RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: THOMAS HEIDEMANN

"Korruption ist in Russland kein Kavaliersdelikt mehr"

Ausländische Investoren müssen ihre Interessen absichern

"Korruption ist in Russland kein Kavaliersdelikt mehr"

– Herr Dr. Heidemann, Geschäfte in Russland gewinnen für viele Firmen an Bedeutung, gefürchtet sind aber nach wie vor die Rahmenbedingungen – zu Recht?Das positive Marktumfeld ist sicher entscheidend für einen Entschluss, Investitionen in Russland zu tätigen. Wichtige weitere Komponenten liegen im rechtlichen Bereich, der im Ausland eher skeptisch gesehen wird. Diese Skepsis ist allerdings nicht durchgehend gerechtfertigt. Mittlerweile verfügt Russland über ein ausgefeiltes und durchkodifiziertes Regelsystem, das ausreichende Absicherung der Interessen ausländischer Investoren ermöglicht.- Früher war viel von Korruption die Rede, ist das noch akut?Russland ist ein Land mit extrem hoher Korruptionsrate. Dies belegen die einschlägigen Korruptionsrankings, auf denen Russland regelmäßig auf den hinteren Plätzen landet und seine Position immer weiter verschlechtert. In Rahmen der von Medwedjew verkündeten Antikorruptionspolitik wurde in den vergangenen Jahren ein umfassendes Regelsystem zur Korruptionsbekämpfung entwickelt.- Was wurde getan?2008 erging das Gesetz gegen die Korruption. Mit Präsidialdekreten aus den Jahren 2008, 2009 und 2010 wurden dessen Regelungen verfeinert. Ebenfalls von 2008 stammt der nationale Plan zu Maßnahmen gegen die Korruption. Im Juli 2010 kam das Gesetz über den Zugang zu Informationen über die Tätigkeit der Gerichte hinzu, das Transparenz zu gerichtlichen Entscheidungen herstellen will. Die genannten Regeln sind durchaus ernst zu nehmen. In ihrer Umsetzung gibt es sicherlich weiter Defizite. Allerdings sollte die aktuelle Situation, in der seitens der Präsidialverwaltung immer neue Antikorruptionsinitiativen, flankiert von konkreten Maßnahmen, gestartet werden, nicht unterschätzt werden. Hinzuweisen ist auch auf die aktuelle Situation in Moskau: unausgesprochen, aber offensichtlich war ein Grund für den Wechsel an der Spitze der Stadtverwaltung die grassierende Korruption in der russischen Hauptstadt.- Und jetzt?Seitdem der neue Bürgermeister in Amt ist, vergeht keine Woche ohne eine Umbesetzung in einem wichtigen Amt der Stadtverwaltung. Korruptionsvorwürfe spielen bei allen diesen Wechseln eine entscheidende Rolle. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist Korruption daher in Russland kein Kavaliersdelikt mehr, das ohnehin folgenlos bleibt. Im Gegenteil: der korrupte Beamte riskiert seine Existenz. Der korrupte Geschäftsmann geht hohe persönliche, finanzielle und strafrechtliche Risiken ein.- Was sind die größten rechtlichen Fallstricke für Investoren?Vermeiden sollte der Investor u. a. die immer wieder angebotenen “einfachen Lösungen”, die bestimmte Agenten versprechen. Bei näherem Hinsehen erweisen sich die einfachen Lösungen häufig als falsch oder jedenfalls erkauft. Der Auftraggeber solcher Agenten kann für deren Verhalten verantwortlich gemacht werden. Das Auslagern oder Wegsehen hilft nicht. Wenn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Forderungen an den Unternehmer herangetragen werden, sollte dieser sich an Experten wenden: In den meisten Fällen ist eine professionelle Antwort schon die Lösung des Problems.- Worauf haben Handelspartner zu achten?Entscheidend ist eine gründliche Vorbereitung. Diese sollte vor einem wirtschaftlichen Engagement möglichst sämtliche Facetten abdecken. Der ausländische Investor muss sich die Mühe machen, die geltenden Regeln seines Gastlandes Russland zu kennen und zu beachten. Zu diesen gehören neben den geschriebenen Regeln die gebräuchlichen Verhaltensweisen, das Wissen von Beziehungsgeflechten und eine genaue Marktkenntnis. Lange vor einer Investitionsentscheidung müssen diese Grundlagen geklärt werden.- Das ist sehr aufwendig . . . Ja, diese Vorgehensweise mag zunächst zeitraubend erscheinen. Gemessen an den Schäden, die durch korruptes Verhalten entstehen können, dürfte sich der erhöhte Anfangsaufwand allerdings auch betriebswirtschaftlich schnell auszahlen.—-Dr. Thomas Heidemann ist Partner im Moskauer Büro von CMS Hasche Sigle und dort Leiter der Automotive Group. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.