ANLAGEPRODUKTE

Kritik an EU-Risikoklassen

Branche fordert differenzierte Einteilung bei Zertifikaten und Aktienfonds

Kritik an EU-Risikoklassen

Die Europäische Kommission möchte die bekannten Basisinformationsblätter zur Verbesserung des Verbraucherschutzes auch für andere Finanzprodukte einführen. Die Risikoeinteilung scheint aber nicht für alle Finanzprodukte gleichermaßen geeignet zu sein. Der Deutsche Derivate Verband (DDV) fordert für Zertifikate und Hebelprodukte eine differenziertere Risikobewertung.Von Armin Schmitz, FrankfurtDer kürzlich von der EU-Kommission veröffentlichte Gesetzgebungsvorschlag für den Verbraucherschutz hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Die Kommission möchte eine europaweite Pflicht zur Erstellung von Basisinformationsblättern auch für Zertifikate. Diese auch Key Investor Information Documents (KIID) genannten Dokumente gab es bisher nur für Investmentfonds. Während die Fondsbranche das Paket für den Verbraucherschutz begrüßte, rief vor allem der Entwurf der Verordnung über Basisinformationsblätter für Anlageprodukte die Kritik der Derivateindustrie hervor.Stein des Anstoßes ist das Risikoprofil der Produkte, das auf eine Kennzahl heruntergebrochen werden soll. Der EU-Kommissionsvorschlag sieht vor, dass jedes Produkt auf einer Risikoskala von 1 (geringes Risiko bei potenziell geringerem Ertrag) bis 7 (hohes Risiko bei potenziell höherem Ertrag) entsprechend dem Klassifizierungsansatz eingestuft wird. Der Deutsche Derivate Verband (DDV) sieht es als problematisch an, dass die Risikoklassifizierung von Investmentfonds auf Zertifikate übertragen werden soll. Die Bewertung im Rahmen der EU-weiten Informationsblätter für Investmentfonds soll ein falsches Risikobild zeichnen. Nach Ansicht des DDV bildet die Kennzahl das tatsächliche Risiko- und Ertragsprofil von Anlageprodukten nur verzerrt und unzureichend ab.Grundlage dieser Kritik ist eine vergleichende Studie, die Professor Lutz Johanning von der Otto Beisheim School of Management im Auftrag des DDV erstellt hat. Sie zeigt (siehe Tabelle), dass beispielsweise Aktienfonds in der KIID-Skala bereits in der höchsten Risikoklasse 7 eingestuft werden. Darunter befinden sich Produkte wie der Templeton Growth Fund oder der DB X-Trackers Dax. Darüber gibt es allerdings keine Steigerungsmöglichkeit. Damit werden dann spekulative Optionsscheine oder Knock-out-Produkte in die gleiche Gruppe wie die Aktienfonds eingestuft. Auch Ucits-III-Fonds, die Hedgefondsstrategien verfolgen, werden mit einem Dax-ETF auf eine Stufe gestellt.Nach Ansicht des Verbandes (siehe nebenstehendes Interview) ist die Einteilung in den niedrigen Risikoklassen zwar “fein ausdifferenziert”. Die oberen Risikoklassen scheinen dagegen nicht ausgereift. So werden viele Produkte mit eigentlich unterschiedlichen Risikoprofilen auf einer Stufe dargestellt. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die Laufzeit eines Produktes nicht angemessen in der Risikobewertung im Rahmen der KIID berücksichtigt wird. So lasse sich das Risiko eines Produktes mit kurzer Laufzeit nicht mit dem Risiko eines Produktes mit langer Laufzeit vergleichen, heißt es. Einzelne Risikoparameter wie die Volatilität würden nicht einzeln ausgewiesen. Währungsrisiken werden im KIID beispielsweise nur narrativ, also erzählend beschrieben.Außerdem sei die Reaktion der KIID-Bewertung bei steigenden oder auch sinkenden Risiken zu langsam. Johanning und der Interessenverband sind der Meinung, dass die Kommission zwar das richtige Ziel verfolgt. Doch die Umsetzung mache noch einige Anpassungen notwendig. Da nach der Einführung der KIID für die anderen Finanzprodukte keine nationalen Abweichungen mehr möglich sind, will der DDV seine Erfahrungen mit den Produktinformationsblättern in den europäischen Gesetzgebungsprozess einbringen.