Kredithandel wird einfacher
Von Simon Grieser und Jörg Wulfken *)Die Neuvergabe von Krediten ist in Deutschland Banken und mit gewissen Einschränkungen Versicherungen vorbehalten. Dennoch haben sich Kredite zu einer attraktiven Anlage für Fonds und andere Investoren wie Family Offices entwickelt. In letzter Zeit sind vermehrt spezielle Kreditfonds an den Start gegangen oder befinden sich in der Planung. Das gestiegene Interesse an Krediten ist dem niedrigen Zinsniveau und geänderten regulatorischen Rahmenbedingungen geschuldet – gleichzeitig ist mit den neuen Marktteilnehmern der Bedarf an Standards und Transparenz gewachsen.Sobald ein Kredit durch eine Bank ausgereicht wurde, kann er im sogenannten Sekundärmarkt erworben werden. Hier verkaufen und kaufen Banken jeglicher Größe untereinander Kredite, aber auch Versicherungen, Hedgefonds, Kreditfonds, Versorgungswerke, Pensionskassen und andere. Investoren treten als Verkäufer beziehungsweise Käufer auf. Kredite werden einzeln oder gebündelt als Kreditportfolien verkauft; es kann sich um gesunde oder auch notleidende handeln. Traditionell KreditmarktDer Erwerb eines Kredites – ganz oder in Teilen – ist in der Regel komplizierter als eine Investition in ein Wertpapier insbesondere in kapitalmarktfähige Inhaberpapiere wie Anleihen oder Aktien. Wertpapiere sind mit Ausnahme von Asset Backed Securities zumeist unbesichert und werden durch Übergabe, in der Regel also durch Umbuchung auf Clearing-Konten oder standardisierte Abtretung und Umschreibung eines Namenspapieres, erworben. Der Wertpapierhandel ist daher extrem effizient und für alle Teilnehmer kostengünstig. Deutschland ist historisch gesehen jedoch ein Kreditmarkt, und nach wie vor ist der Kredit das wichtigste Finanzierungsinstrument für Unternehmen, Kommunen und Privatpersonen. Für Kreditnehmer hat ein Kredit im Gegensatz zum Wertpapier zahlreiche Vorteile: Er ist flexibel, kann speziell an die Finanzierungsbedürfnisse von Kreditnehmern und Kreditgebern angepasst werden, er kann zwischenzeitlich zurückgeführt und wieder in Anspruch genommen werden und die Bestellung von Sicherheiten ist einfacher und kann einen Kredit für den Kreditnehmer zu einem kostengünstigen Finanzierungsinstrument und für Investoren zu einer attraktiven Anlageklasse werden lassen.Eine wichtige Motivation für den Kredithandel unter Banken sind aber auch aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen. Gerade durch die Umsetzung von CRD IV in die individuelle Geschäftspolitik von Instituten ist zu erwarten, dass der Handel mit nichtstrategischen Krediten und langfristigen Finanzierungen zunimmt. Insbesondere die geplante Verschuldensobergrenze (Leverage Ratio) wird das Geschäftsvolumen vieler Banken begrenzen. Ferner sind risikobehaftete Aktiva zukünftig mit mehr Eigenkapital zu unterlegen, wovon insbesondere Unternehmenskredite betroffen sein werden. Mithin ist zu erwarten, dass Banken insbesondere langfristige Immobilienfinanzierungen und Unternehmenskredite auf dem Sekundärmarkt veräußern.Der Handel mit Krediten ist aber durchaus kompliziert. Das liegt nicht nur daran, dass zumeist auch Sicherheiten übertragen werden müssen und der Kredit häufig einem anderen Recht unterliegt als die zu bestellenden Sicherheiten, zum Beispiel wenn der Kreditvertrag englischem Recht unterstellt wird, aber durch Grundpfandrechte oder Warenlager in Deutschland und Frankreich besichert wird. Es stehen auch unterschiedliche juristische Übertragungsformen zur Verfügung, die in der Praxis durchaus alle Verwendung finden. So kann ein Kredit nebst Sicherheiten in Form einer Vertragsübernahme erfolgen, das heißt Übertragung des Kredites mit allen Rechten und Pflichten auf einen Erwerber, was zwingend die Mitwirkung des Kreditnehmers erfordert. Übernimmt der Erwerber noch bestehende Auszahlungsverpflichtungen, benötigt er darüber hinaus eine Bankerlaubnis. Erfolgt die Übertragung in Form einer Abtretung, werden lediglich die Rechte aus einem Kreditverhältnis übertragen, die ohne Mitwirkung des Kreditnehmers erfolgen kann, sofern der Kreditvertrag keine ausdrücklichen Mitwirkungsrechte oder Abtretungsverbote vorsieht. Bei einer Abtretung verbleiben die Pflichten aus dem Kreditverhältnis beim Verkäufer (Zedent). Bei einer Übertragung in Form einer Unterbeteiligung, die häufig bei Konsortialkreditverkäufen angewendet wird, verbleibt der Kreditgeber der rechtliche Forderungsinhaber und im Außenverhältnis zum Darlehensnehmer tritt keine Änderung ein. Eine Unterbeteiligung kann finanziert oder als Risikounterbeteiligung ausgestaltet werden.Ferner können Kredite durch die Nutzung von Kreditderivaten übertragen werden; hierbei erfolgt lediglich ein Risikotransfer, zumeist zur Entlastung der regulatorischen Eigenkapitalunterlegung von Banken. Das Darlehensverhältnis ebenso wie die Darlehensverwaltung verbleiben bei der verkaufenden Bank. In der Praxis sind Credit Default Swaps, Total Return Swaps, Garantien oder auch Credit Linked Notes die häufigsten Formen derivater Kreditübertragungen. Werden ganze Kreditportfolien übertragen, kommen neben den genannten schuldrechtlichen Übertragungsformen (die häufig als Asset Deals bezeichnet werden) auch gesellschaftsrechtliche Übertragungsformen zumeist in Form von Ausgliederungen oder Abspaltungen nach dem Umwandlungsgesetz in Frage.Diese Vielfalt von Übertragungsmöglichkeiten macht deutlich, dass Standards nicht ganz einfach zu etablieren sind. So sind zahlreiche Versuche, Börsen für den Handel von Krediten zu etablieren, bisher wenig erfolgreich gewesen. Zwar hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des Refinanzierungsregisters eine kostengünstige Möglichkeit für die insolvenzfeste Übertragung von Kreditsicherheiten geschaffen, die mit Inkrafttreten des CRD-IV-Umsetzungsgesetzes voraussichtlich zum 1. Januar 2014 auch Versicherungen zur Verfügung stehen wird. Standardisierung ist aber notwendig, um Kredite fungibel zu machen und für die notwendige Liquidität zu sorgen.Im angloamerikanischen Bereich haben sich die Loan Market Association (LMA) für englisches und die Loan Syndication and Trading Association (LSTA) für Standards nach New Yorker Recht etabliert. Die International Swap Dealers Association (ISDA) bietet Standards für alle Formen derivativer Übertragungen. Sämtliche anglosächsischen Standards wirken aus deutscher Sicht relativ kompliziert und verlangen Spezialkenntnisse, die lediglich in Großbanken und wenigen Großunternehmen vorgehalten werden können. Kleinere Banken, insbesondere Sparkassen und Volksbanken, nutzen diese Standards kaum. Zwar werden in einigen Banken und international tätigen Anwaltssozietäten auf LMA und LSTA basierende deutschsprachige und deutschem Recht unterliegende Übertragungsverträge vorgehalten, ein einheitlicher Standard hat sich hieraus nicht entwickelt. PlattformGerade die Beteiligung kleiner Banken, Versicherungen, Kreditfonds, Family Offices und anderer Investoren ist Voraussetzung für die notwendige Liquidität und Diversifizierung des Marktes. Vor diesem Hintergrund wurde von verschiedenen interessierten Marktteilnehmern, Banken und Finanzdienstleistern der gemeinnützige Verein Deutsche Kreditmarkt Standards e.V. gegründet, der sich als offene Plattform zum Ziel gesetzt hat, spezifische Standards sowohl für Due-Diligence-Prozesse als auch für Vertragsdokumentationen zu entwickeln. Erste Ergebnisse liegen vor, insbesondere bei der Standardisierung von NPL-Portfolio-Transaktionen.—-*) Dr. Simon Grieser und Dr. Jörg Wulfken sind Partner der Kanzlei Mayer Brown in Frankfurt. Wulfken ist Vorsitzender des Beirats des Deutsche Kreditmarkt Standards e.V.