Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Britta Grauke

Kein Geld für Trittbrettfahrer

BGH schiebt Kostenerstattung für Nebenintervenienten bei Anfechtungsklagen einen Riegel vor

Kein Geld für Trittbrettfahrer

Das Frankfurter Büro von Weil, Gotshal & Manges hat gemeinsam mit dem BGH-Anwalt Herbert Messer für die Augusta Technologie AG eine für Aktiengesellschaften wegweisende Grundlagenentscheidung beim Bundesgerichtshof (BGH) im Bereich der Anfechtungsklagen/Kostenerstattung der “Berufsaktionäre” erstritten (Entscheidung vom 18. Juni 2007, Az. II ZB 23/06). – Frau Grauke, worum geht es bei dem Fall?Im Kern geht es darum, dass es in Deutschland eine Gruppe sogenannter “Berufsaktionäre” gibt, die regelmäßig bei börsennotierten, aber auch nicht börsennotierten Aktiengesellschaften auf der Hauptversammlung auftreten und mit ihren wenigen Aktien durch Widerspruch zu Protokoll und anschließende Anfechtungsklagen versuchen, Strukturmaßnahmen, Unternehmensverträge oder andere, für die betroffene Gesellschaft jeweils sehr wichtige Maßnahmen zu verhindern, wenn ihnen nicht zumindest eine großzügige “Kostenerstattung” gezahlt wird. Bei der Augusta Technologie ging es beispielsweise um existenzielle Kapitalmaßnahmen im Rahmen der Restrukturierung. Der BGH hat die Möglichkeit, auf diese Weise Geld zu verdienen, in seinem Beschluss richtigerweise eingeschränkt. – Wie sieht das Geschäftsmodell aus? Es haben sich mehrere “Geschäftsmodelle” herauskristallisiert. Das einfachste “Geschäftsmodell” ist das der sog. Nebenintervention, bei dem die Berufsaktionäre bereits laufenden Anfechtungsrechtsstreitigkeiten beitreten. Um einen solchen Fall ging es in dem jetzt erstrittenen Urteil. Wie der Bundesgerichtshof sehr pointiert in seiner Presseerklärung vom 20. Juni 2007 feststellt, beschränkt sich die Mitwirkung dieser Nebenintervenienten in der Regel darauf, dass ihre Prozessbevollmächtigten sich bei Gericht bestellen, nachdem andere Kläger Anfechtungsklage erhoben haben und mit einem Satz den Beitritt auf Seiten der Anfechtungskläger erklären. Ausführungen zur Sache oder eine sonstige Auseinandersetzung mit der angegriffenen Beschlussfassung erfolgen meistens gar nicht. Dennoch verlangen diese Nebenintervenienten am Ende eine Kostenerstattung – mindestens berechnet auf den regelmäßig nicht unerheblichen – Streitwert der Anfechtungsklagen, insbesondere wenn – wie häufig – der Rechtsstreit aufgrund des Zeitdrucks in einem Vergleich endet. Einfacher konnte man bisher kaum Geld verdienen. Genau hiergegen hat sich die Augusta Technologie gewehrt und vom BGH Recht bekommen. – Wie sind Sie bei Augusta mit dem Thema umgegangen, und was hat der BGH hierzu entschieden?Im Fall der Augusta Technologie wurde – wie auch in anderen Fällen – ein Vergleich geschlossen, bei dem die Kläger zunächst die Klage zurückgenommen haben und erst dann Kostenerstattung erhalten, die allein vertraglich vereinbart ist und nicht auf den Regelungen der ZPO beruht. Eine Kostenerstattung der Nebenintervenienten wurde nicht vereinbart, und sie ist auch gesetzlich nicht angeordnet. Hiergegen haben sich die Nebenintervenienten gewehrt. Der BGH hat jetzt in seinem erfreulich deutlichen Beschluss vom 18. Juni 2007 festgestellt, dass diese Vorgehensweise rechtmäßig ist und die Nebenintervenienten keine Kostenerstattung erhalten. – Was konnten die Nebenintervenienten bisher durchsetzen?Bisher haben die Nebenintervenienten regelmäßig durchgesetzt, dass sie die gleiche oder zumindest eine vergleichbare Kostenerstattung wie die Kläger erhalten, obwohl sie am Rechtsstreit gar nicht aktiv teilgenommen haben. Damit sollte jetzt Schluss sein. – Ist den Trittbrettfahrern mit der Entscheidung der Boden entzogen, oder können sich noch Schlupflöcher auftun?Mit der Entscheidung ist den reinen Trittbrettfahrern der Boden entzogen, und es ist nicht mehr möglich, durch einen schlichten Schriftsatz (der aus einem Satz besteht) einfach zulasten der Aktiengesellschaft “Geld zu verdienen”. Natürlich wird es immer Trittbrettfahrer geben, die etwa durch sehr “dünne” Klagen oder im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen versuchen werden, Geld zu verdienen Jedenfalls aber wird dies in Zukunft schwieriger, was auch in den Vergleichsverhandlungen bei zukünftigen Fällen helfen wird. – Wie hoch sind denn die Kosten für die Unternehmen gewesen, um welche Streitwerte ging es bisher?Dies variiert. Teilweise wird nur der gesetzliche Gebührensatz gezahlt, beruhend auf dem Streitwert. Teilweise verlangen Kläger (und Nebenintervenienten) wesentlich höhere Kostenerstattungen. Häufig ist auch einfach der Streitwert, d. h. der Wert des Vergleichs, sehr hoch, so dass bereits die gesetzlichen Gebühren substanziell sind. Hierdurch erhalten die zahlreichen Kläger und Nebenintervenienten leicht jeweils fünfstellige Beträge als Kostenerstattung, so dass sich die Kostenbelastung der AG auf mehrere hunderttausend Euro belaufen kann. – Welcher ist der größte Fall, der in dieser Richtung bekannt wurde?Das kommt darauf an, welchen Maßstab man zugrunde legt, also ob man auf die insgesamt erfolgten Zahlungen oder die gezahlten Einzelsummen an die Kläger und Nebenintervenienten abstellt. Ein sehr bekannter Fall ist beispielsweise der Vergleich der Allianz Versicherung, mit dem sie diese die Anfechtungsklagen gegen die Umwandlung in eine Europäische Aktiengesellschaft beigelegt hat. Hier haben die 13 Kläger jeder über 72 000 Euro erhalten. Allein die Nebenintervenienten haben zudem jeweils 11 300 Euro erhalten. Mir sind noch größere Einzelzahlungen bekannt. Dies zeigt, um welche Beträge es hier geht. Jede Einschränkung durch Gesetz oder Rechtsprechung ist hier nur zu begrüßen. – Hat sich eigentlich durch die Gesetzesänderungen im Jahre 2005, die unter anderem beschleunigte Freigabeverfahren und eine Veröffentlichungspflicht für Vergleiche eingeführt haben, etwas an dieser Praxis geändert? Nein, wie die zahlreichen Veröffentlichungen zeigen, sind Vergleiche weiterhin häufig, was sich einfach aus dem Zeitdruck und der Bedeutung der Strukturmaßnahmen etc. für die jeweiligen Gesellschaften ergibt. Wenigstens aber sind die Vergleichshandlungen durch die Möglichkeit der Freigabe der Maßnahme durch das Gericht und die Transparenzpflicht erleichtert worden, und dem Unternehmen steht mit dem Freigabeverfahren eine alternative Vorgehensweise zur Verfügung – die ja auch von den Aktiengesellschaften regelmäßig genutzt wird. Außerdem erhalten die Unternehmen durch die Veröffentlichung der Vergleiche unter Nennung der Kläger und Nebenintervenienten einen besseren Überblick über die jeweils aktive Gruppe der “Berufsaktionäre”. Insgesamt sind diese Gesetzesänderungen daher positiv, wenn auch aus meiner Erfahrung nicht weitgehend genug, um dem Geschäftsmodell der Berufsaktionäre gänzlich den Boden zu entziehen.Britta Grauke ist Partnerin bei Weil Gotshal & Manges in Frankfurt am Main. Die Fragen stellte Walther Becker.