Intensive Auseinandersetzung über Marktabgrenzung bei Miba/Zollern
Herr Karl, Herr Pichler, Sie haben Miba und Zollern bei Erwirken der Ministererlaubnis für den Zusammenschluss des Gleitlagergeschäfts beraten. Es ist der erste Fall im Mittelstand. Aus Ihrer Sicht schreibt er Rechtsgeschichte. Was ist so spektakulär?Karl: Ministererlaubnisverfahren sind sehr selten. Es ist eine spezielle Ausnahmeregelung, wenn im Einzelfall Gemeinwohlgründe die wettbewerblichen Bedenken in einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss aufwiegen. Es war erst das 23. Verfahren seit Einführung dieses Instruments in das Kartellgesetz 1973 und die zehnte erteilte Ministererlaubnis. Zudem kam dieses Instrument bisher vorwiegend bei Fusionsvorhaben großer Konzerne zum Einsatz, zum Beispiel bei Edeka/Tengelmann 2016, Eon/Ruhrgas 2001 oder Daimler/MBB 1989. Erstmals wurde nun Unternehmen des industriellen Mittelstands eine Erlaubnis gewährt, wovon einer der Partner aus dem benachbarten Ausland stammt. Können Mittelständler mit einem überschaubaren Umsatz überhaupt einen Vorteil für das Gemeinwohl schaffen?Pichler: Das war eine der großen Herausforderungen. Ein großer Konzern hat mehr Gewicht als ein Mittelständler. Entscheidend war, dass Miba/Zollern als europäische Hidden Champions Technologieführer in einem für die Energiewende und andere umweltpolitische Ziele zentralen Bereich sind und Innovationen gemeinsam besser und schneller hervorbringen können. Daneben ermöglicht die Entscheidung diesen beiden Mittelständlern, ihre Kräfte im globalen Wettbewerb vor allem mit Konkurrenten aus Asien zu bündeln. Für das Ministerium konnte der Gemeinwohlgrund zudem nur über harte Auflagen abgesichert werden. Diesem Gemeinwohlvorteil standen verhältnismäßig geringe Wettbewerbsbedenken gegenüber, weil es letztlich um Nischenmärkte geht, in denen sich Miba und Zollern überlappen. Insofern ist es nicht per se nachteilig, ein kleineres Unternehmen zu sein. Die Marktabgrenzung des Bundeskartellamts wurde als fehlerhaft und willkürlich gebrandmarkt. Zu Recht?Karl: Es gab dazu eine intensive Auseinandersetzung mit dem Bundeskartellamt. Wäre man der Ansicht von Miba und Zollern sowie der meisten Kunden und Wettbewerber gefolgt, so hätten bei den sehr unterschiedlichen Gleitlagern für verschiedene Motorentypen sogenannte Bagatellmärkte vorgelegen und das Bundeskartellamt hätte von Gesetzes wegen nicht untersagen dürfen. Das Bundeskartellamt hat eine Marktabgrenzung gewählt, die – überspitzt gesagt – Äpfel und Birnen zu einem Markt für Obst zusammenfasst. Bei der Ministererlaubnis zählen aber andere Kriterien, nicht die Überprüfung einer möglicherweise fehlerhaften Entscheidung des Bundeskartellamts. Das Bundeswirtschaftsministerium will vorschlagen, die Inlandsumsatz- und Bagatellmarktschwelle zu erhöhen. Ist das zielführend?Pichler: Ja, gerade für den Mittelstand und den Kauf kleinerer Unternehmen. Die jetzigen Schwellenwerte wurden fast 20 Jahre nicht verändert. Darunter leiden Unternehmen, die wettbewerblich unbedeutende Zusammenschlüsse bei den Kartellbehörden anmelden müssen. Eine Erhöhung der Bagatellmarktschwelle kann zu einer Erleichterung in der bevorstehenden Konsolidierungswelle traditioneller Industrien durch disruptive Veränderungen infolge von Automatisierung, Digitalisierung und neuen Antriebskonzepten führen. Das Ministerium will den Ausnahmecharakter der Ministererlaubnis klarstellen. Ist das angezeigt?Karl: Das Instrument der Ministererlaubnis ist von Gesetzes wegen ein Ausnahmeinstrument und die Fallzahl zeigt, dass es auch in der Praxis so ist. Änderungen wollen gut überlegt sein. Sinnvoll war die Beschränkung des Klagerechts von Beigeladenen in der letzten GWB-Novelle, die mehr Rechtssicherheit geschaffen und Missbrauchsrisiken beseitigt hat. Ist nach Miba/Zollern zu erwarten, dass vermehrt Anträge auf Ministererlaubnis gestellt werden?Pichler: Die Befürchtung ist unbegründet. Voraussetzung für eine Ministererlaubnis ist eine Untersagung des Bundeskartellamts und die Frage, ob Antragssteller sich auf hinreichende Gemeinwohlgründe stützen können. Beides ist ausgesprochen selten. Dr. Matthias Karl ist Partner, Dr. Philipp Pichler Counsel von Gleiss Lutz in Stuttgart. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.