Recht und Kapitalmarkt - Interview mit Rainer Traugott

"Korrekturbedarf bei AWG-Novelle"

Geplante Kontrolle von Anteilskäufen durch Ausländer sollte überarbeitet werden

"Korrekturbedarf bei AWG-Novelle"

– Herr Dr. Traugott, die Bundesregierung hat einen Entwurf zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) vorgelegt, der für das Bundeswirtschaftsministerium ein Untersagungsrecht vorsieht, wenn ausländische Unternehmen Beteiligungen an deutschen Gesellschaften erwerben. Was kommt auf ausländische Investoren zu, und kann es Fälle wie die aktuelle Untersagung der 3Com-Übernahme in den USA bald auch in Deutschland geben? Das ist durchaus möglich. Dabei geht der deutsche Gesetzgeber sogar noch weiter, weil er nicht an die “nationale Sicherheit” anknüpft wie die USA im 3Com-Fall. Eine Untersagung soll in Deutschland künftig bereits möglich sein, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist und der Erwerb zu einer Beteiligung von mindestens 25 % der Stimmrechte führt. Das Ministerium kann den Erwerb innerhalb von drei Monaten nach Abschluss des Kaufvertrages oder Veröffentlichung des Übernahmeangebots prüfen. Greift das Ministerium eine Transaktion auf, so hat der Erwerber die Unterlagen über den Erwerb zu übermitteln. Innerhalb eines weiteren Monats nach Eingang der Unterlagen kann das Ministerium untersagen. Während des Fristlaufs sind die Parteien im Ungewissen. Nicht zuletzt deswegen ist der Gesetzesentwurf bereits heftig kritisiert worden. – Teil der Kritik ist die Behauptung, die Regelung sei europarechtswidrig. Stimmt das?Ja. Dem Vernehmen nach ist daher nun geplant, Investoren aus EU-Mitgliedstaaten auszunehmen. Eine solche Ausnahme würde die Europarechtswidrigkeit aber nicht beseitigen, da die Kapitalverkehrsfreiheit im EG-Vertrag auch Drittstaaten erfasst. Selbst wenn man das anders sieht, ist die Regelung jedenfalls hinsichtlich der mit der EU assoziierten Länder europarechtswidrig wie etwa der Cayman Islands und British Virgin Islands, auf denen wesentliche Investoren ihren Sitz haben. Außerdem dürfte ein Verstoß gegen völkerrechtliche Vereinbarungen mit den USA vorliegen. Trotz alledem wird die geplante Änderung des AWG wohl nicht mehr aufzuhalten sein, da der politische Druck groß ist, Maßnahmen gegen ausländische Staatsfonds zu ergreifen. Dass dabei auch Private-Equity-Fonds und allgemein ausländische Investoren erfasst werden, entspricht der politischen Stimmungslage. – Für den Fall, dass das Gesetzesvorhaben weiterverfolgt wird, haben Sie einen alternativen Entwurf erarbeitet. Was müsste dann geändert werden?Die Kontrolle sollte nur die Erwerbe erfassen, die auch der deutschen oder europäischen Fusionskontrolle unterliegen, damit ein möglichst weitgehender Gleichlauf mit der Fusionskontrolle erreicht wird. Der Erwerber sollte die Möglichkeit haben, die geplante Transaktion dem Ministerium mit den für die Fusionskontrolle erforderlichen Angaben mitzuteilen, und zwar unabhängig davon, ob der Erwerb bereits rechtsverbindlich vereinbart ist. Die anschließende Untersagungsfrist sollte nicht länger als einen Monat sein. Dadurch würde der Erwerber in die Lage versetzt, möglichst gleichzeitig mit oder vor Abschluss der Fusionskontrolle Gewissheit darüber zu erlangen, ob das Ministerium untersagt. Dadurch, dass die zu übermittelnden Unterlagen den Angaben entsprechen, die der Fusionskontrollbehörde mitgeteilt werden müssen, wird der zusätzliche Aufwand des Erwerbers gering gehalten. – Würde Ihr Vorschlag nicht zu einer wesentlichen Einengung des Anwendungsbereichs führen, da die europäische Fusionskontrolle in der Regel ja erst bei einem Erwerb von 50 % der Stimmrechte einsetzt, während der Gesetzgeber nach jetzigem Stand Erwerbe von bereits 25 % der Stimmrechte erfassen will?Nein. Die Erwerbe zwischen 25 und 50 %, die nicht unter die europäische Fusionskontrolle fallen, werden von der deutschen Fusionskontrolle erfasst, die ja bereits bei 25 % der Stimmrechte einsetzt, sofern deren sonstige Voraussetzungen gegeben sind. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so gibt es keinen Grund, die betroffenen Transaktionen der AWG-Kontrolle zu unterwerfen. Solche Transaktionen sind vom Gesetzgeber vielmehr bewusst von der Fusionskontrolle ausgenommen worden, unter anderem weil sie nur marginale Auswirkungen auf das Inland haben. Sie der Fusionskontrolle zu unterwerfen, verstieße nach der Rechtsprechung auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Diese Erwägungen sind für die AWG-Kontrolle genauso richtig, wie sie es für die Fusionskontrolle sind.Dr. Rainer Traugott ist Rechtsanwalt und Partner im Münchener Büro von Linklaters. Die Fragen stellte Walther Becker.