alfred Hansi von der Berliner Bank, Wolf-Dieter Becker von der Gesellschaft zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung über das Spar- und Girowesen sowie Gerhard Zweig von der Deutschen Girozentrale – Deutsche Kommunalbank.Zu den Gründungsmitgliedern des “Instituts für bankhistorische Forschung”, die in der Gründungsversammlung am 10. September 1969 zusammenkamen, zählten neben den bereits genannten Banken unter anderem die Braunschweigische Staatsbank, die Westdeutsche Landesbank – Girozentrale, die Investitions- und Handelsbank, die Deutsche Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft), das Bankhaus Gebr. Bethmann, die Allgemeine Hypothekenbank AG, die Deutsche Spar- und Kreditbank AG, die Frankfurter Sparkasse von 1822, Sal. Oppenheim jr. & Cie., die Kreditanstalt für Wiederaufbau, C. G. Trinkaus, die Banque du Rhône, die Niedersächsische Landesbank – Girozentrale sowie die Landesbank Rheinland-Pfalz – Girozentrale.In einem Beitrag für die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” schilderte Achterberg 1970 die Gründe, warum es notwendig war, den “mythischen Schleier” zu lüften, der die Banken in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch umgebe. Die Bankgeschichte sei ein “wenig beackertes Forschungsfeld”. Banken würden häufig nur als “willkommene Zwischenträger” im Machtspiel von Politik und Wirtschaft angesehen. Ihre Geschichte werde daher als “belanglos” betrachtet. Die Banken selbst seien daran nicht ganz unschuldig, denn sie seien “wegen des für ihr Gewerbe erforderlichen öffentlichen Vertrauens mehr als andere empfindlich (…) gegen Flecken auf ihrem Schilde”. Um dem entgegenzuwirken, dürften Banken ihr Aktenmaterial daher nicht als “unzumutbaren Ballast” empfinden. Hieran jedoch mangele es in erschreckendem Maße: “Schon nach wenigen Jahren wissen viele Banken nichts mehr über Lebensdaten ihrer einst führenden Köpfe.” Objektive Studien fehlenOftmals, so die Klage Achterbergs aus eigener Erfahrung, hätten sich “Legenden und Anekdoten von Generation zu Generation fortgeschleppt. Niemand prüfte ihren Wahrheitsgehalt. (…) Das Fehlen von wissenschaftlichen oder zumindest objektiven Darstellungen bankgeschichtlicher Zusammenhänge, richtiger gesagt, die Systemlosigkeit einschlägiger Schriften, hat der nach wie vor spürbaren Verdunkelung auf dem Bilde der Banken und Bankiers Vorschub geleistet.” Wolfram Engels, Professor für Betriebswirtschafts- und Bankbetriebslehre an der Universität Frankfurt, sekundierte mit einem wenig schmeichelhaften Vergleich: Den finanzgeschichtlichen Arbeiten an amerikanischen Universitäten könne man in Deutschland “noch nichts Gleichwertiges an die Seite stellen”.Das IBF wurde zu einer Basis, um eine interdisziplinäre und unabhängige Grundlagenforschung voranzutreiben. Und zukünftig, so hoffte Achterberg, würden Nachlässe, unveröffentlichtes Schriftgut, die Korrespondenz sowie Geschäftsberichte der Finanzinstitute vom IBF übernommen werden – ein recht ambitionierter Plan, der bald Forschungsprioritäten untergeordnet wurde.Die Veröffentlichungsvorschläge des inzwischen 76 Jahre alten Achterberg beruhten vor allem auf seinem eigenen Beziehungsnetzwerk und ließen die erhofften Forschungsimpulse vermissen. Die Gremien des IBF übten daher sanften Druck auf Achterberg aus und stellten ihm 1973 Prof. Rosemarie Kolbeck von der Universität Frankfurt, eine Expertin für bankbetriebliche Fragen, an die Seite, bevor Achterberg zwei Jahre später in den Ruhestand ging. Die Verwissenschaftlichung erfolgte durch den renommierten Wirtschaftshistoriker Prof. Karl-Erich Born von der Eberhard Karls-Universität Tübingen und Manfred Pohl, den Leiter des Historischen Archivs der Deutschen Bank. Die Theorieentwicklung erschien ihnen besonders wichtig, weil die Banken “der bankhistorischen Forschung skeptisch, teilweise sogar feindlich” gegenüberstünden.Drei Aspekte wurden als Hauptaufgabe des IBF definiert. Erstens müsse die Quellen- und Aktengrundlage verbessert werden. Zweitens müssten Archive mit ausgewiesenen Fachleuten errichtet werden – bislang hatten nur vier deutsche Banken überhaupt ein funktionsfähiges Archiv. Drittens bedürfe der Erfahrungsaustausch eines stärkeren “organisatorischen Rückhalts”. Der Neustart 1974Ein inhaltlicher Neustart des IBF fand im Oktober 1974 auf einem bei der Deutschen Bank in Frankfurt ausgerichteten Symposium statt. Dem jetzt eingerichteten Wissenschaftlichen Beirat trat Prof. Wilhelm Treue als Nestor der Unternehmensgeschichtsschreibung bei, ebenso Prof. Günter Ashauer, der Leiter der Deutschen Sparkassenakademie. Kuratoriumsvorsitzender wurde 1976 Wilfried Guth, der gut vernetzte Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank. Die Zeitschrift des Instituts enthielt fortan wissenschaftliche Aufsätze, Miszellen und Buchbesprechungen. Tagungen, Symposien und Workshops entfalteten als wissenschaftliche und zugleich Netzwerkveranstaltungen auch öffentliche Wirkung. Ein lange geplantes Mammutprojekt führte 1982/83 zum Standardwerk der “Deutschen Bankengeschichte”. Die Bandbreite der IBF-Forschung, ihrer Publikations- und Tagungsthemen bildet – seit 2004 unter Leitung von Prof. Bernd Rudolph (Ludwig-Maximilians-Universität München), der den Bonner Wirtschaftshistoriker Prof. Hans Pohl als Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats ablöste – das gesamte Spektrum der Finanzgeschichte ab: Von der Geld- und Währungspolitik über die volkswirtschaftliche Funktion von Banken, bankbetriebliche Aspekte bis hin zur gesellschaftlichen und politischen Rolle der Finanzinstitute. Methodenvielfalt, Interdisziplinarität und Gegenwartsbezug waren und sind auch heute noch ein Markenzeichen des IBF. Auftrag wurde es, die historischen Wurzeln gegenwärtiger Strukturen des Finanzsystems zu verstehen und wiederkehrende Wirkungszusammenhänge zu erkennen.Viele Banken hatten nach 1945 ihr Image aufpoliert. Problematische Aspekte vor allem des “Tausendjährigen Reiches” waren allerdings oftmals ausgeblendet worden. In den 1970er Jahren war diese Herangehensweise kontraproduktiv geworden. Die Banken hatten sich mit dem Wertewandel nicht genügend auseinandergesetzt. Der “Zeitgeist” wandte sich vehement gegen die vermeintliche “Bankenmacht”; aus der DDR wurden die Bankiers als “Steigbügelhalter” Hitlers attackiert. Eine angemessene Zurückweisung solcher Vorwürfe benötigte akribische Quellenarbeit.Ohne eine zentrale Auswertung der Quellen, so die Warnung des IBF, sei zukünftig “eine besorgniserregende Verzerrung des Geschichtsbildes der Kreditinstitute” zu erwarten. Die Mitglieder der Wissenschaftlichen Beiräte des IBF und der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte forderten daher 1980 die verstärkte “Archivierung und inhaltliche Erschließung des Quellen- und Informationsmaterials.” Flucht nach vorneDas war für die Wissenschaft wie auch für das IBF Herausforderung und Chance zugleich. Ging es den Banken zunächst noch weniger um eine gewissenhafte Aufarbeitung als darum, die Deutungshoheit gegenüber ihren Kritikern zurückzugewinnen, verhalf die Flucht nach vorn der Bankenforschung doch zur Erweiterung ihrer Quellenbasis und weiteren Professionalisierung ihrer Zunft, wie sich anhand der Veröffentlichungen des IBF gut zeigen lässt. Distanzlose Hagiografie, “Festtagshistorie” und das, was Kritiker mit Recht als “Hofberichterstattung” und Schönfärberei empfanden, wurden zu aussterbenden Gattungen, zugleich etablierten sich neue methodologische Standards. In den Finanzinstituten wurden Offenheit und Transparenz Teil der “Corporate Responsibility”.Wirklich konsequente Paradigmenwechsel brauchen aber ihre Zeit. Die ersten grundlegenden Studien zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Banken entstanden erst in den späteren 1990er Jahren sowie im Zusammenhang mit den in den USA angestrengten Gerichtsverfahren über die Entschädigung für Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg – und nicht im IBF, das die Koordination und Herausgabe wissenschaftlicher Auftragswerke erst seit der Jahrtausendwende betreibt. Heute ist die wissenschaftliche Aufarbeitung der eigenen Geschichte für renommierte Finanzinstitute weitgehend eine Selbstverständlichkeit – zur Freude des IBF.Und die Zukunft verspricht weitere Aufgaben, ist doch das Eintreten für die Bewahrung und die wissenschaftliche Nutzbarmachung der historischen Überlieferung der Finanzbranche im digitalen Zeitalter, leider auch angesichts eines drohenden digitalen Gedächtnisverlusts, vielleicht aktueller denn je zuvor. Joachim Scholtyseck, Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bonn