"Kursausschläge werden wieder zunehmen"
Fonds, die Optionsstrategien einsetzen, leiden unter der niedrigen Volatilität an den Märkten. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt Kay-Peter Tönnes von Antecedo Asset Management, dass er wieder eine Zunahme der Kurseinbrüche und Volatilität an den Aktienmärkten erwartet. Die aktuell herrschende Ruhe könne sehr schnell gestört werden, wenn auch nur in einer Region das Vertrauen in die Geldpolitik verloren gehe.- Herr Tönnes, Ihr Flaggschiff, der Antecedo Independent Invest, hat nach einem erstklassigen Ergebnis 2012 im laufenden Jahr nach Angaben von Morningstar rund 3 % verloren. Funktioniert die Strategie nicht mehr?Auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag, kann ich diese Frage verneinen. Die eigentliche Optionsstrategie funktioniert wie geplant. Was in diesem Jahr belastet, sind Veränderungen in der Volatilitätsstruktur, die längerfristig aber wieder ausgeglichen werden sollten.- Wie ist Ihre Strategie aufgebaut?Im ersten Schritt kaufen wir Call- und Put-Optionen mit langer Laufzeit von etwa einem Jahr auf Indizes. Damit können wir Gewinne erzielen, wenn sich der Markt in eine beliebige Richtung bewegt. Der Preis hierfür ist, dass wir Optionsprämien entrichten, die über die Zeit verbraucht werden. Dieser Faktor ist umso attraktiver, je niedriger die Kosten bzw. die Volatilitäten dieser Optionen sind. In einem zweiten Schritt verkaufen wir Call- und Put-Optionen mit kurzer Laufzeit von ein bis zwei Monaten, die mindestens 10 % aus dem Geld liegen, also nur bei größeren Kursbewegungen belasten. Eine vordefinierte Handelssystematik regelt, dass diese kurzen Optionen immer glattgestellt werden, bevor sie wirklich gefährlich werden können. Sinn dieses zweiten Schritts ist es, die Kosten der langlaufenden Optionen auszugleichen und darüber hinaus noch einen Prämienüberschuss über den Zeitablauf zu erzielen. Dies ist bei höheren Volatilitäten natürlich attraktiver als zurzeit, aber dafür sind auch die Kurschancen der langen Optionen viel höher, als es normal ist. Das Problem, das dieses Jahr aufgetreten ist, liegt in dem immer weiteren Absinken der langen Optionsvolatilitäten. Das hat zu Wertminderungen der langen Optionen geführt, die über den kalkulierten Zeitwertverbrauch hinausgegangen sind. Zur Absicherung dieses Risikos verkaufen wir Volatilitätsfutures, die aber den Rückgang der Optionsvolatilitäten bisher nicht mitgemacht haben. Sobald sich diese Spreadbelastung wieder auflöst, wird man dies auch in der Entwicklung des Fonds sehen.- Haben Sie die Optionsstrategie an die niedrige Volatilität angepasst?Die Strategie basiert auf zwei unterschiedlichen Werttreibern: aus kurzen und langen Optionen. Je nach Höhe der Volatilität ist ein Faktor interessanter als der andere, so dass es zu Gewichtungsverschiebungen zwischen den Bestandteilen kommt. Dies ist aber schon immer in der Strategie so eingeplant gewesen, so dass die diesjährige Verschiebung zu den langlaufenden Optionen nichts Außergewöhnliches bedeutet.- Der Fonds hat 2011 stark unter asymmetrischen Veränderungen der Volatilität an der Terminkurve gelitten. Haben Sie die Strategie entsprechend verändert, um Verluste in vergleichbaren Situationen zu verhindern?An der eigentlichen Strategie haben wir keine Veränderungen vorgenommen. Dass es zu einem deutlichen Auseinanderlaufen zwischen Optionsvolatilitäten und Volatilitätsfutures kommt, können wir nicht völlig ausschließen, solange wir mit liquiden Instrumenten arbeiten. Deshalb müssen wir dieses Spreadrisiko akzeptieren. Längerfristig sollte dieser Risikofaktor um den Wert null schwanken, weshalb wir nicht von einer dauerhaften Performancebeeinträchtigung ausgehen.Dennoch haben wir im laufenden Jahr auf die Veränderung dieses Faktors reagiert, indem wir die Aktienindizes auf mehr Märkte diversifiziert haben, wobei besonders Indizes berücksichtigt wurden, die eine sehr niedrige Optionsvolatilität aufweisen, so dass weitere ungesicherte Volatilitätsrückgänge nur noch schwer vorstellbar sind.- Welche Underlyings nutzen Sie nach der Optimierung der Optionsstrategien?Aktuell setzen wir Optionsstrukturen auf den Euro Stoxx 50, den Dax, den S & P 500, den FTSE 100 und den Bund-Future ein.- Wie sieht Ihr Risikomanagement aus?Risikomanagement und Portfoliomanagement sind bei uns deckungsgleich. Jede Struktur und jede Veränderung werden über Kennzahlensysteme und Monte-Carlo-Simulationen auf ihre Ertrags- und Risikopotenziale geprüft. Nur wenn die Vorgaben eingehalten werden, kommt es zu einer Umsetzung.- Der Antecedo Independent Invest mischt auch Zinsoptionen bei. Welchen Effekt soll das auf das Portfolio haben?Die relativ schlechten Voraussetzungen für das Schreiben kurzlaufender Optionen finden sich aktuell so nur an den Aktienmärkten. An den Zinsoptionsmärkten herrschen hingegen normale Bedingungen. Deshalb nutzen wir diesen Markt zur Erzielung von Zeitprämien, auch wenn das Ertragspotenzial hier grundsätzlich etwas niedriger ist als an den Aktienoptionsmärkten.- Diese Zinsstrategie verfolgen Sie in ähnlicher Form auch in dem im Dezember 2012 gestarteten Antecedo Euro Yield A. Wie hat dieser sich nach dem starken Zinsanstieg entwickelt?Mit der Entwicklung dieses Fonds sind wir sehr zufrieden. Das Ziel dieses Fonds ist es, mit erstklassigen Anleihen und unserer Zinsoptionsstrategie ein sicheres Renteninvestment auf das Ertragsniveau spekulativerer Anleihen zu bringen, ohne deren Risiko tragen zu müssen. Aktuell liegen wir 1,6 Prozentpunkte vor dem Vergleichsindex, was bedeutet, dass der Fonds auch die Belastungen aus dem Zinsanstieg ausgeglichen hat.- Würde sich ein Tapering der US-Notenbank beziehungsweise ein massiver Zinsanstieg nicht negativ auf den Fonds auswirken?Der Fonds ist ein langfristiges Investment, was sich auch an der durchschnittlichen Laufzeit der Renten von sieben Jahren zeigt. Dieses Rentenportfolio wird mit der Optionsstrategie auf ein deutlich höheres Zinsniveau angehoben. Dies schützt in gewisser Weise auch gegen Kursverluste bei den Renten infolge eines Zinsanstiegs. Sollte dieser Zinsanstieg aber extrem ausfallen, dann kann die Outperformance in einem Jahr nicht reichen, dies vollständig auszugleichen. Dem langfristigen Anleger kann dies aber egal sein, da der Fonds nach einem Zinsanstieg die dann höheren Zinsen vereinnahmen kann und weiterhin von den Optionsgewinnen profitiert.- Welchen Spielraum hat die US-Notenbank, ihre Geldpolitik zu normalisieren?Die Fed steckt mittlerweile in einer echten Zwickmühle. Im kommenden Jahr wird sich der amerikanische Arbeitsmarkt voraussichtlich so weit erholt haben, dass eine Rücknahme der extremen geldpolitischen Maßnahmen unausweichlich wird. Auf der anderen Seite haben sich die Märkte so sehr an die niedrigen Zinsen gewöhnt, dass Änderungen in der Geldpolitik große Ausschläge hervorrufen können. Einen Vorgeschmack auf das, was geschehen kann, haben wir in diesem Jahr bei den Einbrüchen am Edelmetallmarkt oder an den Devisenmärkten bei der indischen Rupie oder dem brasilianischen Real gesehen.Die mittlerweile sehr hohe gesamtwirtschaftliche Verschuldung in allen Industrie- und Schwellenländern lässt vermutlich eine wirkliche Normalisierung des Zinsniveaus auf absehbare Zeit nicht zu, da dies von sich aus eine neue Rezession auslösen würde. Vor diesem Hintergrund sind die Möglichkeiten der US-Notenbank begrenzt. Aber ein “immer weiter so” ist auf Dauer auch nicht möglich.- Die Volatilität ist derzeit in der Nähe eines Rekordtiefs. Wie sieht Ihre Prognose für die Volatilität und die weitere Entwicklung an den Finanzmärkten aus?Dass die Volatilitäten besonders auch im langfristigen Bereich auf derart niedrige Niveaus gefallen sind, ist ein Faktum, das mich persönlich sehr verwundert. Es ist ja nicht nur so, dass wir auf dem größten Schuldenberg der Menschheitsgeschichte sitzen, sondern dass dieser auch immer noch weiter ansteigt. In fast allen Ländern liegt das Kreditwachstum weit über dem Wirtschaftswachstum. Dies bedeutet, dass wir die Verschuldungszunahme brauchen, um auch nur das bisherige Wachstum aufrechtzuerhalten. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Globalisierung zusammen mit dem Verschuldungszuwachs der letzten Jahre das größte ökonomische Experiment ist, das seit der industriellen Revolution versucht wurde. Dass dies ohne zumindest temporäre Krisen ablaufen kann, vermag ich mir nicht vorzustellen. Ich erwarte deshalb, dass Kurseinbrüche und Volatilität an den Aktienmärkten wieder zunehmen werden.- Was kann der Auslöser für eine Krise an den Kapitalmärkten sein?Bei den gegenseitigen Abhängigkeiten der heutigen Weltwirtschaft kann der Auslöser aus verschiedensten Bereichen kommen, da letztendlich jede Region auf den stetigen Kapitalzustrom angewiesen ist. Die aktuell herrschende Ruhe kann sehr schnell gestört werden, wenn auch nur in einer Region das Vertrauen in die Geldpolitik verloren geht. In einer Krise wird immer das schwächste Glied aus der Kette gerissen, wie wir in der Euro-Krise gesehen haben. Aktuell besteht jederzeit die Möglichkeit, dass es in Japan zu einem extremen Verfall des Yen kommt, dass die Emerging Markets das Vertrauen der Investoren verlieren oder dass in China der Immobilienboom platzt. Auch die Eurozone ist noch nicht unabänderlich gerettet. Auslöser für solch ein Ereignis können eine zu weit gehende Zinserhöhung, ein plötzlicher Wachstumseinbruch oder zunehmende Kreditausfälle sein.Das Grundproblem bleibt dabei aber immer die zu hohe Kreditabhängigkeit. Über den hohen Schuldenstand und die Verzahnung der Banken untereinander kann ein lokales Problem schnell zur globalen Krise werden. Dabei muss aber angemerkt werden, dass in diesem Kasino der Notenbanken die Geschäftsbanken nur die Rolle des willigen Croupiers einnehmen.—-Das Interview führte Armin Schmitz.