Finanzen persönlich

Lebensversicherungen aus zweiter Hand

Geschlossene Fonds versprechen Renditen zwischen 5 und 10 Prozent - Währungsrisiken bei der britischen und amerikanischen Variante

Lebensversicherungen aus zweiter Hand

Von Stefan Terliesner Für die einen ist es ein “Geschäft mit dem Tod”, für die anderen eine sichere und lukrative Geldanlage. Die Rede ist vom Handel mit gebrauchten Lebensversicherungen. Es gibt ihn in drei Varianten: amerikanisch, britisch und deutsch. Verkäufer der Policen sind Menschen, deren Lebenssituation sich verändert hat. Scheidungen sind ein häufiger Anlass, aber auch Liquiditätsprobleme oder eine als zu niedrig empfundene Rendite der Police. Käufer sind Unternehmen wie Cashlife, CFI Fairpay oder Policendirekt, wobei sie die Papiere meist über Banken und Makler erwerben. “Die angekauften Policen haben einen Rückkaufswert von mindestens 10 000 Euro”, sagt Ingo Wichelhaus, der beim Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL) für den deutschen Markt zuständig ist. Anschließend reichen die Aufkäufer die Policen an Fondsemittenten weiter. Große Fondsemittenten sind MPC Capital, HCI Capital, WestLB Trust oder Hannover Leasing . Sie bringen geschlossene Fonds auf den Markt, die in Policen gebrauchter Lebensversicherungen investieren. Mindestanlage 10 000 EuroAnteile an diesen Fonds können Privatanleger kaufen. Die Mindestanlagesumme beträgt häufig 10 000 Euro, der Ausgabeaufschlag oft 5 %. “Initiatoren deutscher Fonds erzielen im Schnitt eine Nachsteuerrendite von 5 bis 6 % pro Jahr”, sagt Wichelhaus. Fonds, die in britische Policen investieren, versprechen 6 bis 8 %; US-Policen bringen angeblich 8 bis 10 %. Das Verlustrisiko ist eingeschränkt, da Auffanggesellschaften bei Insolvenz eines Versicherers die Auszahlung der Versicherungssumme weitgehend garantieren.”Bei der deutschen Variante ist das Verlustrisiko zudem durch die Garantieverzinsung der Policen begrenzt”, sagt eine Sprecherin von MPC Capital. Beachten sollten Anleger, dass es sich um geschlossene Fonds handelt. Der Investor geht eine unternehmerische Beteiligung ein. Die Mindesthaltedauer beträgt oft 10 bis 15 Jahre. “Wenn man einmal drin ist, kommt man nur schwer wieder raus”, warnen Verbraucherschützer. Noch etwas sollten Anleger wissen: Einige Emittenten peppen die Fondsrendite auf, indem sie für den Ankauf der Policen im großen Stil Fremdkapital einsetzen. Mit steigendem Kapitalmarktzins verteuert sich aber diese Art der Refinanzierung.Der Renditeunterschied zwischen deutschen und ausländischen Fonds resultiert auch daraus, dass angloamerikanische Versicherer bis zu 100 % der Beiträge in Aktien anlegen dürfen, während diese Quote für deutsche Versicherer auf 35 % beschränkt ist. Diese Quote schöpfen deutsche Versicherer nicht einmal aus. “Im Schnitt liegt der Anteil bei 10 bis 15 %”, heißt es. Deutsche Angebote sichererDa Aktienkurse im Vergleich zu Anleihen stark schwanken, ist die Rendite der deutschen Variante sicherer. Hinzu kommt, dass Käufer ausländischer Fonds Währungsrisiken beachten müssen. Denn wer sich zum Beispiel an einem US-Fonds beteiligt, tauscht beim Kauf Euro gegen Dollar und bei Auflösung des Fonds Dollar gegen Euro. Den Wechselkurs in zehn bis zwölf Jahren aber kann niemand voraussagen. Den höheren Renditechancen bei britischen und amerikanischen Fonds stehen also höhere Risiken gegenüber. Das Prinzip des Policenhandels ist simpel: Jeder, der eine Lebensversicherung besitzt, kann diese vorzeitig kündigen und Geld von seiner Versicherung zurückverlangen. Das Problem: Der Versicherte verzichtet auf eine Menge Geld. Er bekommt nur den Rückkaufswert ausgezahlt, und der liegt während der Laufzeit des Vertrags deutlich unter dem tatsächlichen Wert. Erst am Ende der Laufzeit sind Rückkaufswert und tatsächlicher Wert identisch – der Versicherer gewährt also eine Art Treuebonus (Schlussgewinnanteil) dafür, dass der Kunde den Vertrag bis zum Ende wahrgenommen hat. Der tatsächliche Wert ergibt sich aus den Beiträgen des Versicherten zuzüglich des Zinsgewinns (Überschussbeteiligung), den der Versicherer am Kapitalmarkt erzielt. MindestrückkaufswertDie Kündigung einer Police ist also nicht empfehlenswert. Allerdings hat der Gesetzgeber die Kündigung etwas attraktiver gemacht. Seit Anfang 2008 müssen Versicherer ihren Kunden im Frühstorno einen sogenannten Mindestrückkaufswert zahlen. Bisher gingen Versicherte beim Frühstorno leer aus. Auch an ihren Bewertungsreserven müssen Versicherer ihre abtrünnigen Kunden inzwischen beteiligen. Bewertungsreserven in der Bilanz entstehen, wenn der Buchwert unter dem Marktwert liegt. Vermutlich holen sich die Versicherer die “Verluste” aber wieder rein. Versicherungsnehmer, die ihre Police zu einem relativ späten Zeitpunkt kündigen, erhalten wohl niedrigere Rückkaufswerte. Auch die jährlichen Überschüsse dürften zugunsten des Schlussüberschussanteils sinken. Wer spät kündigt, ist wegen der gesetzlichen Änderung jetzt unter Umständen schlechter dran als vorher. In jedem Fall ist die vorzeitige Kündigung einer Lebensversicherung die schlechteste Alternative. “Wer nur vorübergehend knapp bei Kasse ist, sollte mit der Versicherung eine Beitragspause vereinbaren”, raten Verbraucherschützer. “Wer aber sofort Kapital freisetzen möchte, für den bietet ein Verkauf der Police an Dritte einen Ausweg”, betont ein Sprecher von Cashlife. Anteiliger TodesfallschutzDer Käufer übernimmt die Beiträge und streicht dafür am Ende der Laufzeit das angesparte Kapital ein. Der Preis, den der Verkäufer erhält, liegt über dem Rückkaufswert, aber unter dem Endfälligkeitswert, den der Verkäufer der Police erhalten würde, wenn er die Police bis zum Schluss hält. Die Differenz zwischen dem Endfälligkeitswert und dem Kaufpreis ist die Marge für den Aufkäufer. Für den Verkäufer einer deutschen Police kommt zum höheren Erlös noch ein Vorteil hinzu: “Er behält einen anteiligen Todesfallschutz aus der Versicherung, den er im Fall der Kündigung verlieren würde”, so eine Sprecherin von MPC Capital.Der Käufer einer deutschen Police stellt folgende Spekulation an: Je länger die Restlaufzeit ist, umso mehr spekuliert er auf die Fähigkeit des Versicherers, gute Überschusserträge zu erwirtschaften. Darauf richten sich die Aufkäufer ein. Typischerweise kaufen sie nur Policen mit einer Restlaufzeit von mindestens 15 Jahren. Zudem verwenden sie viel Zeit auf die Analyse der Versicherer. Weiter gilt: Je mehr der Versicherungsnehmer auf den Verkauf angewiesen ist, umso niedriger wird der Preis ausfallen. Um die Ausnutzung einer Notlage handele es sich aber nicht, meinen die Aufkäufer. “Ohne die Möglichkeit des Verkaufs an Dritte müsste ein Versicherungsnehmer seine Police kündigen und würde von der Versicherung sehr viel weniger Geld erhalten”, sagt Wichelhaus.Gelegentlich sind auch ethische Bedenken gegenüber dem Kauf von US-Policen zu vernehmen. Das Argument: Während bei deutschen Policen Auszahlungszeitpunkt und Garantiezins feststehen, nicht jedoch Überschussbeteiligung und Schlussgewinnanteil, ist es bei US-Policen umgekehrt. Hier ist die Summe bekannt und der Zeitpunkt nicht. Anleger wetten also auf den frühen Tod der Versicherten. Allerdings sollte bei dieser Argumentation nicht übersehen werden, dass es in der Versicherungsbranche Usus ist, dass die Rendite vom Ableben des Kunden abhängt. Das “Geschäft mit dem Tod” macht jede Rentenversicherung.