IPO-Markt ist auch auf Anwaltsseite "extrem umkämpft"
Von Walther Becker, FrankfurtDas Umfeld für Börsengänge ist auch im neuen Jahr schwierig, der IPO-Markt für die beratenden Rechtsanwälte “extrem umkämpft”, denn die Kanzleien haben vielfach Teams aus den Boom-Zeiten teilweise vorgehalten, die jetzt im schwachen Börsenumfeld beschäftigt werden müssen. Dabei hat Andreas Zanner, Partner der Kanzlei CMS Hasche Sigle, gut lachen: Er hat für 2005 bereits das erste IPO in der Tasche; der Gang aufs Parkett des von ihm beratenen Unternehmens ist noch für das erste Quartal geplant. CMS Hasche Sigle war seit 1997 bei 64 Börsengängen mit von der Partie – zuletzt beim Listing von Klassik Radio. Knapp zehn IPOsZanner rechnet mit weniger als zehn Firmen, die den Kurszettel heuer verlängern werden. Die Exit-Alternative IPO sei für Private-Equity-Gesellschaften derzeit nicht so attraktiv, denn Anteilsverkäufe bei einem IPO seien heute weniger denn je möglich. Die Altgesellschafter müssten sich vielmehr auf eine sechsmonatige Lock-up-Frist verpflichten; insoweit seien Trade Sales und zunehmend stärker Secondaries, also der Weiterverkauf an den nächsten Finanzinvestor, attraktiver. Insofern ist Zanner der Ansicht, dass 2005 verstärkt auf “Dual Track” gesetzt wird: ernsthafte Vorbereitung eines Börsengangs und ebenso intensive Vorbereitung eines Secondary. CMS Hasche Sigle war auf Seiten von BC Partners beim Exit von Grohe 2004 tätig, der im Wege eines Dual Track am Ende mittels eines Secondary Buy-out erfolgte. Und da sei der – fertige – Börsenprospekt keine Fata Morgana gewesen, um Finanzinvestoren im Bietprozess anzustacheln. Zanner beobachtet eine gewisse Skepsis gegenüber Börsengängen nicht nur bei den gestandenen Unternehmen aus traditionellen Wirtschaftszweigen, sondern auch bei jüngeren Firmen aus Technologiebranchen. Sie sondierten jetzt allesamt, ob sie nicht besser an strategische Investoren oder Private-Equity-Häuser verkauften. Dies sei dieses Jahr anders als zu den Neuer-Markt-Zeiten, als die Börse die favorisierte und bei zahlreichen Firmen sogar die allein angestrebte Option war. Viele Start-ups fühlten sich in Ermangelung eines gesonderten Börsensegments heute allein gelassen und um eine Möglichkeit der Eigenkapitalbeschaffung beraubt. Dennoch sei kaum ein Zug in ausländische Börsengefilde zu beobachten – wenn, dann bei Biotechs in Richtung Schweiz. Nach neun MonatenÜber den Daumen gepeilt werde ein IPO meist ein Dreivierteljahr vorher eingefädelt. Habe das Unternehmen als Hausanwalt eine der großen, auf diesem Gebiet erfahrenen Kanzleien, dann sei der Rechtsberater vor der Investmentbank dabei; bei den meisten Gründerfirmen sei dies jedoch nicht der Fall. “Die Teams sind so groß wie früher, die Fees sind es nicht”, beschreibt Zanner die Klemme. Bei den Drafting Sessions säßen dann mehr als zwei Hand voll Beteiligte zusammen: von der Gesellschaft (Vorstand), Bankenvertreter plus Anwälte, die Emittentenanwälte (für Deutschland und die USA) sowie der IPO-Berater. Die Banken wälzen die sie im Außenverhältnis gegenüber dem Anleger treffende Prospekthaftung im Innenverhältnis auf die Emittentin ab und sichern sich zusätzlich über Legal Opinions und Disclosure Opinions (über die Richtigkeit des Börsenprospekts) von den beteiligten Anwälten ab. “Der Dokumentationsaufwand ist irrsinnig groß”, beschreibt Zanner. Bekommen die Investmentbanken meist eine Gebühr zwischen 3 und 5 % des Platzierungserlöses, so erhalten die Kanzleien bei einem mittleren IPO deutlich unter 1 Mill. Euro als Gebühren. Das Honorar hänge vom Umfang der anwaltlichen Tätigkeiten ab, z. B. gesellschaftsrechtliche Arbeiten (etwa Umwandlung einer GmbH in eine AG), Due Diligence, Prospektschreiben und Erstellen und Verhandeln des “Underwriting Agreement”. Eine “Incentive Fee” im Erfolgs- und Zufriedenheitsfall wie für die Banken gibt es auf der Jure-Seite nicht. Waren früher noch Börseneinführungsgebühren für die Banken üblich, so schnüren Banken heute in der Regel ein Gesamtpaket. Mit dem Bad ausgeschüttetBeeinflusst wird die Beratung von der neuen Gesetzeslage. So schreibt das Anlegerschutzverbesserungsgesetz – in Kraft getreten am 30.10.2004 – vor, dass ein Unternehmen, das seinen Zulassungsantrag bei der Börse eingereicht hat, von diesem Zeitpunkt an ad-hoc-pflichtig ist, obwohl es noch gar nicht börsennotiert ist. Nach Auffassung von Zanner hat der Gesetzgeber hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Das noch nicht börsennotierte Unternehmen muss schon ab dem Zeitpunkt des Zulassungsantrags jeden Umstand darauf hin überprüfen, ob es sich um eine Insiderinformation handelt. So wird es in Zukunft beispielsweise erheblich schwieriger, die Aktionäre des noch nicht gelisteten Unternehmens in dem Zeitraum zwischen Zulassungsantrag und Börsennotiz über die angedachte Preisspanne zu informieren oder mit anderen Informationen zu versorgen, bevor diese der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Die Gesellschaft wird also schon als Public Company behandelt, obwohl sie noch – wenn auch nur für eine kurze Zeit – in privaten Händen ist.