Kunstaktien sind eine Alternative zu Edvard Munch
Neben den Kunstsammlern, die bereit sind, weitere, zum Teil enorme Kosten des Kunstwerkerwerbs zu tragen – u. a. für Versicherungen, Abwicklung, Restaurierung, Transport, Lagerung -, gibt es rationale Investoren, die eine andere Strategie verfolgen. Diese fokussiert sich auf das Investment in Aktien börsennotierter Unternehmen, die ihr Geld mit Kunst verdienen .Von Anna Perucki, FrankfurtUnter dem Beifall der Gäste im vollbesetzten Saal schlug der Chefauktionator von Sotheby’s, Tobias Meyer, den Hammer bei 107 Mill. Dollar zu. Mit Aufgeld musste der Käufer 120 Mill. Dollar zahlen. Nach einem hartnäckigen Bietgefecht konnte sich im Rahmen der Abendauktion mit Impressionismus und Moderne bei Sotheby’s einer von zwei ungenannten Telefonbietern eine Version von Edvard Munchs berühmtem Bild “Der Schrei” sichern. Ein Rekordpreis auf dem Kunstauktionsmarkt. Die Angst vor Staatsschuldenkrise und Inflation treibt die Investoren nicht nur in Sachwerte wie Gold oder Immobilien, sondern auch in Kunst. Sie erhoffen sich eine krisensichere Geldanlage ù neben dem Kunstgenuss. Auf den Kunstmärkten dominieren die Sammler aus den aufstrebenden Ländern wie dem Nahen Osten, Russland, Indien und China. Die großen Auktionshäuser melden Rekordumsätze. China hat die USA bei den Umsätzen mittlerweile überholt. Es ist zu erwarten, dass Ende des Jahres der Rekorderlös des Jahres 2011 von 11,6 Mrd. Dollar auf dem internationalen Auktionsmarkt getoppt wird. Mit anderen Worten, der Kunstmarkt boomt wieder einmal.Die Entwicklung im Hochpreissegment täuscht ein wenig über die tatsächliche Entwicklung auf dem Kunstmarkt hinweg. “Durch die Rekordauktionsergebnisse entsteht ein falscher Eindruck. Der Bereich, der zwischen 800 und 10 000 Euro liegt, macht etwa vier Fünftel der weltweiten Umsätze aus. Die sensationellen Höchstpreise bleiben die Ausnahme”, sagt Hans Neuendorf, Gründer des Onlinedienstleisters Artnet.Anleger, die nicht direkt in Kunstwerke investieren, aber an der Entwicklung partizipieren wollen, tun sich schwer, investierbare Unternehmen zu finden. Ende Juni hatte das Marktsegment eine Marktkapitalisierung von lediglich 3,6 Mrd. Dollar. Dabei vereint allein das börsennotierte Auktionshaus Sotheby’s einen Anteil von 62 % der Marktkapitalisierung auf sich. Die großen Konkurrenten, Christie’s, das sich im Besitz des französischen Milliardärs François Pinault befindet, und Phillips de Pury, das der russischen Investorengruppe Mercury gehört, sind nicht börsennotiert. Obwohl das Wachstum von Sotheby’s in den vergangenen zehn Jahren 24,4 % jährlich betrug, hatte der Anleger in den letzten zwölf Monaten wegen eines Kursverlusts von 25 % keine große Freude an seinem Investment. Das Traditionshaus hatte im vierten Quartal 2011 die Anleger wegen geringerer Auktionsumsätze enttäuscht. Dass das Gesamtjahr 2011 mit dem zweitbesten Ergebnis der Firmengeschichte beendet wurde, interessierte die Anleger nicht mehr. Dank des Anstiegs im Geschäft mit privaten Verkäufen von 78 % im laufenden Jahr und der Zunahme der Verkäufe von Werken von 1 Mill. Dollar oder mehr kletterte den Aktienkurs in den vergangenen vier Wochen um fast 20 %. Von Datenbank profitierenNeben Sotheby’s finden sich auf den Kurszetteln der Börse gemessen an Marktkapitalisierung und Geschäftsumsätzen nur noch deutlich kleinere Unternehmen. Zu den wenigen deutschen Werten gehört Artnet, das 1989 gegründet wurde und 1999 zu Zeiten der New Economy an die Börse ging. Artnet gilt als einer der Internet-Pioniere im Bereich Kunst. Kernstück ist eine umfangreiche Datenbank, über die Nutzer sich über Preisentwicklungen und Markttendenzen informieren können. Darüber hinaus bietet das Unternehmen ein Netzwerk, in dem sich Galerien mit ihren Künstlern präsentieren können, und eine Online-Auktionsplattform an. Die Aktie war für den Aktionär in den vergangenen Jahren recht enttäuschend. Nach einem Hoch von 15 Euro im September 2007 fiel der Kurs bis auf 2,99 Euro im April dieses Jahres, der niedrigste Stand seit 2005. Das Unternehmen hat es auch 13 Jahre nach dem Börsengang nicht geschafft, konstant profitabel zu arbeiten. 2011 gelangte es nur sehr knapp in die Gewinnzone.Das Interesse an der Artnet-Aktie hat aber in den vergangenen Wochen stark zugenommen: Das Papier erreichte mit 6,50 Euro ein Jahreshoch. Eine Investorengruppe, geführt von dem russischen Kunstmarktanalysten und ehemaligen Investmentbanker Sergey Skaterschikov, dem selbst auch eine Kunst-Consulting-Firma namens Skate Art Investment gehört, über die Asset Management Firma Redline Capital Management mit Sitz in Luxemburg sowie die deutsche Weng Fine Art haben in den vergangenen Wochen einen Anteil von knapp über 10 % aufgebaut.Der französische Wettbewerber Artprice verlor im selben Zeitraum im Pariser Handel mehr als 50 %. Die Kursentwicklung ist sehr volatil. Der Aktienkurs dieses Internetdienstleisters ist allein in den letzten 1,5 Jahren um über 400 % explodiert. Der Kurs wird meistens von werbekräftigen Aussagen des Vorstandschefs Thierry Ehrmann angetrieben, der sehr optimistisch hofft, dass über seine Auktionsplattform in kürzester Zeit Milliarden umgesetzt werden. Generell ist es aber immer noch so, dass nicht genug Kunst über das Internet verkauft wird, und das macht das Geschäft enorm schwierig.Ein Frischling auf dem deutschen Börsenparkett ist die Weng Fine Art AG (WFA), die Anfang 2012 ihr Börsendebüt feierte. Das Kunsthandelsunternehmen ist auf dass mittlere Preissegment fokussiert und beliefert gewerbliche Kunden. WFA fungiert als Mittler zwischen Primärverkäufern und Galerien, Händlern sowie Auktionshäusern.Privatleute werden über die neu gegründete Tochtergesellschaft Weng Fine Art Editions bedient, die Druckgrafiken und Multiples zeitgenössischer Künstler über verschiedene Plattformen und einen eigenen E-Commerce-Shop vertreibt. Der Online-Verkauf von Editionen soll der Umsatz- und Ertragstreiber sein.Die Gewinnprognosen des Unternehmens werden im Prinzip fast schon von Tag zu Tag nach oben korrigiert: 2012 soll das Ergebnis je Aktie um 90 % steigen. Die Prognose für das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) wird von 1,2 Mill. Euro auf 2,0 Mill. Euro angehoben. Beim Ergebnis je Aktie kalkuliert das Unternehmen derzeit mit 2,90 Euro, was gegenüber dem Vorjahr (1,53 Euro) einer Steigerung um 90 % entsprechen würde.Nachdem sich die positive Entwicklung des ersten Quartals im Juni kontinuierlich verbessert hat und das Unternehmen hohe Handelsgewinne erwirtschaftet hat, wird auch für das Gesamtjahr mit einem Umsatzzuwachs von mindestens 30 % gerechnet. Die Marktkapitalisierung des Krefelder Unternehmens liegt bei 34,5 Mill. Euro. Mit einer Kapitalerhöhung will man zusätzliche Mittel zur Expansion des Geschäfts einnehmen und könnte die Aktie liquider machen. Aufgrund der geringen Anzahl frei handelbarer Aktien von 100 000 kann es zu heftigen Kursschwankungen kommen.Unter den anderen Kunstaktien gibt es das gesamte Spektrum an kunstrelevanten Unternehmen: Kunst- und Antiquitätenhändler (Mallett Group, Art Vivant), Auktionshäuser (Sotheby’s, Seoul Auctions, Shinwa Art Auction, Abbey House), ein Unternehmen, das sich mit der Klassifizierung und Authentifizierung von Münzen, Briefmarken und Karten beschäftigt (Collectors Universe), ein auf philatelistische Produkte spezialisiertes Unternehmen (Stanley Gibbons), ein Veranstalter von internationalen Kunstmessen wie Art Basel und Art Basel Miami Beach (MCH Group). In der Branche findet sich eine große Zahl von Werten mit geringer Stückzahl an umlaufenden Aktien, minimalem Streubesitz und fast keinem Handel.Der Kunstmarkt boomt zwar, ist aber nach wie vor ein Nischengeschäft mit einer recht kleinen Zielgruppe. Börsennotiert sind nur wenige Unternehmen. Ein Investment in Kunstaktien sollte wegen der hohen Volatilität risikofreudigeren und kunstaffinen Anlegern vorbehalten sein. Für konservative oder längerfristig orientierte Anleger ist das Werk eines namhaften Künstlers die bessere Alternative.