Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Dirk Pohl

Kommunen müssen sich auf Risiken aus Cross-Border-Leasing einstellen

US-Investoren suchen nach Wegfall des Steuervorteils Ausstiegswege

Kommunen müssen sich auf Risiken aus Cross-Border-Leasing einstellen

Seit Mitte der neunziger Jahre bis zu einer Gesetzesänderung in den USA 2004 haben sich 150 deutsche Kommunen an Cross-Border-Leasing-Geschäften beteiligt. Die Kommunen haben Kläranlagen, Müllverbrennungsanlagen, Straßenbahn- und U-Bahn-Netze oder Wasserkraftwerke im Wert von geschätzt 36 Mrd. Euro langfristig an US-Investoren verleast. Die komplexen Geschäfte waren kommunalpolitisch teils sehr umstritten. – Herr Dr. Pohl, ein amerikanisches Gericht hat US-Investoren erstmalig rückwirkend die Steuervorteile bei einem Cross-Border-Leasing-Geschäft mit einer deutschen Kommune versagt. Welche Konsequenzen hat dies für die deutschen Kämmerer?Mit Urteil vom 28. Mai 2008 hat der United States District Court of Ohio in der Sache AWG Leasing Trust (Case No 1:07-CV-857) für den Fall einer Müllverbrennungsanlage in Wuppertal die Auffassung der amerikanischen Finanzbehörde bestätigt und rückwirkend den US-Investoren, zwei großen Banken, für die Jahre 1999 bis 2001 Steuervorteile von über 88 Mill. Dollar aberkannt. Die Müllverbrennungsanlage war von einem Kommunalunternehmen, an dem mehrere Städte und Gemeinden beteiligt waren, für 75 Jahre in Form einer Sale-in-lease-out-Struktur an US-Investoren verleast worden. Mehrere Millionen durfte die Kommune als sogenannten Barwertvorteil behalten. Alle sonstigen Buchungen aus dem Verkauf und dem Zurückleasen hoben sich bei planmäßiger Abwicklung letztlich gegenseitig auf, wenn eine Rückkaufoption nach 24 Jahren ausgeübt wurde. – Was moniert das Gericht?Das Gericht nahm zwar kein Scheingeschäft an. Es erkannte die Transaktion aber steuerlich nicht an, weil die vereinbarten Bedingungen dem Kommunalunternehmen nach Auffassung des Gerichts keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zur Ausübung der Rückkaufoption ließen. Es bleibt abzuwarten, ob das Ergebnis des US-Urteils in einer möglichen Berufungsinstanz noch anders beurteilt wird. Für viele deutsche Kommunen steigt nun das Risiko, dass US-Investoren versuchen werden, sich wegen des Wegfalls des Steuervorteils aus den langfristigen Verträgen zu lösen oder sich durch Schadenersatzforderungen bei den Kommunen schadlos zu halten. – Wieso Schadenersatz?Auch wenn die US-Investoren regelmäßig das steuerliche Risiko der Nichtanerkennung in den USA vertraglich übernommen haben, werden sie jetzt die teils mehrere tausend Seiten starken, in der Regel dem Recht des US-Bundesstaates New York unterliegenden Vertragswerke darauf abklopfen, ob die Kommunen Vertragsverletzungen begangen haben. – Wo liegt das Problem?Zumindest manche Kommunen dürften von den genauen Vertragsinhalten nur unzureichend Kenntnis genommen haben, zumal die US-Investoren ihnen vor den Beschlussfassungen in den Gemeinderäten häufig nur kurze Zusammenfassungen der Vertragsinhalte zur Verfügung gestellt hatten. Die umfangreichen vertraglichen Pflichten, denen sich die Gemeinden in den Verträgen unterwarfen, wurden dabei selten deutlich. Hoffentlich haben die Kommunen ein ausgeklügeltes Vertragsmanagement, um diese Vertragswerke zu überwachen, sonst weisen ihnen die US-Investoren schnell Vertragsverletzungen nach. – Wie könnten die Verträge verletzt worden sein?Das betrifft beispielsweise Instandhaltungspflichten an den geleasten Anlagen, es kann aber auch die Verpflichtung zur Umfinanzierung sein, wenn Banken oder Versicherungen, die zur langfristigen Finanzierungsabwicklung des Projekts eingeschaltet sind, im Rating herabgestuft werden. In vielen Verträgen ist sogar vorgesehen, dass die US-Investoren bei schweren Vertragsverletzungen seitens der Kommune eine außerordentliche Vertragsauflösung verlangen können. – Im Zuge der Finanzmarktkrise sind Kommunen teilweise zu kostspieligen Umfinanzierungen zugunsten des US-Investors gezwungen. Weshalb? In den Cross-Border-Leasing-Verträgen ist regelmäßig vereinbart, dass der deutsche Vertragspartner für die Finanzierung des Deals zu einem anderen Finanzierer mit vertragsgemäßem Rating wechseln oder zusätzliche Sicherheiten stellen muss, wenn die bisher finanzierenden Banken oder Versicherungen ein bestimmtes Ratingniveau unterschreiten. Eine solche Umfinanzierung ist mit erheblichen Kosten verbunden, die den Barwertvorteil zu einem großen Teil aufzehren können. Wie der Presse zu entnehmen ist, soll beispielsweise der amerikanische Versicherungskonzern AIG an Cross-Border-Leasing-Finanzierungen beteiligt gewesen sein. Wenn ein Rating unter den vereinbarten Level fallen sollte, könnte es sein, dass kurzfristig für die Kommunen kostspielige Umschuldungen oder die Beschaffung zusätzlicher Sicherheiten erforderlich werden. Dr. Dirk Pohl ist Partner der Sozietät McDermott Will & Emery LLP. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.