PORTFOLIO - GASTBEITRAG

Institutionelle Anleger entdecken die Aktie wieder

Börsen-Zeitung, 21.9.2013 Dieses Jahr konnten die Anleger ihre Sommerferien ohne allzu viele schlaflose Nächte genießen. Das soll aber nicht heißen, dass an den Märkten nichts passiert wäre. Vielmehr sind einige interessante Entwicklungen zu...

Institutionelle Anleger entdecken die Aktie wieder

Dieses Jahr konnten die Anleger ihre Sommerferien ohne allzu viele schlaflose Nächte genießen. Das soll aber nicht heißen, dass an den Märkten nichts passiert wäre. Vielmehr sind einige interessante Entwicklungen zu erkennen, die eine Chance bieten, einige Papiere, die in den vergangenen Jahren merklich unterdurchschnittlich abgeschnitten haben, in das Portfolio aufzunehmen.Im Gegensatz zu früheren Jahren befanden sich die Märkte in diesem Sommer in ruhigerem Fahrwasser. Im vergangenen Juli sorgte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, mit seiner berühmten “Whatever it takes”-Äußerung für Aufregung, in der er anmerkte, dass die EZB alles Notwendige tun werde, um der sich verschärfenden Euro-Krise entgegenzutreten. Seither war es an den Aktien- und Rentenmärkten relativ ruhig, und die Performance war gut.Im Mai drohte die Ankündigung des Präsidenten der US-Notenbank (Fed), Ben Bernanke, die Zentralbank werde in Kürze damit beginnen, ihre außerordentlich akkommodierende Politik zurückzufahren, Sand ins Getriebe zu streuen. Nach einigen beruhigenden Äußerungen der Zentralbanker und zunehmenden Hinweisen auf eine Erholung in den Industrieländern klang die Panik ab, und die Märkte beruhigten sich wieder. Dank der guten Wirtschaftsdaten und der Versprechen der Zentralbanken, die Zinsen noch länger auf einem niedrigen Niveau zu belassen, ist der Marktausblick für die kommenden Monate günstig.Vor allem an den Aktienmärkten sind die Aussichten vielversprechend. Von der “Jagd nach Renditen” in allen Winkeln der Finanzmärkte, von der die vergangenen Jahre geprägt waren – und die zu einem kräftigen Anstieg des Anlegerinteresses an Rentenpapieren führte -, wagen sich die Anleger immer weiter auf die Risikokurve hinaus. Immer mehr (institutionelle) Anleger erwägen nun auch Aktieninvestments, zumal sich die Wirtschaftsdaten für die Industrieländer merklich verbessern. Dies zeigt sich ganz klar daran, dass die Zuflüsse in Aktienfonds zum ersten Mal seit 2007 diejenigen in Rentenfonds übersteigen, und dieser Trend hat sich in den vergangenen Wochen deutlich fortgesetzt. Die Kapitalzuflüsse in Rentenfonds sind moderat und konzentrieren sich nicht rein zufällig auf das High-Yield-Segment, d.h. Anleihen mit eindeutig aktienähnlichen Eigenschaften.Wenn sich das Wirtschaftswachstum beschleunigt, entwickeln sich vor allem zyklische Werte gut. Sektoren wie diskretionäre Konsumgüter und Industriewerte schneiden seit einiger Zeit gut ab, und Rohstoffe und damit verbundene Aktien scheinen jetzt ebenfalls ein Comeback zu erleben. Rohstoffe sind während der “Jagd nach Renditen”-Phase deutlich hinterhergehinkt, da sie kein “Carry” einbringen. Sie profitieren von der anhaltenden Erholung der Weltwirtschaft und vor allem von besser als erwartet ausgefallenen Juli-Daten aus China. Im bisherigen Jahresverlauf hat der Grundstoffsektor um knapp 20 % schlechter abgeschnitten als der MSCI World und ist bei den Anlegern unbeliebt; nur Versorger werden noch stärker gemieden. Aber das Gewinnwachstum dürfte in diesem Sektor deutlich anziehen, da sich die Aussichten für die Weltwirtschaft verbessert haben. Europa mit RisikoabschlagWas die einzelnen Regionen betrifft, so sieht es für Europa allmählich günstiger aus. Aus offensichtlichen Gründen waren europäische Aktien in den vergangenen Jahren nicht allzu beliebt. Dies hat zu einem Abschlag von rund 35 % gegenüber US-Aktien geführt, die inzwischen in den Portfolios institutioneller Anleger stärker übergewichtet sind als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in den zehn Jahren zuvor. Nachdem sich die Wirtschaftsdaten aus Europa eindeutig verbessern – und der Euroraum zum ersten Mal seit sechs Quartalen wieder ein positives Wachstum aufweist -, scheint nun bei europäischen Aktien eine Wende einzutreten. Die Anleger interessieren sich inzwischen weniger für die systemischen Risiken des Euroraums, zumal die Erholung der europäischen Wirtschaft durch eine anhaltend akkommodierende Geldpolitik, eine abnehmende fiskalische Belastung und eine Belebung des globalen Wachstums gestützt wird.Inzwischen setzen die Anleger am Markt allmählich wieder mehr auf werthaltige Investitionen als auf Rendite. Davon sollten vor allem Aktien profitieren. Daneben verzeichnen die Regionen und Sektoren, die in den vergangenen Jahren deutlich unterdurchschnittlich abgeschnitten haben, ein Comeback.—-Valentijn van Niewenhuijzen, Chefstratege, Global Strategy & Asset Allocation bei ING IM.