Kartellbehörden nehmen Bankenkonsortien ins Visier
Von Georg Weidenbach und Max Hauser *)Anfang 2017 hat die Europäische Kommission das “undurchsichtige, intransparente und für wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anfällige Umfeld” der Kreditsyndizierungen auf ihre Agenda gesetzt. In Umsetzung eines holzschnittartigen Untersuchungskonzepts befragen externe Berater seit Ende 2017 die Marktteilnehmer. Wann, in welcher Form und mit welchen Konsequenzen ein Untersuchungsergebnis zu erwarten steht, ist unklar; jedenfalls ist die laufende “Studie” keine kartellbehördliche Untersuchung. Vielmehr möchte sich die Kommission in diesem Gewand mit den Marktbegebenheiten vertraut machen, bevor sie gegebenenfalls eigene Maßnahmen ergreift.Andere Kartellbehörden haben sich mit anderen Spielarten konsortialer Zusammenarbeit befasst. In den bisherigen Kartellverfahren geht es teils um Zinssicherungsgeschäfte, teils um ganz andere Formen der Zusammenarbeit im Eigen- und Fremdkapitalgeschäft. Eine klare Linie der Behörden ist nicht erkennbar und das knapp 20-seitige Untersuchungskonzept der Kommission verdeutlicht die Komplexität. Gleichwohl wurden bereits 2010 in England Bußgelder u. a. wegen preisbezogener Kontakte im Vorfeld einer Kreditsyndizierung verhängt, in ähnlichen Fällen zuletzt in Spanien und auch in der Türkei. Aktuell untersuchen Kartellbehörden in Australien und den USA Konsortialtransaktionen.Bedenkt man, dass die konsortiale Zusammenarbeit von Banken kartellrechtlich grundsätzlich zulässig ist, erscheint die Notwendigkeit kartellbehördlicher Maßnahmen äußerst fragwürdig. Soweit sich Banken zur Kreditvergabe oder für Kapitalmarkttransaktionen zusammentun, ist dies zwar häufig eine Zusammenarbeit unter (potenziellen) Wettbewerbern, die dem Kartellverbot unterliegen mag. Eine Ausnahme vom Kartellverbot ist in Deutschland, auf EU-Ebene und auch in den USA aber anerkannt, wenn aufgrund von Kundenspezifikationen oder Aspekten der Risikoverteilung erst mehrere Banken gemeinsam einen Kredit, einen Börsengang, eine Kapitalerhöhung oder eine Anleihe bewerkstelligen können. Dann führt die Bündelung der Ressourcen mehrerer Banken dazu, dass das “Produkt” überhaupt erst angeboten werden kann, was ein Mehr an Wettbewerb bedeutet. Im Lichte dieses Arbeitsgemeinschaftsgedankens sind Bankenkonsortien kartellrechtlich zulässig.Dementsprechend gab es im deutschen Kartellrecht ursprünglich eine Ausnahme vom Kartellverbot für die gemeinsame Übernahme von Einzelrisiken im Konsortialgeschäft von Kreditinstituten. Bei Abschaffung dieser Regelung 2005 ging der Gesetzgeber davon aus, dass es “keine substanzielle Änderung der Rechtslage” geben und die “kartellrechtliche Zulässigkeit herkömmlicher Preisbindungen in Konsortialgeschäften der Kreditinstitute […] nicht infrage gestellt” würde.Die Gründe dafür, dass Bankenkonsortien im Grundsatz kartellrechtlich zulässig sind, haben sich seither nicht geändert. Neben dem Arbeitsgemeinschaftsgedanken kommen weitere Faktoren zum Tragen; hier seien lediglich drei genannt. Erstens erfolgt die Bildung von Konsortien regelmäßig auf Wunsch des Kunden, für den die konsortiale Abstimmung transparent ist. Zweitens ermöglicht die Bildung von Bankenkonsortien eine Diversifizierung von Risiken sowie Effizienzgewinne, was die Kommission für ihre Studie auch explizit anerkennt. Drittens unterliegen die in Rede stehenden Finanzierungsstrukturen und Kapitalmarkttransaktionen außerhalb des Kartellrechts bereits einem internationalen Geflecht kapitalmarkt- und aufsichtsrechtlicher Regulierung, dessen Balance nicht unnötig gefährdet werden sollte.Angesichts der ausufernden, teils experimentellen Neugier der Kartellbehörden und der empfindlichen Höhe etwaiger behördlicher Bußgelder und anschließender Schadenersatzklagen breitet sich unter Marktteilnehmern zunehmend Besorgnis aus, auch weil die behördliche Untersuchungsaktivität nicht mit einer Klarstellung der kartellrechtlichen Leitplanken einhergeht. Zunehmende VerunsicherungEin wesentlicher Grund für die zunehmende Verunsicherung liegt darin, dass die oft holzschnittartigen kartellrechtlichen Regel-Ausnahme-Verhältnisse den vielgestaltigen und kommerziell teils hochkomplexen Erscheinungsformen der Zusammenarbeit von Banken in Konsortien und Syndikaten in der Analyse häufig nicht gerecht werden können.Im Rahmen ihrer Compliance-Bestrebungen werden viele Banken versuchen, einen “Sicherheitsabstand” zu vermeintlich unzulässigen Verhaltensweisen einzuhalten – womöglich zulasten etablierter Geschäftsmodelle. Dies sollte im Rahmen der kartellbehördlichen Verfolgungsprioritäten berücksichtigt werden. Andernfalls besteht das Risiko eines “Over-Enforcement” in einem Umfeld, das auf den ersten Blick undurchsichtig erscheinen mag, aber kommerziellen Bedürfnissen Rechnung trägt, Finanzierung und Kapitalbeschaffung ermöglicht und vor allem prokompetitive Effekte hat.—-*) Dr. Georg Weidenbach ist Partner, Dr. Max Hauser Associate von Latham & Watkins.