Recht und Kapitalmarkt

Kapitalmaßnahmen für Konzerne erheblich erleichtert

UMAG beseitigt mit der Ausweitung des Freigabeverfahrens Missstände - Gerichtliche Eilentscheidungen mit Bestandskraft

Kapitalmaßnahmen für Konzerne erheblich erleichtert

Von Karsten Heider *) Das im November 2005 in Kraft getretene Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) hat nicht nur Zustimmung erfahren. Aus Sicht börsennotierter Aktiengesellschaften erscheinen insbesondere die neuen Regelungen zur Verhinderung missbräuchlicher Anfechtungsklagen und der missbräuchlichen Ausübung des Rede- und Fragerechts in Hauptversammlungen unzureichend. Bei ihrer Kritik übersehen die Gesellschaften allerdings, dass dem Rechtsmissbrauch nur durch eine grundlegende, rechtspolitisch nicht gewollte Beschneidung der Aktionärsrechte die Grundlage entzogen werden könnte. Übersehen wird bei der Kritik ferner, dass das UMAG durchaus auch seine positiven Seiten hat und Missstände beseitigt: Mit der Ausweitung des Freigabeverfahrens auf Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge wird Aktiengesellschaften erstmals die Möglichkeit eröffnet, diese Art von Hauptversammlungsbeschlüssen per gerichtliche Eilentscheidung durchzusetzen, und dies obendrein mit Bestandskraft! Bisherige RechtslageNach bisheriger Rechtslage können Aktiengesellschaften nur in Umwandlungsfällen, dem Squeeze-out und der Eingliederung in einem gerichtlichen Eilverfahren feststellen lassen, dass die Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage der Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses nicht entgegensteht (sogenanntes Freigabeverfahren). Mit dem Freigabeverfahren können Aktiengesellschaften das Wirksamwerden der Umstrukturierung erreichen, ohne die Beendigung des vielfach mehrere Jahre dauernden Anfechtungsverfahrens abwarten zu müssen – eine Lähmung der Aktiengesellschaft über einen längeren Zeitraum hinweg wird hierdurch vermieden. Durch das UMAG wird die Möglichkeit zur Durchführung eines Freigabeverfahrens nun auch auf die Fälle von Kapitalmaßnahmen und von Unternehmensverträgen (insbesondere Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge) erweitert. Zwar führt die Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage in diesen Fällen nicht zu einer Registersperre, wie dies bei Umwandlungen, dem Squeeze-out und der Eingliederung der Fall ist. Der Registerrichter hat vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob die Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage der Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses oder des Unternehmensvertrags im Handelsregister entgegensteht. Nachteile und GefahrenWie auch immer sich der Registerrichter in solchen Fällen bislang entschied, stets waren nach bisheriger Rechtslage für die Aktiengesellschaft hiermit Nachteile oder Gefahren verbunden. Entschloss er sich gegen die Eintragung, musste sich die Aktiengesellschaft bis zum Abschluss des Anfechtungsverfahrens gedulden, was durchaus mehrere Jahre in Anspruch nehmen konnte. Entschloss sich der Registerrichter hingegen für die Eintragung, so hatte diese keine Bestandskraft. Wurde erst Jahre nach der Eintragung die Nichtigkeit des Kapitalerhöhungs- oder des Zustimmungsbeschlusses zum Unternehmensvertrag im Klageverfahren festgestellt, so musste die Eintragung im Handelsregister nachträglich gelöscht und die Kapitalmaßnahme/der Unternehmensvertrag – soweit noch möglich – rückabgewickelt werden. Ein Ergebnis, das insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften kaum umgesetzt werden konnte. Diesen Missstand beseitigt das UMAG durch Erweiterung des Freigabeverfahrens auf Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge. Wird eine Klage gegen den Hauptversammlungsbeschluss erhoben, so kann künftig auch in Fällen der Kapitalerhöhung oder eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrags das Prozessgericht mit dem Antrag angerufen werden, es möge feststellen, dass die Erhebung der Klage der Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen. Das Gericht wird in der Regel binnen drei Monaten über diesen Antrag entscheiden.Obsiegt die Aktiengesellschaft im Freigabeverfahren, so muss der Registerrichter die Eintragung im Handelsregister vornehmen. Die Eintragung und damit die Kapitalerhöhung/der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag erlangen Bestandskraft für und wider jedermann. Erweist sich die Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage später als begründet, so ist die Aktiengesellschaft dem klagenden Aktionär (nur) zum Schadenersatz verpflichtet. Eine Beseitigung der Eintragung kann der Aktionär nicht mehr erreichen. Der zu ersetzende Schaden, der in einer Wertminderung der vom Aktionär gehaltenen Aktien bestehen kann, wird für die Aktiengesellschaft regelmäßig verkraftbar sein und stellt sie nicht mehr vor die elementaren Probleme, die nach bisheriger Rechtslage bei einer nachträglichen Feststellung der Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses auftraten. RechtssicherheitDie mit dem Freigabeverfahren verbundene Rechtssicherheit wird für Aktiengesellschaften künftig wohl Anlass sein, die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses bei Anfechtung desselben nur noch auf der Grundlage eines abgeschlossenen Freigabeverfahrens zu beantragen. Selbst wenn der Registerrichter signalisieren sollte, dass er auch ohne ein Freigabeverfahren zur Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses bereit ist, und auch dann, wenn er trotz Klage bereits eingetragen haben sollte, wird die Aktiengesellschaft gut beraten sein, das Freigabeverfahren durchzuführen, da nur dieses die notwendige Bestandskraft vermitteln kann. Gleiches gilt natürlich auch für die Eintragung von Unternehmensverträgen. Das Prozessgericht wird dem Freigabeantrag einer Aktiengesellschaft nur stattgeben, wenn die Klage des Aktionärs gegen den Hauptversammlungsbeschluss unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist oder wenn das Eintragungsinteresse der Gesellschaft das Aufschubinteresse des klagenden Aktionärs überwiegt. Sieht man von den seltenen Fällen einer unzulässigen Klage ab, so kann die Aktiengesellschaft im Freigabeverfahren mithin nur obsiegen, wenn die Klage des Aktionärs offensichtlich unbegründet ist oder ihre Interessen im Rahmen einer Abwägung vorrangig erscheinen. Die offensichtliche Unbegründetheit ist nicht nur kursorisch zu prüfen. Das Gericht hat vielmehr die sich stellenden Rechtsfragen abschließend zu würdigen, unabhängig davon, welcher Prüfungsaufwand hiermit verbunden ist. Wenn das Gericht aufgrund der Prüfung mit hoher Sicherheit die Unbegründetheit der Aktionärsklage vorhersagen kann, wird es im Freigabeverfahren dem Antrag der Aktiengesellschaft stattgeben. Aber auch über die “Schiene” der Interessenabwägung ist ein Obsiegen im Freigabeverfahren nicht leicht zu erreichen. Die Aktiengesellschaft muss detailliert darlegen, welche Synergien oder einmaligen Chancen ihr durch den Aufschub der Eintragung entgehen. Pauschale Behauptungen sind insoweit nicht ausreichend. Es muss vielmehr anhand konkreter Planungen dargelegt werden, welche Folgen das sofortige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses gegenüber einem (jahrelangen) Aufschub in den einzelnen Bereichen des Unternehmens hat. Mit vagen Aussagen oder dem Aufzeigen bestehender Optionen werden sich die Gerichte in aller Regel nicht überzeugen lassen. Dies wird in der Praxis vielfach unterschätzt. ModernisierungMit der Erweiterung des Freigabeverfahrens auf Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge hat der Gesetzgeber einen Beitrag zur Modernisierung des Aktienrechts geleistet. Aktiengesellschaften können künftig schnell und effizient die Eintragung von Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträgen im Handelsregister erreichen. Die solchermaßen erwirkte Eintragung taugt als Grundlage für weitere Umstrukturierungen, da sie für und wider jedermann Bestandskraft hat. *) Dr. Karsten Heider ist Rechtsanwalt der Kanzlei CMS Hasche Sigle in Stuttgart.