Recht und Kapitalmarkt

Kodex unterstützt Frauenquote

Neue Empfehlungen fordern angemessene Beteiligung in Aufsichtsräten, Vorständen und Führungspositionen

Kodex unterstützt Frauenquote

Von Hans-Christoph Ihrig *) Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat eine Neufassung des Kodex verabschiedet, die Anfang Juli in Kraft getreten ist. Im Mittelpunkt steht die Stärkung der Repräsentanz von Frauen in Führungsgremien. Unter dem allgemeinen Motto größerer Diversity (Vielfalt) sollen die Vorstände bei der Besetzung von Führungsfunktionen und die Aufsichtsräte bei der Zusammensetzung des Vorstands sowie bei der Kandidatensuche für den Aufsichtsrat eine angemessene Berücksichtigung von Frauen anstreben.Diese Schwerpunktsetzung ist angesichts der aktuellen Diskussion zum Thema Frauenquote keine Überraschung. Schon im Frühjahr hatten Sprecherinnen von Frauenvereinigungen eine entsprechende Kodexänderung auf den Hauptversammlungen der Dax-Gesellschaften angekündigt. Unverzüglich beschäftigenDie dem Kodex unterliegenden Unternehmen müssen die aktuellen Neuregelungen zwar erst bei der turnusgemäßen Abgabe ihrer nächsten Entsprechenserklärung berücksichtigen. Eine Verpflichtung zur unterjährigen Anpassung der Erklärung besteht nur, wenn sie die eigene Corporate Governance ändern, nicht aber bei Änderungen des Kodex. Dennoch sollten sich Vorstände und Aufsichtsräte unverzüglich mit den neuen Regeln befassen.Sofern die Unternehmen Kodexkonformität anstreben, ergibt sich ein durchaus anspruchsvoller Handlungsbedarf. Hinzu kommt, dass Abweichungen vom Kodex nach neuer Gesetzeslage nicht mehr nur schlicht erklärt, sondern auch begründet werden müssen. Und schließlich ist zu beachten, dass die aktuelle Rechtsprechung die Konsequenzen unzutreffender oder unvollständiger Entsprechenserklärungen zum Kodex deutlich verschärft hat. In Rede steht nicht nur die Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen, sondern, zu Unrecht, auch die von Wahlentscheidungen zum Aufsichtsrat.Das Streben nach Diversity im Aufsichtsrat hatte die Kodexkommission den Aufsichtsräten schon anlässlich der Kodexneufassung 2009 als Leitmaxime vorgegeben. Dass damit vor allem auch eine größere Beteiligung von Frauen gemeint war, ließ sich indessen nur entsprechenden Äußerungen von Mitgliedern der Kommission entnehmen. Die Neuregelung spricht jetzt eine deutlichere Sprache. Danach soll der Aufsichtsrat “für seine Zusammensetzung konkrete Ziele benennen, die unter Beachtung der unternehmensspezifischen Situation die Internationalität des Unternehmens, potenzielle Interessenkonflikte, eine festzulegende Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder und Vielfalt (Diversity) berücksichtigen”. Diese konkreten Ziele sollen “insbesondere eine angemessene Beteiligung von Frauen vorsehen”.Weiter empfiehlt der Kodex, dass Vorschläge des Aufsichtsrats an die “zuständigen Wahlgremien” diese Ziele berücksichtigen und die Zielsetzung des Aufsichtsrats und der Stand ihrer Umsetzung im Corporate-Governance-Bericht veröffentlicht werden.Damit wird den Aufsichtsräten ein detailliertes Handlungsprogramm aufgegeben. Dessen Kernpunkt ist die Verabschiedung konkreter Ziele für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Mit der Erarbeitung dieser Zielvorgabe muss sich der Aufsichtsrat vor Abgabe seiner nächsten Entsprechenserklärung zum Kodex befassen, unabhängig davon, ob aktuell Neuwahlen zum Aufsichtsrat anstehen oder nicht. Soweit es um die Anteilseignerseite geht, ist die Zusammensetzung des Aufsichtsrats allerdings Sache der Hauptversammlung, während die Arbeitnehmervertreter in den Wahlverfahren nach Mitbestimmungsrecht von den Belegschaften gewählt werden. Deshalb kann es nur um die Formulierung von Zielen gehen, deren Erreichen der Aufsichtsrat bei der Nominierung von Kandidaten allenfalls mitbefördern kann. Dazu empfiehlt der Kodex, dass die Vorschläge des Aufsichtsrats “an die zuständigen Wahlgremien” die von ihm benannten Ziele berücksichtigen sollen. Vorschläge macht der Aufsichtsrat insoweit aber nur an die Hauptversammlung und beschränkt auf die Anteilseignervertreter. Ob der Kommission bei Verabschiedung der neuen Empfehlung vorschwebte, der Aufsichtsrat möge zukünftig, ohne gesetzliche Grundlage, auch den Wahlgremien der Arbeitnehmerseite Kandidatenvorschläge unterbreiten, ist offen. Es ist wünschenswert, dass die Kommission diese Zweifelsfrage bei nächster Gelegenheit klärt.Klar ist, dass der Aufsichtsrat sich nicht mit Allgemeinplätzen begnügen kann, sondern konkrete Ziele benennen muss. Dafür wird es nicht ausreichen, wenn er beschließt, dass er eine angemessene Beteiligung von Frauen anstrebt. Er muss vielmehr konkretisieren, was er insoweit als angemessen erachtet. Das kann eine relative Frauenquote sein, zum Beispiel entsprechend dem Verhältnis von weiblichen zu männlichen Belegschaftsmitgliedern, oder eine prozentuale Bestimmung etwa des Inhalts, dass die Hälfte oder ein Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrats Frauen seien sollen. Denkbar wäre auch eine Mindestquote, also zum Beispiel die Zielvorgabe von mindestens jeweils zwei oder drei Frauen auf Anteilseigner- und auf Arbeitnehmerseite. Einer entsprechenden Festlegung bedarf es auch dann, wenn der Aufsichtsrat von Zielerreichung ausgeht, also überzeugt ist, dass Frauen schon angemessen im Gremium repräsentiert sind.Auch wenn sich seine Wahlvorschläge an die Hauptversammlung auf die Anteilseignervertreter beschränken und folgerichtig das Gesetz für die Beschlussfassung im Aufsichtsrat insoweit die Mehrheit der Anteilseignerbank ausreichen lässt, soll die Verabschiedung der Zielvorgabe für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats offenbar Sache des Plenums sein. Greifbare BemühungenDie Verpflichtung zur Berichterstattung über die Zielsetzung und den Stand ihrer Umsetzung im Corporate-Governance-Bericht zwingt den Aufsichtsrat zwar nicht dazu, bis zur Erreichung der verabschiedeten Frauenquote nur noch Frauen zur Wahl vorzuschlagen. Er muss aber bei der Kandidatensuche greifbare Bemühungen unternehmen, um geeignete Frauen zu gewinnen. Und er sollte die Hauptversammlung hierüber bei der Vorlage konkreter Wahlvorschläge unterrichten und es insbesondere näher begründen, falls er trotz unzureichender Zielerfüllung keine Frau, sondern einen Mann zur Wahl in den Aufsichtsrat vorschlägt.Während der Kodex für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats eine angemessene “Beteiligung” von Frauen als Zielvorgabe verlangt, fordert er bei der Besetzung von Vorstand und Führungsfunktionen lediglich, eine “angemessene Berücksichtigung” von Frauen anzustreben. Indessen ist nicht anzunehmen, dass sich mit dieser Nuance in den Begrifflichkeiten auch ein inhaltlicher Unterschied verbindet. Was angemessen istIn diesem Kontext meint berücksichtigen nämlich nicht lediglich die Einbeziehung hinreichend vieler weiblicher Kandidaten in den Auswahlverfahren, sondern deren Bestellung in angemessener Zahl. Aufsichtsräte und Vorstände müssen sich deshalb in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich fragen, welche Präsenz von Frauen sie im Vorstand bzw. in der Führungsebene im Unternehmen für angemessen erachten. Sie müssen konkrete Maßnahmen verabschieden, wie sie die für angemessen erachteten Quoten anstreben wollen. Eine Erleichterung besteht nur insoweit, als hierüber nicht proaktiv zu berichten ist.Es bedarf aber keiner besonderen Weitsicht, um vorherzusagen, dass hierzu in der Hauptversammlung konkrete Auskunft verlangt werden wird. Deshalb müssen sich Vorstände und Aufsichtsräte auch insofern unverzüglich der Frage nach der angemessenen Frauenquote annehmen. Wollen sie dem ausweichen, bleibt nur eine Kodexabweichung, etwa mit der Begründung, bei Personalentscheidungen solle auch zukünftig allein die Qualifikation und nicht das Geschlecht maßgeblich sein.—-*) Dr. Hans-Christoph Ihrig ist Partner bei Allen & Overy.