RECHT UND KAPITALMARKT -- IM INTERVIEW: KATLEN BLÖCKER

Kündigung eines Kredits nur bei schwerwiegender Vertragsverletzung

Unternehmen sollten rechtzeitig auf die Banken zugehen

Kündigung eines Kredits nur bei schwerwiegender Vertragsverletzung

Frau Blöcker, die Corona-Pandemie bringt zahlreiche Konzerne in finanzielle Bedrängnis. Was heißt das für die Kreditverträge?In vielen Unternehmen wird das zweite Quartal wegen Produktionsstopps, Geschäftsschließungen oder der Unterbrechung von Lieferketten dramatisch schlechter ausfallen als der Jahresbeginn. Durch das stark gesunkene Ebitda drohen Verstöße gegen Auflagen im Kreditvertrag sowie weiterer Liquiditätsbedarf. Viele Unternehmen haben vorsorglich ihre Betriebsmittellinien voll in Anspruch genommen. Soweit dies nicht ausreicht, kommen die zahlreichen vom Staat zur Verfügung gestellten Möglichkeiten in Betracht, vor allem Kredite der KfW und von Förderbanken. Hierbei sind die Beschränkungen für die Aufnahme neuer Finanzmittel und die Stellung weiterer Sicherheiten aus dem bestehenden Kreditvertrag zu beachten, die ohne Zustimmung der Kreditgeber nicht einfach übergangen werden dürfen. Soweit neue Mittel in der Krise bereitgestellt werden, hat der Gesetzgeber dies im Zuge der Covid-Pandemie erleichtert und Haftungsrisiken verringert. Welche Kriterien werden den Auflagen in der Regel zugrunde gelegt?Die meisten Unternehmenskreditverträge enthalten Finanzkennzahlen, die als Frühwarnsystem dienen sollen. Dazu gehört vor allem die Messung des Nettoverschuldungsgrads (Verhältnis von Ebitda zu Schulden), aber auch des Zinsdeckungsgrads bzw. Schuldendeckungsgrads (Verhältnis von Cash-flow zu Zins- bzw. Schuldenleistungen), die vierteljährlich gemessen werden. Unter Berücksichtigung der üblichen Berichtsfristen führt die gegenwärtige wirtschaftliche Entwicklung somit im August zu einer Verletzung des typischen Unternehmenskreditvertrags, wenn keine weiteren Schritte eingeleitet werden. Was können Unternehmen tun, um einen Bruch der Kreditbedingungen zu vermeiden?Die Unternehmen sollten rechtzeitig auf die Banken zugehen. Eine Aussetzung der Messung (Covenant Holiday) oder eine Neufestlegung der Finanzkennzahlen (Covenant Reset) ist erforderlich, um ohne Bruch der Finanzkennzahlen durch die Krise zu kommen. Im Einzelfall wird es auch zu einer Aussetzung von Tilgungszahlungen oder zu einer Verlängerung der Laufzeit kommen. Keiner ausdrücklichen Zustimmung des Konsortiums bedarf es, wenn subordinierte Gesellschafterdarlehen zur Heilung von Finanzkennzahlen (Equity Cure) oder zur Erhöhung der Liquidität bereitgestellt werden. Wie kann eine Kündigung des Kredits verhindert werden?Eine Kündigung des Kredits kann nicht leichtfertig ausgesprochen werden. Es muss sich schon um eine wesentliche Verschlechterung der finanziellen Lage oder um eine schwerwiegende Verletzung des Kreditvertrags handeln, die eine Rückzahlung des Kredits gefährdet, ggfs. unter Berücksichtigung von Sicherheiten. Wenn trotz aller Maßnahmen ein Vertragsbruch vorliegt oder unmittelbar bevorsteht, muss ein – weiterer – Waiver (Verzichtsvereinbarung) für die Vertragsverletzung oder ggfs. eine Stillhaltevereinbarung geschlossen werden. Welche Rolle spielt die Größe des Bankenkonsortiums?Ein größeres Bankenkonsortium besteht nicht nur aus Hausbanken und ist schwerer zu kontrollieren. Für die wichtigsten Bankenentscheidungen wie Verlängerung der Laufzeit ist regelmäßig Einstimmigkeit erforderlich, während für eine Aussetzung der Änderung der Finanzkennzahlen eine Zweidrittelmehrheit genügt. Zu beachten ist, dass bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes die Kreditgeber ihre Kreditforderungen an Dritte übertragen können, die selbst eine Gesellschafterposition anstreben oder eine finanzielle Restrukturierung stören. Führt ein Bruch von Kreditauflagen zu einem erhöhten Haftungsrisiko für verantwortliche Manager?Das Management muss wie immer gewissenhaft und zum Wohle der Gesellschaft auf der Grundlage angemessener Information handeln. Es haftet aber nicht dafür, die nach dem Kreditvertrag ursprünglich vorgesehenen Planzahlen zu erreichen, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch die Pandemie grundlegend verändert haben. Wichtig ist, dass die Entscheidungsfindung und die Prognosegrundlagen gut dokumentiert werden, um im Schadensfall entlasten zu können. Im Übrigen lauern Haftungsrisiken vor allem bei kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten und im Zusammenhang mit insolvenzrechtlichen Pflichten. Hier allerdings hat der Gesetzgeber im Zuge der Pandemie die Anforderungen verändert und so die Insolvenzantragspflicht eingeschränkt. Dr. Katlen Blöcker ist Partner von Hogan Lovells in Frankfurt. Die Fragen stellte Helmut Kipp.