Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Jens Peter Schmidt

Kartellamt erstmals mit Amtshaftungsklage konfrontiert

Dänische GN Store fordert Schadenersatz - Hohe Anforderungen an Behörden

Kartellamt erstmals mit Amtshaftungsklage konfrontiert

– Herr Dr. Schmidt, mit der Klage des dänischen Elektronikunternehmens GN Store Nord ist erstmals Schadenersatz nach einer Entscheidung des Bundeskartellamts gefordert worden. Was setzt ein solcher Amtshaftungsanspruch voraus?Voraussetzung ist, dass jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes schuldhaft eine Amtspflicht verletzt, die einem Dritten gegenüber besteht. Es führt also nicht jeder Fehler eines Beamten zu einem Schadenersatzanspruch. Vielmehr muss es Zweck der verletzten Vorschrift sein, zwar nicht nur, aber zumindest auch den Geschädigten und seine Interessen zu schützen. Darüber hinaus muss dem Amtsträger ein Verschulden, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit, nachgewiesen werden, und im Fall der Fahrlässigkeit dürfen dem Geschädigten keine anderen Ersatzmöglichkeiten zustehen.- Die Kläger berufen sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von 1997 und leiten daraus besonders hohe Ansprüche an zentrale Bundesbehörden ab – zu Recht?Ja. Grundsätzlich kommt es beim Verschulden darauf an, was der Bedienstete wissen muss, um seine konkreten Aufgaben wahrnehmen zu können. Das BGH-Urteil betraf ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren, bei dem ein Unternehmen auf Grundlage einer rechtswidrig erteilten Teilgenehmigung ein Kernkraftwerk errichtet und in Betrieb genommen hatte. Die Teilgenehmigung wurde später aufgehoben, sodass die Anlage stillgelegt werden musste. In dem Staatshaftungsprozess führte der BGH aus, dass bei Verwaltungsverfahren auf höchster Ebene anders als bei Alltagsgeschäften sonstiger staatlicher Genehmigungsbehörden eine besonders gründliche Prüfung möglich und daher auch zu verlangen sei. Dieser hohe Sorgfaltsmaßstab dürfte auch für die Kartellwächter gelten.- Gibt es vergleichbare Fälle?Grundsätzlich sind Amtshaftungsansprüche wegen rechtswidrig erteilter Untersagungen nicht ungewöhnlich. In Deutschland waren Entscheidungen des Bundeskartellamts bislang aber nicht betroffen. Die Europäische Kommission dagegen wurde bereits verklagt. Diese Klagen waren jedoch wenig erfolgreich. In einem Fall lag schon kein ausreichender, das heißt hinreichend qualifizierter Rechtsverstoß vor. Im anderen Fall akzeptierte der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen direkten Zusammenhang zur Pflichtverletzung, die übrigens Verteidigungsrechte im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens betraf, nur bei einem kleinen Teil des geltend gemachten Schadens.- Wie beurteilen Sie die Durchsetzbarkeit des Anspruchs der GN Store?Der notwendige Drittbezug wird im Ergebnis vorliegen. Obwohl die Fusionskontrolle dem Schutz wettbewerblicher Marktstrukturen und nicht dem individueller Interessen dient, wird man wohl eine Pflichtverletzung geltend machen können. Genau ansehen müssen wird sich das Gericht dann sicherlich die Frage, ob ein Verschulden gegeben ist. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte die Entscheidung des Bundeskartellamts zunächst bestätigt, der BGH allerdings hielt sie anschließend in seinem Beschluss aus dem April 2010 für falsch.- Also abweichende Einschätzungen?Bundeskartellamt und OLG hatten aus dem Vorliegen bestimmter Marktanteile auf eine marktbeherrschende Stellung der beteiligten Unternehmen geschlossen (sog. Oligopolvermutung). Der BGH meinte aber, die Unternehmen hätten diese Vermutung erfolgreich widerlegt. Nun ist die kartellrechtliche Beurteilung von Oligopolen bekannterweise äußerst schwierig. Das könnte neben der Tatsache, dass die Düsseldorfer Richter die Entscheidung des Amts zunächst bestätigt haben, gegen ein Verschulden sprechen.- Welche Schäden können ausgeglichen werden?Die finanziellen Verluste infolge abgebrochener Transaktionen können beträchtlich sein. Immerhin gewährt der Amtshaftungsanspruch im Gegensatz zu anderen Ausgleichsansprüchen gegen den Staat auch Ersatz für entgangenen Gewinn. Allerdings muss der Fehler der Behörde für den Schaden ursächlich sein. Unabhängig davon ist fraglich, ob die manchmal vereinbarten Break-up Fees ausgeglichen werden können.—-Dr. Jens Peter Schmidt ist Partner der Sozietät Mayer Brown in Brüssel. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.