Liquidität ist Trumpf
– Herr Jörgens, ETF gibt es mittlerweile auf fast jeden Index weltweit, Tendenz steigend. Haben wir bereits zu viele Indizes?Ein breites Angebot ist für Anleger immer wünschenswert, denn damit können sie ihr Portfolio zielgerichtet nach der individuellen Strategie ausrichten. Allerdings sollte der zu Grunde liegende Index liquide handelbar sein und keine Klumpenrisiken aufweisen. Ob es sinnvoll ist, wenig liquide und konzentrierte Strategien, etwa einige Hedgefondsstrategien, über ETF anzubieten, bezweifeln wir. ETF eignen sich am besten dazu, kurzfristig in einen Markt zu investieren, um Trends auszunutzen und mittel- oder langfristig in etablierten Märkten eine liquide und anerkannte Benchmark abzubilden.- Inwieweit werden Indexfonds ihrem Anspruch gerecht, die zugrundeliegenden Indizes genau abzubilden, Stichwort: Tracking Error?Anleger sollten vor einer Investition in jedem Fall einen Blick auf den Tracking Error des ETF werfen. Die Aussagekraft des Tracking Errors bei einem länger bestehenden ETF ist dabei einfacher zu überprüfen als bei einem frisch aufgelegten ETF. Eine Aussage über die Tracking-Genauigkeit aller ETF lässt sich jedoch nicht pauschal treffen, da Faktoren wie Liquidität, Dividenden und Transaktionskosten je nach Anlageklasse und ETF-Konstruktion unterschiedlich sind. Übrigens kann sich ein Tracking Error nicht nur negativ, sondern auch positiv auf die Performance auswirken.- Swapbasierte ETF optimieren die Index-Nachbildung, einige Anleger fürchten aber die Risiken aus undurchschaubaren Gegenparteirisiken. Sollten Investoren beim ETF-Kauf eher auf physische Nachbildung setzen oder die swapbasierte Variante nutzen?Beide Produktangebote haben ihre Existenzberechtigung. Wichtig für den Anleger ist hier: Wie wird das Gegenparteirisiko bei den synthetischen ETF besichert – Staatsanleihen vs. Unternehmensanleihen vs. Cash – und wie transparent geht der Anbieter mit diesen Informationen um. Das Gleiche gilt für replizierende ETF. Wenn die zu Grunde liegenden Aktien an eine dritte Partei verliehen werden, muss dies dem Anleger transparent gemacht werden, und der Anleger muss sich dem Risiko aus dem Leihgeschäft bewusst sein. Wir empfehlen beide Arten und analysieren regelmäßig für jeden ETF die genannten Punkte sowie natürlich weitere Fragen, etwa die Zusammensetzung des Basiswertes- .ETF gelten als besonders transparente Anlageprodukte. Doch manche Indizes, beispielsweise bei Aktien aus exotischeren Schwellenländern, bergen Klumpenrisiken. Worauf sollten Investoren bei Aktienindizes achten?Ein wichtiger Punkt. Wenn Anleger über einen ETF in Schwellenländer investieren, sollten sie den Basiswert genau analysieren. Insbesondere in kleineren Volkswirtschaften wie Vietnam gibt es häufig einen Sektor, der weit über die Hälfte des Index ausmacht. Wenn dann noch die Top-3- Positionen über 25 % Gewicht ausmachen, sollten man sich überlegen, ob ein aktiv gemanagter Fonds nicht sinnvoller ist. Hier überwacht der Fondsmanager das Portfolio täglich und kann kurzfristig auf neue Gegebenheiten reagieren. Bei einem ETF stellt der Anbieter nur sicher, dass der zu Grunde liegende Index möglichst genau nachgebildet wird.- Wie sieht es diesbezüglich bei den Indizes auf Renten aus?Rentenanlagen haben im deutschen Private Banking traditionell eine hohe Bedeutung, unabhängig von der Art der Anlage. Somit spiegelt die Vielfalt der Renten-ETF die Kundeninteressen wider. Wobei es auch hier genau zu analysieren gilt, was wie abgebildet wird. Wenn der Investor nach einer Anlage in US-High-Yields sucht, aber das Zinsänderungs- und Ausfallrisiko möglichst gering halten möchte, dann ist ein ETF-Investment in einen entsprechenden Index mit einer Duration von knapp vier Jahren und ohne aktives Bonitätenmanagement nur die zweitbeste Wahl. Besser eignet sich ein aktiv gemanagter Fonds mit einer aktiven Durationssteuerung von einem halben Jahr bis drei Jahren und einem exzellenten Track Rekord bei der Auswahl der Papiere. Um eine Basisposition etwa in europäischen Unternehmensanleihen mit Investment Grade zu bilden, ohne dabei eine Durationssteuerung zu erwarten, ist ein ETF eine interessante Alternative zur Direktanlage.- Werden die neuen ESMA-Richtlinien Anlegern bei der Suche nach Transparenz behilflich sein?Ganz bestimmt! Die Finanzbranche ist insgesamt transparenter geworden, was bei Anlegern aber nicht automatisch zu einem höheren Produktverständnis führt. Dies können wir aufgrund der Komplexität und Vielfalt der Produkte aber auch nicht erwarten. Viele Kunden haben nicht die Zeit und das Fachwissen, um aus der Vielzahl der Produkte auswählen zu können und dann ständig zu beobachten. Richtlinien können mehr Transparenz schaffen, aber eine Beratung, die komplexe Themen einfach und verständlich macht, ist ebenso hilfreich.—-Die Fragen stellte Georg Blaha.