"Lokale Märkte in Asien werden sich für ausländische Anwälte öffnen"
– Herr von Dryander, Sie wechseln demnächst vom Frankfurter Büro von Cleary Gottlieb in das Büro Ihrer Kanzlei in Hongkong. Was reizt Sie an dem Finanzplatz?Der Nabel der Welt hat sich gen Asien verschoben. Hongkong ist die Drehscheibe für Kapitalaufnahmen und M & A in China und Südostasien. Dort leben 2 Milliarden Menschen, und es herrscht Aufbruchsstimmung. Der Kapitalbedarf ist enorm. 2010 gab es über 300 Börsengänge in Asien mit einem Volumen von 120 Mrd. Euro. Davon entfiel über ein Drittel auf Hongkong. In den USA gab es über 150 IPOs, wovon aber auch etwa ein Drittel chinesische Unternehmen waren.- Die Börse Hongkong wirbt zunehmend um ausländische Unternehmen. Bisher gibt es aber erst ein Listing eines deutschen Unternehmens dort. Wird sich das ändern?Bisher sind vornehmlich chinesische und andere asiatische Unternehmen dort an die Börse gegangen. Das Interesse aus anderen Teilen der Welt nimmt jedoch zu. Im Dezember hat der brasilianische Rohstoffkonzern Vale seine Aktien in Hongkong zugelassen. Deutsche Unternehmen haben sich ja von fast allen ausländischen Börsen, insbesondere aus den USA, zurückgezogen. Für europäische Unternehmen mit starken Marken im Konsumbereich oder bedeutenden Aktivitäten in Asien könnte eine Börsenzulassung in Hongkong interessant sein.- Warum?Dies erleichtert den Zugang zu asiatischen Anlegern, deren Bedeutung weiter zunehmen wird. Anders als die USA verlangt Hongkong für ausländische Emittenten keine Finanzabschlüsse nach lokalen Rechnungslegungsstandards. Die Börsenzulassung führt auch nicht zu unangenehmen Begleiterscheinungen wie der Anwendung lokaler Korruptionsgesetze oder kostspieligen Compliance-Anforderungen wie dem Foreign Corrupt Practices Act und Sarbanes Oxley in den USA.- Wie sieht es mit dem M & A-Geschäft in Asien aus?Der asiatische M & A-Markt wächst stark. Es gibt weltweit keinen anderen Investor, der strategisch planvoller vorgeht als der chinesische Staat. Staatsunternehmen wie Sinopec und Sinochem sichern sich international Zugang zu Rohstoffen. Es wird aber auch mehr Transaktionen mit Bezug zu Europa geben, da sich insbesondere die Chinesen in wichtige Technologien und Wirtschaftssektoren wie Finanzen gerade auch in Deutschland einkaufen wollen. Und auch Europäer suchen nach Wegen zur besseren Erschließung der asiatischen Märkte. Ich werde mich in Hongkong daher besonders um Transaktionen zwischen Asien und Europa kümmern.- Welche Rolle spielt dabei Hongkong?Hongkong ist das Eingangstor für große Teile des Chinageschäfts. Deshalb laufen viele Unternehmenskäufe, die anwaltlicher Begleitung bedürfen, über Hongkong. Das dortige Recht übernimmt in der Region zunehmend die Rolle, die das englische Recht in Europa und anderen Teilen der Welt spielt. Bereits jetzt unterstellen die Parteien viele Verträge über Unternehmenskäufe dem Recht von Hongkong.- Welche Rolle kommt Private Equity für das Wachstum in Asien und damit Hongkong zu?Der Fokus von Private Equity hat sich ebenfalls gen Asien verschoben. Private Equity erfüllt auch dort eine zunehmend wichtige Funktion als Kapitalgeber. Alle großen Fonds sind in China aktiv. Dort sind inzwischen die ersten Fonds in lokaler Währung aufgelegt worden. Auch deutsche PE-Firmen und größere Family Offices sind zunehmend in Hongkong oder Singapur präsent.- Inwieweit dominieren amerikanische und europäische Kanzleien den Rechtsmarkt in Hongkong?Aus historischen Gründen haben die großen englischen Anwaltsfirmen eine starke Präsenz in Hongkong. In den vergangenen Jahren haben Kanzleien mit amerikanischem Ursprung, zu denen auch Cleary Gottlieb zählt, ihre Aktivitäten in Hongkong ausgebaut. Lokale Anwälte spielen keine große Rolle im internationalen Kapitalmarkt- und M & A-Geschäft. Einige haben sich mit internationalen Kanzleien zusammengeschlossen, andere haben wesentliche Leistungsträger verloren.- Wie wird sich der Rechtsmarkt in Asien weiter entwickeln?Mit zunehmender Reife der asiatischen Märkte werden sich neue Beratungsbereiche für die Anwaltschaft auftun. Bereits jetzt spielen Compliance-Themen wie Korruptionsprävention und Kartellrecht eine wichtige Rolle. Auch Gerichts- und Schiedsverfahren nehmen zu. In nicht allzu ferner Zukunft dürfte aber auch eine Lokalisierung einsetzen, wie sie vor etwa 20 Jahren in Europa stattfand. Lokale Märkte werden sich für ausländische Anwälte öffnen. Die großen internationalen Kanzleien werden dann weitere Büros eröffnen müssen, um ihre Position vor Ort zu verteidigen.—-Christof von Dryander ist Partner von Cleary Gottlieb Steen & Hamilton. Die Fragen stellte Walther Becker.