RECHT UND KAPITALMARKT

Lehren aus der Finanzmarktkrise für M&A in Corona-Zeiten

Risikoappetit nimmt ab - Relevanz der MAC-Klauseln steigt nicht signifikant

Lehren aus der Finanzmarktkrise für M&A in Corona-Zeiten

Von Thomas Meyding und Kai Wallisch *)Herzstück jeder Unternehmenstransaktion ist der Kaufvertrag. In diesem werden der Kaufgegenstand (Beteiligungen oder Geschäftsbetrieb) und die Gegenleistungen (meist ein Kaufpreis) geregelt. Wichtiges und intensiv verhandeltes Thema ist die Risikoallokation. Diese schlägt sich in den Deal Points nieder. Ein einleuchtendes Beispiel ist die Frage der Haftungshöchstgrenze für operative Garantien. Der Verkäufer hat großes Interesse daran, dass ein möglichst geringer Anteil des Kaufpreises aufgrund von Schadenersatzforderungen wegen Garantieverletzungen zurückgefordert werden kann.In Hochphasen lagen – abhängig von der Transaktionsgröße – derartige Haftungshöchstgrenzen bei lediglich 10 % des Kaufpreises und damit auf einem Niveau wie in den USA. In Krisenzeiten steigen die Haf-tungshöchstgrenzen auf über 50 % an. Ob die eine oder die andere Seite in der Lage ist, die eigenen Vorstellungen der Deal Points durchzusetzen, hängt von deren Verhandlungsposition ab. Allerdings spiegeln die Deal Points nicht nur Verhandlungsstärken wider, sondern unterliegen auch Moden. In Boomzeiten stehen andere Deal Points und Ausgestaltungen im Fokus als in Krisenzeiten.Viel wird derzeit darüber spekuliert, wie sich die Deal Points in der Covid-19-Krise entwickeln. Angeblich soll die Bedeutung sogenannter MAC-Klauseln und Kaufpreisanpassungsregelungen enorm zunehmen.Wir haben seit 2007 über 4 600 nicht öffentliche Transaktionen im Hinblick auf Deal Points ausgewertet. Nach regionaler Aufteilung und im Hinblick auf Sektorenzugehörigkeit sind diese Transaktionen repräsentativ für den europäischen M&A-Markt. Zwar ist die Finanz-marktkrise in vielerlei Hinsicht nicht vergleichbar mit der Covid-19-Krise. Eine große Gemeinsamkeit besteht aber doch: Das Transaktionsaufkommen und der Risikoappetit von Käu-fern haben deutlich abgenommen. Insofern bietet eine Auswertung der Entwicklung der Deal Points in den Jahren 2008 bis 2010, das heißt in der Phase, in der die Finanzmarktkrise die Realwirtschaft erreicht hatte, und in der Zeit danach interessante Erkenntnisse für eine mögliche Entwicklung der Deal Points in der Covid-19-Krise.Das Ergebnis unserer Auswertung ist, dass sich die Deal Points während der Covid-19-Krise – unterstellt sie nehmen die gleiche Entwicklung wie in der Finanzmarktkrise – nicht entsprechend der Marktwahrnehmung entwickeln werden: Kaufpreisanpassungsklauseln waren während der Finanzmarktkrise deutlich weniger populär (die Zahl der Transaktionen mit einem Kaufpreisanpassungsmechanismus hatte sich 2010 auf 35 % nahezu halbiert). Gleiches galt für die Folgezeit. Wir gehen davon aus, dass die gleichen Gründe wie während der Finanzmarktkrise auch jetzt dazu führen werden, dass Kaufpreisanpassungsmechanismen weniger häufig anzutreffen sind.Aus Verkäufersicht sind in einer Krisensituation mit einem Kaufpreisanpassungsmechanismus große Unsicherheiten verbunden. Darüber hinaus spiegeln die erzielbaren Kaufpreise die aktuelle Krisensituation wider. Dies führt dazu, dass die Verkäufer nicht die Kaufpreise erzielen können, die sie in Boomzeiten erzielen. Nur am Rande sei bemerkt, dass die Entwicklung der Kaufpreisanpassungsmechanismen in den USA kon-stant verläuft und die Finanzmarktkrise keine Auswirkungen auf deren Verwendung hatte. In den USA nimmt die Popularität derartiger Klauseln über die Jahre ständig zu und bewegte sich zuletzt 2019 auf einem Rekordniveau (Kaufpreisanpassungsmechanismen wurden in 95 % der untersuchten Transaktionen genutzt). Die Haftungshöchstgrenzen verhalten sich so, wie man es in Krisenzeiten vermuten würde: Der Risikoappetit der Käufer ist geringer und Käufer bestehen auf höhere Haftungshöchstgrenzen. Insofern nehmen wir an, dass in der Mehrzahl der Fälle Haftungshöchstgrenzen für operative Garantien von über 50 % des Kaufpreises vereinbart werden.Entgegen der Marktwahrnehmung gehen wir davon aus, dass die Bedeutung von MAC-Klauseln nicht signifikant steigen und die Anzahl der Unternehmenskaufverträge mit MAC-Klauseln sich auf relativ niedrigem Niveau bewegen wird. Verschieben wird sich aber der Inhalt der MAC-Klauseln von einem Target-Bezug hin zu einem gesamtwirtschaftlichen Bezug. Um was geht es hier: Es geht um die Veränderung wesentlicher Grundlagen, die ein Rücktrittsrecht des Käufers begründen. Bei einem Target-Bezug stimmen die Bewertungsannahmen bei Abschluss des Vertrags nicht mit der tatsächlichen Entwicklung des Targets überein. Bei einem gesamtwirtschaftlichen Bezug wird auf bestimmte einschneidende gesamtwirtschaftliche Ereignisse abgestellt. Ein Beispiel für Letzteres ist die Fukushima-Krise. Bei einer Transaktion während der Fukushima-Krise wurde eine MAC-Klausel vereinbart, die dem Käufer das Recht gab, sich von der Transaktion zu lösen, wenn der MSCI World Index einen vergleichbaren Einbruch wie bei Bekanntwerden der Fukushima-Katastrophe erleiden würde. Regelmäßig wird bei diesen gesamtwirtschaftlichen MACs auf allgemeine Indizes abgestellt.Es lohnt, die Entwicklung der Deal Points in dieser Phase genau zu beobachten. Allerdings kann Covid-19 nicht jede Verhandlungsposition rechtfertigen. Viele Deal Points zeigten sich von der Finanzkrise unbeeindruckt. *) Dr. Thomas Meyding ist Partner, Dr. Kai Wallisch Counsel bei CMS Deutschland.