RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: HANS-JOCHEN OTTO

Kreditfinanzierung von Firmenkäufen - ein Missbrauch?

"Strafsteuer schadet Deutschland als M&A-Standort" - Missbilligung von Buy-outs

Kreditfinanzierung von Firmenkäufen - ein Missbrauch?

– Herr Dr. Otto, vor einiger Zeit stellten die Finanzexperten der Koalition einen Katalog zur weiteren Modernisierung und Vereinfachung des Unternehmenssteuerrechts vor. Unter dem Punkt Beschränkung des fremdfinanzierten Beteiligungserwerbs ist nach dem Gesetzesvorhaben eine Verlagerung von Finanzierungsaufwendungen in das erworbene Unternehmen unerwünscht. Was ist konkret damit gemeint?Angesprochen ist damit wohl die von Unternehmenserwerbern regelmäßig vorgenommene Verrechnung der Bankzinsen aus dem Akquisitionskredit mit den operativen Einkünften des erworbenen Unternehmens. Das betrifft insbesondere die Verschmelzung des erworbenen mit dem erwerbenden Unternehmen oder die Herstellung einer ertragsteuerlichen Organschaft zwischen diesen. Diese als Leveraged Buy-out-Gestaltung titulierte Saldierung von Aufwand und Ertrag der beteiligten Unternehmen soll durch Versagung des Betriebsausgabenabzugs für den entsprechenden Akquisitionsaufwand noch weiter erschwert werden. Die Einzelheiten der gesetzlichen Umsetzung sind noch unklar.- Für welche Marktbereiche greifen die Regelungen?Der Begriff Leveraged Buy-out gibt den Anschein, als solle der Anwendungsbereich auf Private-Equity(PE)-Fonds beschränkt werden. Betroffen wäre jedoch nahezu die gesamte deutsche M & A-Praxis, da sich PE-Fonds von anderen M & A-Akteuren im Kern nicht durch die praktizierten Akquisitions- bzw. Finanzierungstechniken unterscheiden. Interessenvertreter von DIHK, Industrie, Banken und Versicherungen haben vor einer enormen Verschlechterung der Rahmenbedingungen für M & A-Transaktionen sowie Umstrukturierungen gewarnt. Auch Unternehmen der Realwirtschaft würden als erwünschte Käufer ausscheiden. Schließlich haben diese nicht selten niedrigere Eigenkapitalquoten als die von PE-Fonds finanzierten Erwerbergesellschaften.- Welches Marktverhalten soll damit quittiert werden?Mit dem Gesetzesvorhaben wird eine Art Strafsteuer für ein bestimmtes, unstrittig weder als Steuergestaltung zu qualifizierendes noch gegen gesellschaftsrechtliche Kapitalerhaltungsvorschriften oder sonstige Rechtsnormen verstoßendes Marktverhalten vorgesehen. Dies geschieht allein mit der Begründung, dass eine Kaufpreisrefinanzierung aus Mitteln des erworbenen Unternehmens unerwünscht sei. Es handelt sich also um eine Lenkungsabgabe, vergleichbar der Tabaksteuer.- Hält die These des schädlichen Marktverhaltens der Überprüfung stand?Nein. Wer ein Mietshaus oder eine Mietwohnung kauft, belastet diese üblicherweise mit einer Finanzierungsgrundschuld und verrechnet die Grundschuldzinsen mit den Vermietungseinkünften. Andernfalls wäre die Finanzierung zumeist gar nicht möglich. Eine Fremdfinanzierungsquote von 65 % gilt dabei als besonders seriös. Schlägt das in Missbrauch um, wenn im Falle einer größeren Immobilie mit mehreren Mietparteien der Verkäufer diese aus Haftungsgründen in der Rechtsform einer GmbH führt und der Käufer diese zwecks Ein- und Ausgabenverrechnung von Mieteinkünften und Fremdkapitalzinsen auf sich fusioniert? Bei Erwerb aller Anteile von Personengesellschaften tritt ein solcher Verrechnungseffekt im Übrigen schon ohne Zutun des Käufers kraft Gesetzes ein.- Was heißt dies in der Konsequenz?Der Gesetzentwurf scheint eine generelle Missbilligung von Private Equity auszudrücken. Hier würde eine Unternehmensbranche ohne Vorliegen zwingender Gründe beschädigt, die nach betriebswirtschaftlichen Analysen zu positiven Effekten bei Arbeitsplatzentwicklung, Unternehmenswertsteigerung, Strukturwandel, Nachfolgeregelungen im Mittelstand und Erweiterung der Handlungsspielräume auf kommunaler, landes- und bundespolitischer Ebene führt. Als Resultat wird es privatwirtschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Verkaufsinteressenten erschwert oder gar unmöglich gemacht, marktgerechte Kaufpreise zu erzielen.—-Dr. Hans-Jochen Otto ist Partner der Kanzlei Otto Mittag Fontane. Die Fragen stellte Walther Becker.