RECHT UND KAPITALMARKT

"Kleine Organschaftsreform" droht Ziel in Teilen zu verfehlen

Problematische Festlegungen im Entwurf aus handelsrechtlicher Sicht

"Kleine Organschaftsreform" droht Ziel in Teilen zu verfehlen

Von Klaus-Dieter Stephan und Ernst-Thomas Kraft *)Die Koalitionsfraktionen haben einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der Änderungen der Bestimmungen über die steuerliche Organschaft beinhaltet (“kleine Organschaftsreform”). Der Entwurf berührt Fragen des Handels- und Gesellschaftsrechts und birgt die Gefahr, das Reformziel – “einfache, gerechte und zeitgemäße Regelungen” zu schaffen und das Unternehmensteuerrecht “rechtssicher auszugestalten” – in Teilen zu verfehlen. Dabei geht es vor allem um die neuen Regelungen zur Durchführung von Gewinnabführungsverträgen bei fehlerhaftem Jahresabschluss und das Erfordernis der Bezugnahme auf die Verpflichtung zur Verlustübernahme nach § 302 Aktiengesetz.Für die steuerliche Anerkennung von Gewinnabführungsverträgen muss der Vertrag “durchgeführt”, das heißt der “ganze Gewinn” während der Geltungsdauer tatsächlich abgeführt oder der Verlust ausgeglichen werden. Entscheidend ist nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht das festgestellte, sondern das “richtige” Jahresergebnis. Nachträgliche Fehlerkorrekturen gefährden die steuerliche Anerkennung. Damit kommt der Definition dessen, was ein “Fehler” ist, entscheidende Bedeutung zu. Handelsrechtlich ist anerkannt, dass kein fehlerhafter Bilanzansatz vorliegt, wenn der “Fehler” bei sorgfältiger Beurteilung nicht erkennbar war (“subjektiver Fehlerbegriff”). Die Bilanz ist nur eine Momentaufnahme eines sich dynamisch entwickelnden Unternehmens. Eine “objektive” Betrachtung wäre nicht handhabbar. Der Jahresabschluss müsste sonst ständig rückwirkend dem sich fortentwickelnden Erkenntnisstand angepasst werden. Bei Zugrundelegung eines “objektiven” Fehlerbegriffs wäre wohl kaum ein Gewinnabführungsvertrag je “durchgeführt” worden.Der Gesetzentwurf bezieht sich auf “fehlerhafte Bilanzansätze”, deren Fehlerhaftigkeit “bei Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hätte erkannt werden können”. Auf der Grundlage des subjektiven Fehlerbegriffs gibt es für diese Regelung keinen Anwendungsfall. Wenn der “Fehler” nicht erkannt werden konnte, ist der Bilanzansatz gerade nicht fehlerhaft, selbst wenn sich nachträglich herausstellt, dass er objektiv falsch war.Die Gesetzesbegründung beruft sich u. a. auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Soweit dort in einem (umstrittenen) Urteil auf das sich aus “objektiv ordnungsgemäßer Bilanzierung” ergebende Ergebnis abgestellt wird, ist das mit einem “objektiv richtigen” Ergebnis nicht gleichzusetzen. Es herrscht gesellschaftsrechtlich weitgehend Einigkeit, dass die Rechtsprechung des BGH Wahlrechte und Beurteilungsspielräume der bilanzierenden Gesellschaft unberührt lässt. Bereits aus einer früheren Entscheidung des BGH ergibt sich in diesem Sinn, dass die Bildung von Rückstellungen auch bei der Ergebnisermittlung im Rahmen einer Organschaft nach dem im Zeitpunkt der Bilanzfeststellung (subjektiv) verfügbaren Kenntnisstand zu erfolgen hat. Die Etablierung eines objektiven Fehlerbegriffs entsprechend dem Gesetzentwurf würde eine Kluft zwischen der handelsrechtlichen und der steuerlichen Betrachtungsweise aufreißen.Die eigentliche Bedeutung des Gesetzentwurfs zur Durchführung des Gewinnabführungsvertrags liegt in der Privilegierung des mit einem uneingeschränkten Testat oder einer gleichwertigen Bescheinigung versehenen Abschlusses. Dafür ist der fragwürdige Umweg über angeblich fehlerhafte Bilanzansätze nicht erforderlich. Entsprechende Vorschläge wurden gemacht. Einer Vereinfachung noch dienlicher wäre die Überlegung, die Umsetzung eines festgestellten Abschlusses (unabhängig vom Testat) steuerlich für die “Durchführung” genügen zu lassen. Das entspräche der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach eine nachträgliche Korrektur fehlerhafter Bilanzansätze regelmäßig nicht die “Durchführung” des Vertrags vereitelt. Den Interessen des Fiskus trägt die Korrekturmöglichkeit im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung ausreichend Rechnung. DauerbrennerEin weiterer Dauerbrenner der steuerlichen Anerkennung von Gewinnabführungsverträgen mit einer GmbH als Organgesellschaft ist die Voraussetzung, dass “eine Verpflichtung zur Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 des Aktiengesetzes vereinbart wird”. Nun gibt es da wenig zu vereinbaren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 302 AktG auf die GmbH als Organträger analog anzuwenden. Das wird steuerlich nicht als “Vereinbarung” akzeptiert, was sich immer wieder als Falle für die steuerliche Anerkennung von Gewinnabführungsverträgen erwiesen hat. Der Fraktionsentwurf sieht das Problem und vergibt die Chance zur Lösung. Es soll nunmehr vorgeschrieben werden, dass der Vertrag auf “die Vorschriften des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung” verweisen muss.Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist eine solche Regelung überflüssig. § 302 AktG ist in seiner jeweils geltenden Fassung ohnehin anzuwenden. Der Gleichlauf mit dem Gesellschaftsrecht könnte einfach herbeigeführt werden, indem auf das “Bestehen” einer Verpflichtung zur Verlustübernahme statt auf deren “Vereinbarung” abgestellt wird. Das wäre eine “einfache, gerechte und zeitgemäße” Lösung.—-*)Dr. Klaus-Dieter Stephan ist Rechtsanwalt, Dr. Ernst-Thomas Kraft Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Frankfurt am Main. Beide sind Partner der Sozietät Hengeler Mueller.